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POV Finn

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker nicht wie gewohnt um 6:00 Uhr, um mich aus meinem Schlaf zu reißen, sondern Tim weckte mich sanft um die Mittagszeit, indem er sich neben mich ans Bett setzte und mir einen Tee reichte:"Naa, Kleiner... Wie gehts denn so?" fragte er mit besorgter Stimme, während er meine Stirn fühlte.

Ich seufzte. Mein Bruder war der strickten Überzeugung, dass ich mir gestern Abend vor Bens Haustür eine Erkältung geholt hatte und es mir deshalb heute so dreckig ging und mich hatte mich wegen diesem Grunde zuhause bleiben lassen. Doch woher sollte er auch wissen, dass nicht die Kälte das Problem gewesen war. Obwohl eigentlich schon, aber nicht die Kälte meiner Umgebung, sondern Bens. Da reißt man sich gerade zusammen und nimmt sich vor, sich zu entschuldigen und zu einem Aussprechen zu erscheinen -was bei mir nicht oft der Fall war, da ich ein ziemlich dickköpfiger Mensch war- und dann wurde man einfach vor der Haustür stehen gelassen.

"Er hat mich noch nicht einmal richtig angesehen, Tim... Und er sagte, wir reden morgen. Meinst du, er wird mit mir Schluss machen? Kann er ja gar nicht! Wir sind nicht zusammen... Ha! Aber was, wenn er nichts mehr mit mir machen will?" quengelte ich. Tim schloss kurz leicht genervt seine Augen, bis er mich dann ansah. In seinen Blick spiegelte sich reine Sanftheit ab. Sowie bei Ben auch immer. Naja, außer gestern. Da sah er einfach nur wütend aus.

"Finni, das hatten wir doch schon gestern... Er hat kein Grund dazu." Ich überlegte. Stimmte eigentlich, ich war der, der sauer sein sollte, nicht Ben. "Aber was, wenn ich einfach zu kindisch für ihn bin? Bin ich doch, oder?" äußerte ich dann vor Tim meine Zweifel. "Wenn er mit dir nicht so zufrieden ist, wie du bist, dann ist er selbst Schuld! Aber lass dir von jemanden, der einen kleinen Jungen nachts vor seiner Tür in der Kälte stehen lässt, nicht sagen, dass du dich ändern sollst... Damit das klar ist!" wütend funkelten seine blauen Augen, die meinen fast komplett ähnelten.

Ich lächelte. "Ich hab dich lieb, Tim... Aber bitte hör auf mich klein zu nennen! Ich bin doch keine 8 mehr." Mein Bruder grinste breit:"Klar, du bist ja schon fast erwachsen..." Der 25-jährige lachte dann und lehnte sich zu mir runter, um die gleiche Stelle zu küssen, die Bens Lippen gestern auch noch flüchtig berührt hatten. Meine Stirn kribbelte immer noch, von der kurzen Berührung. Also konnte er mich eigentlich nicht komplett hassen oder?

"Sorry, Kleiner, nur weil ich zuhause arbeite und deshalb Zeit habe, mich um dich zu kümmern, heißt das nicht, dass ich keine Termine habe. Aber ich nehme mein Handy mit und bin bald wieder da, okay?" Ich nickte müde. Vielleicht war ich gestern wirklich krank geworden.

Kurz bevor Tim mein Zimmer verließ und die Tür hinter sich zuzog murmelte er noch etwas wie:"Das Arschloch wird schon sehen..." Doch ich hatte keine Zeit mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen dachte ich schon daran, wie ich mich bei Ben entschuldigen könnte. Ich war es nicht gewohnt, dass Leute auf mich sauer waren. Ich war eigentlich immer der liebe Finn. Klingt komisch, ist aber so. Ich erinnerte mich manchmal selber an das unschuldige Schneewittchen. Fehlte nur noch der Traumprinz. Blöd nur, wenn dieser so kalt zu dir ist. Also musste etwas Gutes her, denn ich wollte Ben einfach nur wieder haben.

POV Ben

Niedergeschlagen kam ich am nächsten Tag von der Schule wieder. Finn war nicht da gewesen, obwohl ich heute nichts mehr gebraucht hätte, als ihn einfach festhalten zu können, egal ob die anderen das mitbekommen hätten, oder nicht und die Werkstatt hatte auch angerufen. Wie bereits erwartet, würde die Reparatur ziemlich teuer werden und wenn ich das Geld in den nächsten Tagen nicht zusammenbekommen würde, müsste ich es wahrscheinlich verkaufen. Nicht, dass ich jetzt noch viel dafür kriegen würde.

Haare raufend bog ich ich in meine Straße ein, als ich einen jungen Mann, vermutlich Mitte zwanzig vor meiner Tür sitzen sah. Wurde das jetzt zur Gewohnheit, dass jemand auf unserer Treppe saß? Mit ein bisschen Glück wollte er ja auch gar nicht zu mir, sondern wartete auf jemand anderes.

Meine Hoffnungen wurden enttäuscht, als der Typ aufstand, sobald ich mich näherte. Er kam mir mit schnellen Schritten entgegen. "Bist du Ben?" Ich nickte verwirrt. Woher kannte er mich, wenn ich ihn nicht kannte? Im nächsten Moment hörte ich einen Knall und spürte ein heißes Brennen auf meiner Wange. Hatte der Typ mich grade geschlagen?

"Geht's noch? Was zur Hölle soll der Scheiß man? Wer bist du überhaupt?" Ich hielt mir die brennende Wange. Am liebsten hätte ich zurück geschlagen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. "Ich bin Tim. Finns Bruder. Wir haben telefoniert erinnerst du dich?" "Klar erinnere ich mich, aber ganz ehrlich, was sollte das? Und was machst du hier?" Er guckte mich mit einem verachtendem Blick an. "Finn war heute nicht in der Schule." "Ich weiß, aber was hat das damit zu tun, dass du mir grade eine verpasst hast?" "Er war wegen dir nicht in der Schule du widerlicher Dreckskerl. Du hattest gesagt, du passt auf ihn auf. Du hattest mir gesagt, du wirst ihn nicht verletzen." Seine Stimme wurde immer lauter, doch er holte tief Luft, bevor er wieder ein wenig leiser fortfuhr.

"Gestern Abend hat mich Finn mitten in der Nacht völlig aufgelöst angerufen und wollte abgeholt werden, weil sein geliebter Ben ihn einfach hat stehen lassen. Den ganzen Vormittag hatte er sich Vorwürfe gemacht, weil er dich abgewiesen hat und hat sich bei mir ausgeheult. Dann wollte er unbedingt zu dir, um das zu klären und im Endeffekt liegt er jetzt krank im Bett, weil du ihn mitten in der Nacht auf der Straße stehen gelassen hast. Verdammt ihm hätte irgendetwas passieren können. Weißt du eigentlich wie fertig er wegen der Sache ist?"

Er hatte sich wütend vor mir aufgebaut und man sah ihm an, dass es seine ganze Selbstbeherrschung brauchte, um einigermaßen ruhig zu bleiben. Ich musst schlucken. Hatte ich Finn damit wirklich so verletzt? Er hatte Recht, ich war ein Arschloch. Ich hatte dem wundervollsten Jungen, den ich je zu Gesicht bekommen hatte, weh getan und es nicht einmal bemerkt. Es war ja nicht einmal beabsichtigt gewesen. Und jetzt war er auch noch wegen mir krank? Scheiße man, ich war so ein Idiot.

"Hör zu, es tut mir leid, okay? Ich wollte ihn doch gar nicht verletzen, aber ich konnte gestern einfach nicht mehr. Erst der Streit mit ihm in der Schule, dann mein angeblich bester Freund, der mir den letzten Nerv raubt und als Finn mich abgewiesen hat, wollte ich eigentlich nur noch ins Studio, um die ganze Scheiße einfach für einen Moment zu vergessen. Tja doof gelaufen, da mein Auto dann auch noch den Geist aufgegeben hat, ich 3 Stunden auf den Abschleppdienst warten musste und im Endeffekt noch 2 Stunden mit der Bahn nach Hause gebraucht habe. Ich war einfach völlig fertig mit den Nerven, als ich hier angekommen bin, da hätte ich das Gespräch nicht auch noch ausgehalten, ohne irgendwas Dummes zu tun. Okay, dass ich meinen kleinen Engel einfach stehen gelassen habe, war nicht minder dumm, aber ich mach es wieder gut, ich versprechs. Es soll ihm nicht schlecht gehen, nicht wegen mir und auch nicht wegen anderen. Er bedeutet mir so viel. Natürlich tut er das, er ist schließlich mein Freund nicht wahr?"

Trotz meiner Verzweiflung musste ich am Ende leicht lächeln. Tim betrachtete mich Stirnrunzelnd. "Dein Freund?" Jetzt war ich derjenige, der die Stirn runzelte. Das war jetzt grade das, was ihn beschäftigte? "Natürlich ist er mein Freund. Oder? Nein, bitte sag mir nicht, dass ich es verbockt habe und er nicht mehr mit mir zusammen sein will." Erschrocken riss ich die Augen auf. Das durfte nicht sein. Ich brauchte ihn doch. Er war im Moment die einzige Person, bei der ich mich wohl fühlte. Nicht jetzt, wo ich ernsthaft dabei war, mich in ihn zu verlieben! "Natürlich will er dein Freund sein, du Idiot, aber hast du ihn denn je danach gefragt? Er denkt, du willst ihn nicht fragen. Für ihn seid ihr kein Paar. Was glaubst du wie fertig er deshalb ist?" Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen, jedoch stimmte das, was Tim sagte.

Wir hatten noch nie wirklich darüber gesprochen, ob wir in einer Beziehung waren. Für mich war das irgendwie selbstverständlich gewesen. Über die Möglichkeit, dass es Finn nicht so gehen könnte, hatte ich noch gar nicht nachgedacht. "Schön, dass du da warst Tim, aber ich muss jetzt los. Ich muss das wieder in Ordnung bringen." Damit ließ ich den großen Bruder meines süßen blonden Engels stehen und lief in meine Wohnung. Ich brauchte einen Plan!

Things change (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt