Kapitel 5

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Der nächste Morgen ist nicht besonders erfreulich, jedenfalls nicht für mich. Meine Mutter ist immer noch zickig wegen dem vorherigen Abend, sie zeigt mir am Frühstückstisch die kalte Schulter. Ich werfe ihr über den Rand meiner Müslischale einen grimmigen Blick zu, während Timothy aufgeregt von seinem ersten Schultag erzählt. "Und dann hat sie gesagt, ich hab ein echt schlaues Köpfchen!", ruft er stolz und grinst in die Runde. Ich lächele ihn an. "Und damit hat sie ja auch Recht, Sweetheart", sage ich und streichele ihm über den Kopf. Dann wende ich mich wieder meinem Schokomüsli zu. Ich stochere missmutig in meinen Haferflocken mit Schokoraspeln herum, ich habe mal so gar keinen Bock auf Schule. Da werde ich nämlich Trent wieder sehen. Und auf den Psychopathen kann ich gerne verzichten. Was erwartet der eigentlich von mir? Dass ich einfach so damit klar komme? Er kann sich einen verdammt riesigen Hund verwandeln und er will, dass mich einfach so auf seine abgef*ckte Welt einlasse? Nein, nicht mit mir. Das ist total unnormal! Sowas sollte eigentlich gar nicht möglich sein. Und außerdem habe ich es sowas von satt, mich immer nur um andere Leute zu kümmern. Der Typ kann sich seinen Matequatsch sonst wo hin stecken. Der soll mich bloß in Ruhe lassen. Ich und ein Werwolf? Nein, danke, das ist mir zu krank. Hoffentlich kapiert er das und sucht sich einen anderen Seelenverwandten. Ugh. Warum ich? Warum muss er mich damit nerven?

Und noch dazu ist es heute arschkalt. Vor einer Woche hat die Sonne geschienen und es war schön warm und heute? 12 Grad und riesige dunkle Wolken am Himmel. Yay. Man bemerke den Sarkasmus. Ich habe deswegen auch meinen dunkelblauen Lieblingssweater an, damit ich mich bei dem Mistwetter immer hinein kuscheln kann. Ich stopfe mir schnell meinen letzten Löffel Müsli rein, ich sollte mich etwas beeilen, wenn ich nicht im Regen zur Schule gehen will. Meine Mutter hat mir heute kein Lunch vorbereitet, sie ist noch zu sauer. Ich stehe gerade auf, als May plötzlich aufschreit. "Au!" Ich wirbele herum. "May?", frage ich besorgt. Bitte lass das nichts mit ihrem Gehuste zu tun haben, bete ich innerlich. Heiße Tränen rollen über ihre Wangen und sie drückt sich ihre kleinen Händchen auf den Mund. Ich knie mich vor sie und streiche ihr mit meinen Daumen die Tränen von den Wangen. Ich nehme ihre Handgelenke in meine Hände und versuche, ihre Finger von ihrem schmerzverzerrten Gesicht zu lösen. "Was ist los?", frage ich sie beruhigend, aber sie weint zu sehr, um auch nur ein einziges Wort heraus zubringen. "Lass mich mal gucken", sage ich und ziehe etwas stärker an ihren kleinen Händchen. Endlich gelingt es mir, aber an ihren Lippen ist nichts zu sehen.

"May?", frage ich noch einmal, diesmal allerdings mit warnendem Unterton. Spielt sie mir etwa was vor? Sie schluchzt und heult: "Ich hab mir auf die Zunge gebissen!" Demonstrativ streckt sie mir dann ihre pinke Zunge entgegen. Puh, wenigstens nichts Ernstes. "Oh du arme", sage ich mitfühlend und drücke mit meinem Daumen leicht auf ihren Mundwinkel, um besser auf ihre herausgestreckte Zunge sehen zu können. Sie hat sich ein wenig beruhigt, aber sie weint trotzdem noch. Ich drehe ihren Kopf sanft nach links und nach rechts, aber es sieht alles in Ordnung aus, kein Blut, nichts. "Fehlt jetzt ein Stück von meiner Zunge?", fragt sie ängstlich, ihre Augen weiten sich und füllen sich allein bei dem Gedanken daran mit Tränen. Ich muss mir ein Lachen verkneifen, sie ist einfach zu niedlich und unschuldig. "Nein, es ist alles in bester Ordnung, Sweety", antworte ich. Sie sieht allerdings nicht ganz überzeugt aus. "Sicher?"

Ich lächele sie versichernd an. "Hundertprozentig. Und weil du so tapfer warst, willst du jetzt noch ein bisschen kalten Kakao?" Sie hat zwar ein bisschen Schluckauf von dem ganzen Geweine, aber sie grinst mich an. "Ja, bitte!", ruft sie begeistert. Ich lächele breiter und löffele schnell Kakaopulver und Milch in einen Becher. Sie fängt eifrig an zu trinken, ihre Zunge total vergessen. Erleichtert, dass alles in Ordnung ist, schultere ich meine Schultasche und will gerade die Küche verlassen, als mein Vater sich hinter mir räuspert. "Setz dich doch noch einen Moment zu mir, Caroline", sagt er ernst. Mist. Ich stehe mit der Hand an der Türklinke und sage ohne mich um zudrehen: "Ich muss zur Schule."

The Alpha's MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt