Kapitel 5

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Valyr wälzte sich auf seinem Bett hin und her. Er konnte nicht schlafen. Bilder verfolgten ihn, Bilder von silberfarbenen Augen und nachtschwarzem Haar. Bilder von Geschehnissen, die nur in seinem Kopf stattgefunden hatten. Frustriert drehte er sich auf eine andere Seite.

Was hatte dieser Vampir mit ihm gemacht? Irgendwelche Vampirtricks mussten doch dahinterstecken, dass Valyr solche Hitze verspürte.

Mit einem Stöhnen saß er auf. Er begann in dem Zimmer auf und ab zu laufen, da er mehr und mehr den Drang verspürte zu rennen, doch er war hier eingesperrt wie ein räudiger Köter. Er schlug mit der Faust gegen die Metalltür und riss sich die Fingerknöchel auf. Mit einem Knurren nahm er sein Auf- und Abwandern wieder auf. Nach einer Weile des Wanderns öffnete sich plötzlich die Tür seines Gefängnisses und das Objekt seiner nächtlichen Albträume betrat das Zimmer. Valyr wich vor ihm zurück.

Adrian runzelte die Stirn.

„Hast du dich verletzt?"

„Wieso?"

„Ich rieche Blut."

Valyr schluckte. Er hatte beinahe vergessen, warum seine Art die Vampire ‚Blutsauger' nannte.

Adrian trat heran.

„Lass mich sehen."

Valyr knurrte, doch er hatte keine große Wahl gegenüber dem viel stärkeren Vampir. Er hob die Hand und Adrian ergriff sie. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete er die aufgeplatzten Knöchel.

„Wie ist das passiert?"

Valyr wandte den Blick ab und schwieg. Plötzlich spürte er etwas raues, nasses an seiner Hand.

„Was zum-...!"

„Halt still", zischte Adrian, während er weiter Valyrs Fingerknöchel ableckte. Völlig aus der Bahn geworfen beobachtete Valyr, wie sich die Wunden langsam schlossen.

Als Adrian geendet hatte, leckte er sich genüsslich die Lippen. Seine Augen schimmerten beinahe schwarz. Als er einen weiteren Schritt auf Valyr zumachte, machte dieser einen Schritt zurück. Das ging so lange gut, bis Valyr mit dem Rücken gegen eine Wand stieß. Der Vampir kam immer näher, und Valyr sah keinen Ausweg mehr. Er knurrte wie ein in die Enge getriebener Hund, bis Adrian ihn erreicht hatte, und er in dessen schimmernden Augen versank. Sein Atem ging schneller, und seine Lippen waren leicht geöffnet. Als Adrian sich zu ihm hinabbeugte, kniff er die Augen zusammen in Erwartung des Bisses. Doch stattdessen spürte er feste und zugleich weiche Lippen auf seinen. Er schmeckte den Nachhall seines eigenen Blutes, als Adrians Zunge in seinen Mund vordrang. Valyr presste sich gegen die Wand, doch zeitgleich wollten Teile seines Körpers mehr. Mehr!

Er wusste nicht, wessen Instinkt als nächstes handelte, Wolf oder Mensch. Doch mit einem Mal presste er sich gegen Adrian, seine Hände wanderten dessen muskulöse Oberarme entlang, bis sie seinen Hals umfassen konnten. Adrians Kuss wurde drängender, aufregender.

Und mit einem Mal war es vorbei.

Die Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss, und Valyr blieb schwer atmend zurück.

Er durfte... sich auf keinen Fall je wieder verletzen, dachte er mit einem trockenen Schlucken. Er verfluchte die Hitze in seinem Gesicht und in anderen Regionen seines Körpers.

Wie hatte er das nur zulassen können? Dieser miese Vampir musste dahinterstecken, das war die einzig mögliche Erklärung.

Adrians Flucht aus Valyrs Zimmer blieb zum Glück unbemerkt von seinen Untergebenen. Wie hatte er sich nur so hinreißen lassen können? Er hatte noch immer den Geschmack von Valyrs Blut im Mund, und den Geschmack seiner süßen Lippen...

Er schüttelte genervt den Kopf. Er musste diese Informationen aus Valyr herausbekommen. Sie mussten die verbleibenden Wölfe finden. Natürlich hatte er gelogen, als er Valyr erzählt hatte, dass der größte Teil seines Rudels getötet wurde. Dank Valyrs Warnruf hatten sich viele der Wölfe noch rechtzeitig verwandeln können, und sie hatten erbittert gekämpft. Es hatte Verluste auf beiden Seiten gegeben.

Sie hielten tatsächlich einen Teil des Rudels gefangen, doch der Alpha und seine Nächsten, wie auch einige andere Wölfe waren entkommen, und das alles nur wegen Adrian.

Als er über den einzelnen Wolf abseits des Lagers gestolpert war, hätte er ihn sofort ausschalten sollen. Doch irgendetwas war an dieser Kreatur gewesen, dass Adrian faszinierte. Und dieser folgenschwere Fehler verfolgte ihn nun. Wenn er seinem Stammesführer nicht bald Ergebnisse lieferte, musste er mit Konsequenzen rechnen, nicht zuletzt dem Verlust seiner Position. Auch sein Vater konnte ihn nicht davor beschützen, auch wenn er der Berater des Stammesführers war.

Adrian seufzte. Was war nur an diesem verdammten Wolf, das ihn so gefangen hielt? Er dachte zurück an Valyr als Wolf.

Er war kleiner als die anderen Wölfe, doch die intelligenten Augen und das seidige Fell passten sehr gut zu dieser Erscheinung. Seine Fellfarbe erinnerte ihn an einen grauen Wintertag, durchsetzt mit dem hellen weißen Schimmer frischen Schnees. Ganz im Gegensatz zu seiner menschlichen Form, in der dunkelblonde Locken sein Gesicht umspielten. In beides würde Adrian nur zu gerne seine Finger vergraben.

Valyrs Augenfarbe war sowohl in Menschen-, als auch in Wolfsgestalt blau. Doch als Wolf umspielte das Blau ein Schimmer von Bernstein, während seine Menschenaugen in einem wachen Gletscherblau erstrahlten. Er wollte diesen Wolf besitzen, mit Herz und Verstand, auch wenn alle Regeln ihrer Gesellschaft dagegen sprachen. Doch was, wenn es möglich war, dass Wölfe und Vampire friedlich miteinander lebten? Was, wenn er und Valyr es schaffen würden die Blutfehde zwischen ihren Rassen zu beenden?

Keine der beiden Seiten wusste noch, weswegen sie diesen Kampf begonnen hatten. Es erschien ihm so sinnlos. Doch wenn er Valyr weiter begehrte handelte er wider seiner Natur. Wider seines Stammes. Wenn diese Situation in die Aufmerksamkeit des Stammesführers gelangte, musste Adrian um mehr als nur seine Position fürchten. Was sollte er tun?

Unbemerkt hatten seine Füße ihn wieder vor Valyrs Zelle geführt. Er konnte hören, wie er in seinem Gefängnis auf und ab lief, rastlos, ruhelos. Einen Wolf zu lange eingesperrt zu lassen endete selten gut für diesen. Ebenso wenig war es ratsam, Valyr auf längere Zeit vom Wandel abzuhalten. Adrian seufzte. Verdammt, in was für eine Situation hatte er sich hier nur gebracht? Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Diese Anziehung, die er zu Valyr spürte... Er konnte sie nicht erklären. Sie gehörten einer anderen Spezies an. Doch Valyr erschien ihn so rein, so... unberührt, dass er in ihm das starke Bedürfnis weckte, ihm diese Reinheit auszutreiben. Mit einem letzten Seufzen lief Adrian zurück in seine Gemächer.

Against His Nature [manXman] #CWCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt