Valyrs Wunden waren noch nicht ganz verheilt, doch er spürte, wie die Bestie mehr und mehr das Ruder übernahm. Seine eigenen Gedanken kamen ihm fremd vor. Bald schon würde er gar nichts mehr denken, und nur noch nach Instinkten handeln. Je länger er Wolf blieb, desto unerträglicher erschien ihm der Käfig in dem er sich befand. Konnte er es sich leisten, zu warten bis seine Wunden vollständig verheilt waren? Er schüttelte den Wolfskopf und machte sich bereit. Es erschien ihm, dass die Rückverwandlung mit jedem Mal etwas schwieriger wurde. Als ob der Wolf in ihm nicht zulassen wollte, dass er sich zurückzog. Mit einem Schrei der Anstrengung zwang Valyr seinen Körper zum Wandel. Erst als er schwer atmend auf dem Boden kniete, bemerkte er die silbernen Augen, die ihn von außerhalb des Käfigs beobachteten. Er hatte seine Hose durch den Wandel in den Wolf verloren, und dieser hatte das Stück Stoff zerrissen ohne weiter über seine eventuelle Nützlichkeit nachzudenken. Hatte Valyr sein zweites Ich so schlecht unter Kontrolle? Er bedeckte seine Blöße notdürftig mit den Händen, und setzte sich auf.
Adrian trat näher.
„Du kannst dir eine Menge Unbill ersparen, wenn du mir gleich sagst, was ich wissen möchte."
Valyr lachte.
„Darauf kannst du lange warten, Blutsauger."
Mit einem Seufzen hob der Vampir ein Blasrohr, das er bisher hinter dem Rücken verborgen hatte, und bevor Valyr reagieren konnte, hatte er einen kleinen Pfeil in der Schulter stecken. Seine Sinne trübten ein. Er kämpfte dagegen an, doch was auch immer durch seine Blutbahn schwamm, war stärker. Er fiel auf die Knie, dann gaben seine Sinne ein und sein Oberkörper folgte der Schwerkraft.
Als er wieder zu sich kam trug er erneut ein Halsband. Es war nicht der Ring der Pein, doch fühlte sich ganz ähnlich an. Hatten die Blutsauger den Ring der Pein so leicht kopieren können? Er testete seine Glieder, doch keines davon war gebunden. Abgesehen von dem Halsband war er frei. Mit einem Zähneknirschen richtete er sich von seinem Lager auf. Sein Rücken fühlte sich noch etwas wund an, doch seine Wolfsnatur hatte ganze Arbeit bei der Heilung geleistet. Wäre er länger Wolf geblieben, würde er von den Wunden gar nichts mehr spüren. ‚Wärst du länger Wolf geblieben, würdest du als Individuum gar nicht mehr existieren', knurrte eine Stimme in ihm. Mit einem Seufzen sah er sich in dem Raum um.
Und erblickte zwei silberfarbene Augen, die ihm von einem Stuhl entgegenblickten.
Fluchend wich er zurück.
Adrian lachte.
„Was denn, hast du etwa gedacht wir würden dich ungefesselt und unbewacht lassen?"
Valyr schnaubte. Er wusste um die Kraft der Vampire, und die Kraft die er in Menschengestalt hatte reichte nicht einmal annähernd aus, den Blutsaugern auch nur einen Kratzer beizubringen. Er versuchte erst gar nicht, an dem Vampir vorbeizukommen.
„So, dann kann unsere Fragestunde beginnen", lächelte der Vampir.
„Gut", kommentierte Valyr. „Was ist mit meinem Rudel geschehen?"
Diese Frage hatte ihn schon viele seiner wachen Stunden gequält, vor allem als Wolf, da sich dieser dem Rudel umso mehr verbunden fühlte.
Der Vampir lachte nur.
„Das hatten wir doch schon. Ich stelle die Fragen, und du antwortest. Aber ich will mal nicht so sein. Du beantwortest eine meiner Fragen, und ich sage dir, was mit deinem Rudel geschehen ist."
„Wie lautet deine Frage?", knurrte Valyr.
„Wie heißt du?"
Valyr musterte den dunkelhaarigen Mann ausgiebig. Meinte er das ernst? Er tauschte eine solch banale Frage gegen die wertvolle Information des Verbleibens seines Rudels ein? Valyr traute diesem Tausch nicht, doch er neigte den Kopf.
„Mein Name ist Valyr."
Der Vampir nickte.
„In Ordnung, Valyr. Dein Rudel wurde vernichtet. Bis auf eine handvoll Wölfe, die in die Wildnis entkommen sind, haben wir alle getötet, oder verwundet und in Gefangenschaft genommen."
Valyr wich zurück.
„Du lügst." Er senkte den Kopf, dann kam ihm ein Gedanke.
„Ich hätte meine Brüder und Schwestern gerochen, wenn sie hier wären", meinte er dann beinahe trotzig.
„So? Wer sagt, dass sie hier wären?"
„Wo sind sie dann?"
Erneut lachte der Vampir.
„Erst du. Warum warst du an diesen Baum gefesselt?"
Valyr starrte den Vampir an. Er brauchte diese Informationen.
„Es war eine Bestrafung für Unachtsamkeit", knurrte er dann.
„Für die Information, die du von mir willst, musst du mir schon ein bisschen mehr geben, Wolf."
Valyr knurrte, dann erläuterte er.
„Ich habe meinen Wachdienst versäumt, und mein Vater wollte ein Exempel statuieren."
„Diese Entscheidungen trifft normalerweise doch der Alpha, oder nicht?"
Valyr biss sich auf die Lippe und verfluchte seinen Leichtsinn.Adrian schien überrascht.
„Du? Du bist der Sohn des mächtigen Alphas des Valley-Wolfrudels?"
Valyr hörte den Spott aus der Stimme des Vampirs. Nun war es schon so weit, dass er sich auch noch von Blutsaugern kleinmachen ließ.
Das war genug. Chancenlos oder nicht, Valyr warf sich gegen den Vampir mit allem, was er hatte. Wie erwartet endete der Angriff mit Schmerzen für ihn und keinen Auswirkungen für den Vampir.
Valyr fand sich zu Boden gepresst wieder, Adrian hielt ihn mit einem Knie im Rücken zu Boden, und hielt seine Arme nach hinten gebogen. Valyr keuchte vor Schmerz.
„Versuch das nicht noch mal, Wolf", zischte der Mann ihm ins Ohr. Valyr bekam eine Gänsehaut, und wich zurück, als der Vampir ihn endlich losließ. Er rieb sich die schmerzenden Schultern.
„Du bist ganz amüsant, Wolf, aber verstehe mein Zuvorkommen nicht falsch. Eine falsche Bewegung und du bist schneller durch einen der anderen wölfischen Gefangenen ersetzt als du dich verwandeln kannst."
Valyr senkte den Kopf. Er hasste diese Kreatur. Doch wenn er am Leben bleiben, und vielleicht eine Möglichkeit zur Flucht bekommen wollte, müsste er erst einmal nach den Regeln dieses Vampirs spielen.
„Gut so", meinte Adrian selbstzufrieden. „Nun, zu meinen Fragen."
Valyr blickte auf.
„Du schuldest mir noch eine Antwort, ich habe deine vorherige Frage bereits beantwortet."
Adrians Lippe zuckte. „Ist das so?"
Valyr blickte fest in diese gruseligen silbernen Augen. „Bitte. Wo ist mein Rudel?"
Der Vampir erwiderte Valyrs Blick für einige Sekunden, die Valyr wie eine Ewigkeit vorkamen. Die Augenfarbe des Vampirs schien sich zu verändern. Sie wurde etwas dunkler, und mehr bläulich. Valyr fragte sich, ob das irgendetwas bedeutete. Der Vampir wandte sich ab. „Sie befinden sich in einer unserer Festungen, etwas weiter im Westen."
Mit diesen Worten verließ er das kleine Zimmer, und Valyr hörte, wie ein schweres Schloss vorfiel.
Verwirrt und nachdenklich blieb er zurück.
Was hatte das zu bedeuten?
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Against His Nature [manXman] #CWC
FantasyPlatz 3 im Creative Writing Contest (CWC), vielen Dank für den Support aller Leser! ACHTUNG: Diese Geschichte enthält explizite Darstellungen von Sex und/oder Gewalt. Außerdem enthält die Geschichte homoerotische Inhalte. Rated R. ----------------- ...