Kapitel 8

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Adrian lief den Gang auf und ab. Er zermarterte sich den Kopf über Möglichkeiten, Valyr aus der Zelle und aus der Festung zu bekommen. Den Schlüssel hatte sein Vater, und an diesen zu kommen erschien ihm eher unwahrscheinlich. Vielleicht eine Möglichkeit, das Silber zu umgehen und die Gitter aufzubiegen?

Der Teppich zeigte bereits Spuren von Adrians Auf und Ab, als die Schreie begannen. Sein Vater war bereits mehrere Stunden bei Valyr, er hatte den Wolf zum Verhör, wie er es nannte, in einen leerstehenden Raum nahe seiner Gemächer gebracht. Adrian konnte den Schmerz aus Valyrs Stimme heraushören, und wäre er religiös gewesen, hätte er für Valyr gebetet. So blieb ihm nur zu hoffen, dass der Wolf bald ohnmächtig wurde. Er versuchte weiter über Möglichkeiten nachzudenken, um Valyr zu befreien, doch dessen Schmerzensschreie trieben ihn beinahe in den Wahnsinn. Nach einer Weile wurden die Schreie leiser. Adrian konnte heraushören, wie Valyrs Stimme nachgab. Kurze Zeit später erstarben sie ganz. Die plötzliche Stille hallte in Adrians Ohren nach wie Donner. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken, bei dem Gedanken, das Valyr der Folter erlegen sein könnte. Er musste zu ihm. Er musste sehen, ob es ihm gut ging.

Valyr erwachte erneut zu einem Schimmer von Silber und Nachtschwarz. Als er mehrfach blinzelte, erkannte er Adrians hellsilbrig schimmernde Augen und sein dunkles Haar. Schmerzen pulsierten durch seinen Körper, und er wünschte sich, wieder in die Dunkelheit der Ohnmacht gezogen zu werden. Erst nach einiger Zeit registrierte er, dass Adrian sprach. Er klang besorgt. Warum klang der Vampir besorgt?

„Valyr, komm zu dir, bitte! Lass mich dir helfen! Valyr!"

Langsam klärte sich Valyrs Verstand, und gleichzeitig erinnerte sich sein Körper an jede Sekunde der vergangenen Folter. Er stöhnte auf und übergab sich krümmend auf den kalten Steinboden.

Adrian legte Valyr trostspendend die Hand auf den Hinterkopf. Seine erste Wahl für diese Geste wäre eigentlich Valyrs Rücken gewesen, doch dieser war von größeren Flächen Haut befreit worden, und Adrian wollte dem Wolf nicht noch mehr Schmerzen zufügen als bereits geschehen. Als er ihn im Wandlungskäfig vorgefunden hatte, hatte er für einen Moment befürchtet er wäre tot. Die Wunden, die sein Körper trug, waren schwer, doch sein Vater wusste genau, wie weit er gehen konnte.

Beim Anblick seines geschundenen Kameraden zog sich in Adrians Magen etwas zusammen. War das ihr Leben? Schmerzen zufügen und Schmerzen erleiden?

Nachdem Valyr aufgehört hatte, bittere Galle hochzuwürgen, sackte er kraftlos auf dem Boden zusammen. Entsetzt bemerkte Adrian, dass Tränen in seinen Augen standen. Als er sprach, klang seine Stimme rau und angestrengt.

„Mein Wolf... hat... hat sich zurückgezogen, nach etwa der Hälfte der... Behandlung. Ich... ich kann ihn nicht mehr spüren..."

Er klang zutiefst beunruhigt, seine Augen wirkten beinahe panisch als er hilfesuchend zu Adrian blickte.

Adrian kniete zu Valyr nieder.

„Er wird zurückkommen. Er ist ein Teil von dir. Vermutlich versteckt er sich nur vor den Schmerzen."

Ein Gedanke kam ihm.

„Die positiven Effekte deiner Wolfsseele, sind sie noch da?"

Valyr schüttelte gequält den Kopf.

„Dann hast du die Folter ohne die Unterstützung deines Wolfes durchstehen müssen..."

„Die Hälfte. Er stand mir bei während der... ersten Hälfte."

Adrian konnte sehen, dass Valyr dagegen ankämpfte, die Schmerzen zu zeigen, die ihn quälten. Doch wenn überhaupt, bereitete ihm das noch mehr Schmerz.

„Valyr, lass los. Kämpf nicht gegen die Tränen, das Stöhnen, die Schreie an. Es bin nur ich hier."

Valyr schnappte nach Luft und krümmte sich vornüber.

„Ich... Ich... Ich halte das nicht noch einmal aus... Adrian... Bevor er mich das nächste Mal zu sich ruft, muss ich hier raus sein, oder ich sterbe. Hier in dieser Zelle."

„Das wird nicht passieren, das verspreche ich dir. Ich hole dich vorher hier raus. Mein Vater wird dich vermutlich bald von dem Halsband befreien, damit du heilen kannst. Ich werde das Betäubungsmittel durch etwas Harmloses ersetzen, du stellst dich erst betäubt, und wenn sich die Chance bietet, haust du ab. Findet dein Wolf den Weg nach draußen, oder brauchst du die Lagepläne der Festung dafür?"

„Ich... ich finde den Weg."

„Gut. Ich gehe jetzt. Ruh dich aus."

Adrian hielt es nicht länger aus, Valyr so gemartert zu sehen. Fluchtartig verließ er die Zelle.

Es dauerte nicht lange, und Annen kam, um Valyr wandeln zu lassen. Er packte Valyr am Nacken, als wäre er ein Katzenbaby, und nahm ihm das Halsband ab. Valyrs Wandlung setzte dieses Mal nur zögerlich ein. Es war, als würde sein innerer Wolf erst aus den Tiefen seines Bewusstseins zurückkehren müssen. Doch dann dauerte es nicht lange, bis Valyr erneut auf weichen Pfoten den Käfig auf und ab lief. Dieses Mal waren seine Verletzungen wesentlich schwerer als das letzte Mal, es würde also auch länger dauern, bis die Wunden verheilt waren. Valyr würde vermutlich zwischendurch wieder zum Menschen werden müssen, damit die Bestie nicht übernahm.

Als Annen das nächste Mal wiederkam, war Valyr bereit, Adrians Plan in die Tat umzusetzen. Doch statt eines Betäubungspfeils betrat Annen selbst den Käfig. Valyr zögerte nur kurz, dann sprang er ihn an. Ohne große Mühe fing der Vampir Valyrs Sprung ab, sodass er mit einer Hand um den Wolfshals in der Luft baumelte. Er stieß ein kurzes Jaulen aus.

„Verwandle dich zurück", befahl der Vampir, und Valyr sah keine andere Möglichkeit, als dem Befehl Folge zu leisten.
Danach brachte Annen erneut das Halsband an Valyrs Hals an, und warf ihn zurück in den Käfig mit den Gittern aus Silber.

Er versprach ihm, in kürzester Zeit wieder für eine weitere Behandlung zurückzukommen.

Against His Nature [manXman] #CWCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt