~21~

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POV Ben

Es war ja schon ziemlich niedlich, wie Finn sich auf unseren gemeinsamen Nachmittag freute. Ich hatte meinen Blick die ganze Zeit auf ihn gerichtet und so sah ich die Frau, die vor meiner Haustür kauert erst, als mir Finn in die Seite piekte und mich dadurch auf sie aufmerksam machte. Als sie aufstand, blieb ich wie versteinert stehen. "Mutter."

"Ben, mein Sohn. Wie schön dich zu sehen." Als sie Anstalten machte, mich zu umarmen, wich ich zurück. Da ich immer noch Finns Hand hielt, zog ich ihn mit mir und er sah mich, verwirrt durch meine Reaktion Stirn runzelnd an. Scheinbar hatte ich versäumt, ihn über mein kritisches Verhältnis zu meinen Eltern aufzuklären, doch das musste jetzt warten.

"Was willst du hier?" Meine Stimme war kalt und ich sah die Frau vor uns mit abschätzigem Blick an. "Wieso muss ich denn was von dir wollen, um dich zu besuchen?" Ich knurrte. "Ist ja nicht so, als hätten du und Dad mich rausgeschmissen, als ihr erfahren habt, dass ich einen Hang zu Männern habe. Noch dazu ohne Geld, oder die Chance irgendwas von meinen Sachen mitzunehmen. Ohne Onkel Troy wäre ich vermutlich entweder erfroren oder verhungert. Also nochmal, was willst du hier?"

Finn keuchte bei meinen Worten auf und drückte meine Hand fester. So viel zu 'das erkläre ich ihm später in Ruhe'. Als ich meinen Blick auf ihn richtete, sah ich, dass seine Augen geweitet waren, wodurch das Blau nur noch mehr hervor stach, und sich eine kleine Träne aus seinem Augenwinkel löste. Mehr als ihm beruhigend mit dem Daumen über die Hand zu streichen, konnte ich allerdings nicht machen, da die Frau, von der ich einmal dachte, dass sie mich lieben würde, erneut zu sprechen begann.

"Ach Junge, ich hatte gehofft, diese widerliche Phase hättest du überstanden. Es ist abnormal und ekelhaft jemanden des gleichen Geschlechts zu lieben. Doch wie es scheint, waren meine Hoffnungen, auf einen ehrbaren Sohn umsonst." Verachtend schaute sie auf unsere ineinander verschränkten Hände. "Ich bin gekommen, um zu schauen, ob du wieder zu Sinnen gelangt bist, doch da du offensichtlich immer noch zu diesen Anormalen gehörst, verbiete ich dir hiermit, jemals wieder auch noch in die Nähe unseres Hauses und uns zu kommen. Mit solchen Leuten wollen weder dein Vater, noch ich zu tun haben. Zu schade, dass du damals Hilfe von Troy bekamst. Solche Leute wie ihr es offensichtlich seid, sind es nicht wert zu leben. Ach ja, ändere deinen Namen. Wir wollen nicht mit dir in Verbindung gebracht werden."

Ich starrte ihr mit offenem Mund hinterher, als sie davonrauschte. Ich stand unter Schock. Die Gefühle, die in meinem Inneren tobten, beachtete ich nicht. Stattdessen setzte nun eine Art Taubheit ein. Ich wusste ja, dass meine Eltern nicht besonders viel von mir hielten, doch hatte sie mir und Finn grade wirklich den Tod gewünscht? Weil wir uns liebten? Die Frau, die mich geboren und großgezogen hatte?

Ein Schluchzen holte mich aus meiner Starre und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf den Jungen neben mir. Finn hatte einen entsetzten Ausdruck, auf dem sonst so engelsgleichen Gesicht und Tränen liefen durchgängig seine Wangen hinab. Er schien genauso geschockt über die Worte meiner Mutter wie ich, nur dass er seine Gefühle offen zeigte. Ich zog ihn in meine Arme und sofort klammerte er sich an mir fest und vergrub sein Gesicht an meiner Schulter. Ich sagte nichts, hielt ihn einfach nur in meinen Armen, während seine Schluchzer langsam verebbten und meine Gedanken sich überschlugen.

"Ich glaube wir sollten rein gehen." Obwohl ich flüsterte, vernahm man das Zittern in meiner Stimme deutlich und als Finn schwach nickte und einen Schritt von mir zurück trat, nahm ich seine Hand und lief in meine Wohnung. Sofort schmiss ich mich aufs Sofa und zog ihn auf meinen Schoss. Mit roten Augen sah er mich an, ehe er anfing zu reden. "Sind wir wirklich so abartig?" Ich schluckte hart. "Nein sind wir nicht. Sie sind es."

POV Finn

Ich nickte, Ben hatte recht. Wir sind nicht falsch, nur manche Menschen sind zu blöd, um das zu sehen. Dennoch bestürzte es mich, wie seine Mutter mit ihren eingenen Sohn geredet hatte. Sie hatte so unglaublich abwertend geklungen, während sie ihr einzigen Kind aus der Familie verbannte, weil er schwul war. Ich konnte es nicht verstehen. Von meinen Eltern war ich einen liebevollen und sanften Umgang gewohnt. Auch wenn sie nicht viel zuhause waren, kümmerten sie sich immer darum, dass es ihren Söhnen gut ging und würden wahrscheinlich alles dafür tun, dass wir glücklich waren.

Was ich allerdings verstehen konnte, war, dass es Ben jetzt unglaublich weh getan haben musste. Klar, es war anscheinend nicht das erste Mal, dass so etwas in seiner Familie passiert war, aber dennoch konnte ich den Schmerz in seinen blauen Augen sehen. Er versuchte seine Verletzung zu unterdrücken und seine niederschmetternden Gefühle nicht zum Ausdruck zu bringen. Damit war er das Gegenteil von mir, denn meine Tränen schienen gar kein Ende nehmen zu wollen.

"Du musst noch mal mit ihnen reden." flüsterte ich in seine Halsbeuge. Ich wollte nicht der Grund sein, dass seine Familie zu Bruch ging. "Das bringts nicht, Baby. Ich muss mich einfach damit abfinden, wie es ist..." sagte er und seine Stimme klang verbittert. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, hatte er wahrscheinlich recht. Ich seufzte schwer. Es war unglaublich schwer für mich, ihn so traurig zu sehen und zu wissen, dass ich nichts dann ändern konnte. Obwohl...

"Ich bin kurz auf der Toilette, ja?" murmelte ich, ehe ich aufsprang und durch den Flur zum Bad ging. Sobald die Tür hinter mir zu fiel, holte ich mein Handy aus der Tasche. Ich wählte die mir schon bekannte Nummer und wartete "Hallo?" "Hi, Tim." sagte ich schnell. "Was hat er angestellt?" zischte mein Bruder sofort auf der anderen Seite der Leitung. Ich verdrehte die Augen:"Gar nichts... Ich wollte nur fragen, ob ich nochmal kurz vorbei kann und dann bei Ben schlafen darf?" Ich wusste, dass es ein bisschen komisch war mit 16 Jahren noch seinen Bruder nach Erlaubnis fragen zu müssen, aber ich hatte echt keine Lust, dass diese Nacht Bens Haus von der Polizei gestürmt wird, weil Tim dachte, ich werde von ihm hier festgehalten. Meinem Bruder würde ich das sogar glatt zutrauen.

"Du weißt, was ich davon halte." war seine trockene Antwort, doch bevor er weiterreden konnte, unterbrach ich ihn:"Es ist wichtig. Es hat was mit seinen Eltern zu tun. Erzähl ich dir gleich, aber ich muss ihn unbedingt aufheitern." Bei meinen letzten Worten, hörte ich, wie sich Tim verschluckte und laut hustend ein "Bitte was?" in den Hörer brüllte. "Psch, beruhig dich! Doch nicht so, du Dummkopf." lachte ich. Mein Bruder litt ja echt unter ganz schönen Wahnvorstellungen, obwohl es ja vor fast einer Woche schon beinah so weit gekommen wäre. Ich hatte da doch tatsächlich geglaubt, dass Ben mich nicht haben wollte, wenn ich nicht mit ihm schlief. Jetzt wusste ich es besser und deswegen hatte ich etwas anderes für heute Abend geplant. Aber zuerst musste ich irgendwie hier raus, ohne, dass Ben Verdacht schöpfte. Es sollte ja schließlich eine Überraschung werden.

"Tim hat angerufen... Ich kann nicht mehr länger bleiben." sagte ich deshalb kurzerhand, als ich wieder zu Ben ins Wohnzimmer kam. Ich konnte sehen, wie weh ihn meine Worte taten und sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen, ihn in dieser Situation allein zu lassen. Ich musste mich beeilen, mit dem, was ich geplant habe, um schnell wieder bei ihm zu sein.

POV Ben

Ich war unglaublich enttäuscht, als Finn so überstürzt aus der Tür raus rannte. Natürlich konnte er nichts dafür, doch meine Laune war eh schon im Keller und ich konnte nicht umhin, mich nun endgültig verlassen zu fühlen.

Als er ging, ließ er mich alleine mit meinen Gedanken und den erdrückenden Worten, die mir von meiner Mutter entgegen geschleudert wurden. Vielleicht war Finn auch deshalb gegangen. Weil er es bei mir nicht mehr ausgehalten hatte. Ich weiß, Finn hatte ich bestätigt, dass die Worte meiner Mutter nicht wahr waren, doch was war wenn doch?

Bei Finn war ich mir vollkommen sicher das sie auf keinen Fall zu trafen, aber bei mir? Wenn ich eine Missgeburt, ein abnormales, nicht des Lebens würdiges Wesen war? Ich meine, wenn selbst meine Eltern das dachten, musste ja schon irgendwie was dran sein, oder?

Ich seufzte, stand auf und lief zum Kühlschrank, um mir ein Bier zu nehmen. Um meine Gedanken abzuschalten, halfen normalerweise nur zwei Sachen: entweder Alkohol und einen Horrorfilm, oder der kleine blonde Junge, der vor einer halben Stunde geflüchtet war. Die zweite Möglichkeit war zu meinem Bedauern leider nicht möglich und so verdunkelte ich das Wohnzimmer, kuschelte mich mit dem Bier in der Hand, in die Decke und versuchte so gut wie möglich auf das Gemetzel im Fernseher zu achten.

Grade als im meinem mittlerweile zweitem Film jemandem der Kopf abgeschlagen wurde, klingelte es. Erst wollte ich gar nicht auf machen, doch wer auch immer es war, ließ mir keine Ruhe, sondern klingelte bereits seit zwei Minuten durchgängig, sodass ich dann doch seufzend aufstand, um die Tür zu öffnen.


Things change (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt