Kapitel 10

22.2K 933 223
                                    

Megan ist einiges, witzig, nett, ironisch und teilweise auch sarkastisch, manchmal vielleicht ein wenig zickig und temperamentvoll, aber so lange ich sie kenne, okay, genau genommen sind das gerade mal drei Tage, aber es kommt mir wesentlich länger vor, mehr so, als hätten wir uns schon eine halbe Ewigkeit gekannt, war sie noch nie traurig. Auch die anderen scheinen das nicht gewohnt zu sein, ihrer Körpersprache, Gesichtsausdrücken und merkwürdigen Herumdruckserei nach zu urteilen.

Megan kapselt sich völlig ab, sagt kein einziges Wort, als ich mich mit den anderen unterhalte, während Sierra ihr andauernd besorgte Blicke zu wirft. Jared sitzt neben ihr, man sieht ihm an, dass er versucht locker und cool zu wirken, aber er sitzt wesentlich verkrampfter da als sonst, schon fast wie eine menschliche, oder eher werwölfische, Schutzwand vor Megan. Ich habe natürlich mal wieder keine Ahnung was los ist und ehrlich gesagt traue ich mich auch nicht zu fragen, sie sehen alle so aus, als würden sie wissen, was gerade passiert und ich will nicht wie die Dumme wirken, die nichts peilt, auch wenn das in diesem Moment genau der Fall ist.

Der Vormittag vergeht wieder einmal relativ schnell vorüber und wirklich etwas passiert ist eigentlich auch nichts, bis auf die Tatsache, dass die Lehrer wieder angefangen haben uns eine gigantische Menge an Hausaufgaben aufzugeben. Ich freue mich riesig. Nicht.

Megan guckt die ganze Zeit ausdruckslos in der Gegend umher und manchmal bilde ich mir ein, Tränen in ihren Augenwinkeln glitzern zu sehen, aber sobald ich blinzele, sind sie auch schon wieder verschwunden. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich sie aufheitern kann, aber da sogar Sierra, die ja eigentlich extrem gut mit Megan befreundet ist, keine Anstalten macht, ihr irgendwie zu helfen, versuche ich es so gut wie möglich und trotz einiger Gewissensbisse zu ignorieren. Auch Jared spricht sie nicht an, er rückt ihr einfach nur nicht von der Pelle und klebt quasi an ihrer Seite fest. Ausnahmsweise nehme ich mir, so unbeschäftigt wie ich deshalb bin, vor, mich mehr in der Schule anzustrengen, aber sein wir mal ehrlich: in zwei Wochen sitze ich doch sowieso wieder wie ein stilles Kirchenmäuschen in der Ecke und sage keinen Ton im Unterricht, anstatt mich zu melden.

Auch beim Mittagessen in der Cafeteria ändert sich nichts, Sierra, Jeremy und Rick sind fröhlich am rum albern und Megan rührt ihr vollgeladenes Tablet nicht an. Ich seufze und höre Rick und Sierras angeregter Unterhaltung über The Vampire Diaries zu.

"Also bitte, Damon ist doch wohl mal das größte Arschloch überhaupt! Team Stefan forever!", ruft Sierra und blickt ihren Bruder herausfordernd an. Ich sehe verwirrt zwischen den beiden hin und her.

Rick lacht sie allerdings schamlos aus. "Pff, wer kriegt denn am Ende Elena ab? Hm? Stefan vielleicht? Oh warte, das war ja doch sein Bruder, Damon."

Ich runzele irritiert die Stirn. Ich sehe Rick komisch an und frage: "Warte mal kurz. Du guckst The Vampire Diaries?"

Er zuckt mit den Achseln und grinst mich an. "Was denn?", fragt er dann gespielt beleidigt. "Ist nicht meine Schuld, okay? Meine Ex-Freundin hat mich dazu gezwungen, es mit ihr zu gucken und diese Serie macht süchtig, ich kann einfach nicht mehr aufhören."

Ich ziehe belustigt die Augenbrauen hoch. "Yep, geht mir auch so, mein Freund", stimme ich ihm zu und beiße mir auf die Unterlippe, als Rick mich mit seinem bestem Hundeblick anstarrt. Seine Lippen sind zu einem Schmollmund verzogen und seine Augen weit aufgerissen. "Guck nicht so. Das ist völlig normal, okay? Ich bin immer noch ein Mann", sagt er selbstsicher und seine mitleidige Miene verzieht sich sofort zu einem eingebildeten Lächeln und er spannt seine Armmuskeln an, um kurz darauf mit gespitzten Lippen seinen Biceps zu küssen.

Ich pruste los, als er mich zweideutig anguckt und anfängt, mit seinen Augenbrauen zu wackeln. Sein Grinsen wird breiter, sodass fast alle seine Zähne zu sehen sind und er rollt seinen Kopf ein wenig nach unten und sieht mich nun durch seine Wimpern von der anderen Seite des Tisches an. Ich muss mir auf den Fingerknöchel beißen, so behämmert sieht er aus, wie ein Möchtegern gruseliger Stalker aus einem schlechten Film.

The Alpha's MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt