Nach der kleinen Aktion auf dem Weg ins Restaurant hatte Nanae peinlich darauf geachtet, ihre Kette stets sicher unter ihrem Pullover zu verbergen. Castiel hatte sich den ganzen weiteren Abend von ihr ferngehalten, auch wenn erzählt wurde, dass er und Nanae zusammen von ihrem Tutor gefunden wurden. Als Nanae mitbekam, das darüber gesprochen wurde, hatte sie das Bedürfnis, sich zu verstecken. Es musste natürlich bemerkt worden sein, dass ihr Tutor ein ganzes Ende des Weges zurückgegangen war, weil eine Schülerin zurückgeblieben war. Aber dann war es eben nicht NUR Nanae, sondern auch Castiel, der plötzlich mit auftauchte. Nanae hörte, wie einige Jungs aus der Fußballmannschaft Vermutungen anstießen, was gelaufen sein könnte. Sie hörte Dinge wie „Der hat sie im Schnee gepoppt." Oder „Zwischen denen läuft garantiert was!", aber auch „Nee, ein Mädel wie Nanae ist doch nichts für Cas.", was sie nicht sehr nett fand. Sie war froh, als das Essen vorbei war und sich alle auf den Rückweg machten. Nanae hielt sich die ganze Zeit bei Yuuki und Ken und Castiel war wieder der Letzte, der hinter ihnen herging und rauchte.
Die Schüler waren durch die Kälte und die Wanderung alle ziemlich erschöpft und Herr Bohner, ihr Klassenlehrer, schickte sie auch direkt nach der Ankunft in die Betten. Nanae versuchte, noch in der Eingangshalle, umständlich ihre Stiefel auszuziehen, als Castiels Duft sie streifte. „Hast du die Kette noch, Nana?" fragte er leise, ohne sie anzusehen. Nanae griff sich an den Kragen und nickte. „Pass besser auf." brummte er und stieg die Treppe hoch. Sie sah ihm nach und bedauerte, ihn früher am Abend nicht hatte küssen können. Sie blickte wieder auf ihre Schuhe und zog daran, als sie feststellte, dass ihre Füße nicht die Einzigen in ihrem Blickfeld waren. Sie hob den Kopf und blickte in den hochnäsigen Blick von Amber. „Ich weiß nicht, was du dir einbildest, Nanae..." Sie spuckte den Namen förmlich. „...aber lass deine Finger von Castiel. Er gehört zu mir!" Nanae zog die Brauen hoch und entgegnete dem Blick. „Ach ist das so? Weiß er schon von seinem Glück?" Sie griff nach ihren Schuhen und wollte gehen, als Amber sie festhielt. „Mach mir nichts vor, ich sehe, wie du ihn ansiehst!" giftete sie. Nanae seufzte gottergeben. „Ja, so nennt man das, wenn man seine Augen auf jemanden richtet. Ansehen. Das tue ich für üblich, um zu wissen, wo ich lang muss und wer mir dabei im Weg steht. Im Moment bist du es. Lass mich los." Sie zog ihre Jacke aus Ambers Fingern. „Ich weiß nicht, was du glaubst zu sehen, aber es ist nicht verboten, andere Leute anzuschauen, schon gar nicht, wenn sie einen ansprechen. Das ist unhöflich, weißt du. Aber offenbar kommst du nicht oft in die Situation, Castiel anzusehen, weil er mit dir redet. Du glotzt lieber aus der Ferne!" Nanae warf mit Schwung ihre langen Haare auf den Rücken und drehte sich um. Amber biss sich auf die Lippen und trabte wütend hinter ihr her auf das Zimmer. Aus irgendeinem Grund entschied sie sich im Zimmer dagegen, weiter gegen Nanae zu hetzen, was dieser ganz recht war, denn sie war müde und ihre Füße taten von der Kälte und dem Fußmarsch doch ganz schön weh. Nach der Toilette schlüpften die Mädchen in ihre Pyjama und kuschelten sich in ihre Betten. Yuuki vergrub sich in ihrem Roman, die Amber-Crew lästerte über die Kellnerinnen aus dem Restaurant und Nanae hatte allen den Rücken gekehrt und skizzierte Schneeflocken auf dunklen Haaren. Sie machte sich schon gar nicht mehr die Mühe, Castiel aus ihren Gedanken zu verdrängen, wenn sie malte. Es hatte keinen Zweck. Er schlich sich immer wieder in ihre Bilder. Nachdem sie ihre neueste Zeichnung mit Datum und ihrer Signatur versehen hatte, setzte sie in schnörkeligen Buchstaben zum ersten Mal einen Titel unter eines ihrer Werke. „Kirschblüten im Winter". Sie lächelte und klappte das Buch zu. Sie schob es unter dem Bett in ihre Reisetasche und verstaute den kostbaren Kohlestift in einem Mäppchen. Sie bemerkte nicht, das Amber sie aus den Augenwinkeln dabei beobachtete und vor Neugier brannte, was sich in dem Skizzenbuch so alles versteckte. Nanae knipste ihr Bettlicht aus und schloss die Augen. Sie blendete das Geschnatter der anderen einfach aus und versank in erschöpften Schlaf.Wieder erwachte Nanae plötzlich. Sie glaubte, auf dem Flur ein Geräusch gehört zu haben. Ihre Füße waren kalt und sie rieb sie aneinander. Sie seufzte leise. Sie wollte nicht recht warm werden, die Gänsehaut krabbelte über ihre Arme. Nanae entschied sich, einen nächtlichen Abstecher in die heißen Quellen zu unternehmen, stand leise auf, schlüpfte in ihren Bademantel und griff sich Badeanzug und Handtuch. Leise huschte sie runter in den Wellnessbereich, zog sich rasch und bibbernd um und ging dann zügig raus zu den heißen Becken. Als sie ihr Handtuch ablegte, bemerkte sie ein zweites, das auf einem Stuhl lag. Sie zuckte zusammen und sah sich um. Tatsächlich entdeckte sie einen dunklen Schopf im Wasser schwimmend und war umso überraschter, als sie feststellte, das es sich um Nathaniel handelte. Sein Haar war durch das Wasser fast schwarz. Sie stieg in das Becken und bewegte sich auf ihn zu. Er erschrak so sehr, dass das Wasser spritzte, als sie ihn ansprach. „Mein Gott, mach das nicht noch mal!" japste er. Er spuckte etwas Wasser aus und strich sich die Haare aus den Augen. „Tut mir leid, ich habe extra Krach gemacht, aber du hast mich nicht gehört." grinste Nanae. Sie ließ sich auf den Rücken gleiten und paddelte langsam drauf los. Nathaniel presste die Augen zu Schlitzen zusammen. „Na warte!" brummte er und packte sie kräftig, aber angenehm an den Schultern und drückte sie einen kurzen Moment unter Wasser. Sie japste, als sie wieder auftauchte und so begannen sie, im Wasser herum zu balgen. Sie war ihm noch niemals so nahe gekommen wie in diesem Moment und sie wusste, ihre Mutter würde juchzen vor Freude, wenn sie das sehen könnte. Immer wollte sie einen Jungen wie Nathaniel für Nanae haben. Damit er es nicht wieder schaffte, sie unter Wasser zu drücken, legte sie ihn ihre Hände auf die nackten Schultern und eh sie sich versah, lagen seine Arme um ihre Hüften. „Du kannst nicht tanzen, hast du gesagt?!" sagte er und leckte sich mit seiner Zungenspitze einen Wassertropfen von der Nasenspitze. Sie nickte. Ihr Herz klopfte plötzlich schneller. „Das üben wir. Hier und jetzt. Da ist es auch nicht so schlimm, wenn du mir auf die Füße steigst." Er grinste und legte seine Hände auf ihre Taille. „Also bitte." Er begann, einen durch das Wasser sehr langsamen Walzer zu tanzen und Nanae machte unfreiwillig mit. Sie überstand einen kurzen Tanz, ohne das Nathaniel wegen einer Fußverletzung aufschrie. Sie lachte und löste sich von ihm. Seine Nähe und die viele nackte Haut, sowohl seine als auch ihre, machten sie nervös. Warum sollte das auch nicht so sein? Sie war ja frei und konnte tun und lassen, was sie wollte und der Schulsprecher war einer der hübschesten und klügsten Jungs der Schule. Und auch wenn er nicht gerade eine Witzkanone war, war er immer charmant und amüsant. Doch auch hier schlich sich der rothaarige Störenfried in ihre Gedanken. Es fühlte sich komisch an. Nathaniel schwamm wie ein Haifisch um sie herum und belauerte sie mit seinen hellbraunen Augen. Sie ging leicht in die Knie, damit man ihr verwirrtes Gesicht nicht mehr sehen konnte. Er umkreiste sie mit eleganten Bewegungen und streckte immer mal wieder die Hand nach ihr aus, um sie mit seinem Fingern zu streifen. Als wollte er sich vergewissern, dass sie da sei. Nach einigen Minuten blieb er still im Wasser und streckte seine Füße aus, damit er stehen konnte. „Ich würde raus gehen. Willst du noch bleiben?" Er sah sie fast herausfordernd an. Nanae nickte. „Ich bin total verfroren und meine Füße tun weh." Nathaniel nickte, ließ sich wieder ins Wasser gleiten und kam auf sie zu. „Also gut, ich kann dich hier allein lassen. Sicher?" Sein Gesicht war ihrem ziemlich nahe. Nanae nickte und schluckte. „Kann... kann ich dich morgen sehen?" druckste er weiter. Nanae machte überrascht die Augen weiter auf. „Klar, wir sind hier noch einen Tag." Nathaniel schüttelte den Kopf, seufzte und nickte dann. „Ja. Das ist richtig... ich meinte, verbringen wir etwas Zeit miteinander morgen? Hier oder auf dem Rasen oder wir gehen nochmal in die Stadt..." Er brach ab. Nanae lächelte. „Soll das ein Date sein, Nath?"
Dieser machte ein erschrockenes Gesicht. „Nein... Ja... ich meine, wenn es ok ist... ich meine, nur so mal. Wir können Yuuki und Ken auch mitnehmen." Er wurde rot. Nanae lächelte. Er war süß. Nanaes Herz schlug etwas schneller, als Nathaniel sich ihr etwas zuneigte und seine Augen immer wieder ihre Lippen streiften. Sie benetzte ihre Lippen mit ihrer Zunge und wartete, das sein Mund ihren berührte.Doch plötzlich ertönte aus einer der zahlreichen Zierbüsche das laute Kreischen eines Reihers, der in den dunklen Nachthimmel davonflog und die beiden stoben erschrocken auseinander. Nathaniel sah Nanae verlegen an. Der besondere Moment war vorüber. Er neigte wie üblich den Kopf etwas und wandte sich ab, um aus dem Becken zu steigen. Nanae blieb auf dem Wasser treibend zurück und dachte darüber nach, was dort gerade passieren wollte. Nath war ein netter, süßer Typ. Aber war er es, den sie wollte? Ein Mann, den auch ihre Mutter für sie wählen würde? Sie ließ sich auf dem Rücken treiben. Nathaniel war schon längst wieder drin und verschwunden. Nach einigen Minuten verspürte sie ein Kribbeln im Nacken, als würde sie jemand beobachten. Sie stellte sich aufrecht in das Becken, sah sich um und sah tatsächlich Castiel in voller Montur am Beckenrand sitzen und rauchen. Er hatte lediglich den Regeln des Bades nach seine schweren Stiefel gegen Badeschuhe ausgetauscht. „Ein Jammer, das der Vogel euch gestört hat, habe ich Recht?" brummte er sarkastisch und begann, sich seiner Kleidung zu entledigen. Er schien die Eiseskälte völlig zu ignorieren. Nanae schluckte. Da war es wieder, das komische Gefühl. Er hatte sie gesehen? Castiel stieg in das Becken, statt einer normalen Unterhose trug er kurze Badeshorts. Er schien sich merklich zu entspannen, also hatte er doch gefroren. Mit zwei kräftigen Schwimmzügen war er bei ihr und schlang seine Arme um sie. Fordernd und beinahe grob nahm er sich, was ihnen einige Stunden zuvor im Wald nicht gelassen wurde. Sie seufzte unter seinem Kuss und spürte die Hitze in sich aufsteigen. Sie wollte keinen Mann, der erst fragte, ob er etwas dürfe, sie wollte einen, der es sich mit Leidenschaft und Hingabe nahm. Unter dem Sternenhimmel und den sanften Nebelschwaden über dem Wasser gaben sie sich einander hin.
„Was sollte der Spruch mit dem Vogel vorhin eigentlich? Beobachtest du mich heimlich?" Castiel stieg aus dem Wasser und wrang seine Hose aus, bevor er sich frech in Nanaes Handtuch einwickelte. „Ich konnte doch nicht wissen, das da gleich so ein Riesenvieh rausgeschossen kommt, wenn ich einen kleinen Stein auf den Busch werfe!" rechtfertigte er sich. Nanae stieg ebenfalls aus dem Wasser und entriss ihm das Handtuch, auch wenn er seine Hose noch immer in der Hand hielt und nicht trocken genug war, um den Rest seiner Kleider wieder anzuziehen. „Du warst das also?" meckerte Nanae.
Castiel setzte sich mit Gänsehaut an den Armen auf eine der Holzliegen und wrang noch einmal kräftig an seiner Badehose, bevor er umständlich hinein schlüpfte. Nanae beobachtete ihn dabei amüsiert. Als sie das erste Mal einen nackten Jungen gesehen hatte, hatte sie sich etwas geekelt, aber an ihm gab es nichts, was einem unangenehm sein musste. Er sah sie mit seinem typisch arroganten Blick an.
„Ja. Und? Ich wollte dir nicht absichtlich den Wahnsinnskuss dieses Langweilers versauen!" Er zog seine Jeans an und riss sich förmlich sein Tshirt über den Kopf. Sein Atem kondensierte vor seinen Lippen. „Warum sollte ich auch? Ist doch deine Sache, mit wem du rummachen willst. Wer weiß, vielleicht entpuppt sich dieses Muttersöhnchen als Liebhaber des Jahrhunderts." Er lachte, als hätte er eben etwas absolut Unmögliches ausgesprochen. Aber es klang unaufrichtig, als würde er versuchen, sich selbst von seinen Worten zu überzeugen. Er war eben fordernder, leidenschaftlicher, aber auch liebevoller und hingebungsvoller als je zuvor, als wollte er ihr beweisen, dass niemals jemand so sein konnte wie er und niemand auch nur im Entferntesten an ihn heranreichen konnte. Er setzte sich wieder und schüttelte das überschüssige Wasser aus seinen Haaren. Nanae kniete sich neben ihm auf die Liege und legte ihm ihr Handtuch auf den Kopf. Sanft begann sie, seine Haare abzurubbeln. Er schloss die Augen. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist eifersüchtig!" sagte Nanae leise. Castiel stand auf. „Du hast Recht, du weißt besser, dass es nicht so ist. Wir sind nicht zusammen, du bist mir nichts schuldig, ich dir nicht. Geh mit ihm aus, mach mit ihm rum, schlaf mit ihm von mir aus. Dann kann die langweilige Jungfrau noch was lernen. Mir macht das nichts aus." Er zog seine Jacke an und zog sich eine Zigarette aus der Tasche. Er strich ihr über den Kopf. „Mach, das du ins Bett kommst, Nana. Nicht das du hier krank wirst." Er ging davon und Nanae blieb mit ihren wirbelnden Gedanken allein.
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Kirschblüten im Winter [AS]
FanfictionNanae und Castiel könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie kommt aus reichem Hause. Er bestreitet sein Leben allein. Und dennoch finden sie zueinander - ein paar Stunden in der Woche. Doch ist es Liebe?