Castiel öffnete leise die Tür seines Zimmers. Es roch leicht nach Chlor, also war Nathaniel bereits hier und lag im Bett. Er zog seine Jacke aus und schmiss sie im Dunkeln auf den Stuhl. Es raschelte, also war sie wohl auf den Boden gerutscht. Er zuckte die Schultern und wandte sich dem schlafenden Nathaniel zu. Durch das silberne Mondlicht, das durch das Fenster fiel, konnte Castiel ihn gut erkennen. Er betrachtete sein Gesicht.
Was fand Nana an ihm?
Er sah nichtssagend aus. Wie ein braver Schuljunge, ein verwöhntes Bübchen aus einer reichen Familie, der immer das bekommen hatte, was er wollte. Castiel ballte die Hand zur Faust. Am liebsten würde er ihn aus dem Bett ziehen und verprügeln, ihm sein hübsches Puppengesicht einbeulen und dafür sorgen, dass er es nicht mehr wagen würde, sich an Nana heranzumachen und sicherzugehen, dass sie den Gefallen an seinem Gesicht verlieren würde. Er biss sich auf die Lippe und kniff die Augen zusammen. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Er trat an sein Bett und ließ sich darauf nieder.
Worüber dachte er da eigentlich nach?
Sollte Nana Recht haben und er war wirklich eifersüchtig auf Nathaniel? Er drückte sich die Finger auf die Augen und sah wirbelnde Farben. Er ließ sich in sein Kissen sinken und machte sich nicht die Mühe, seine Kleidung auszuziehen. Seufzend drehte er sich zur Wand.
Noch immer konnte er sie noch an seiner Haut riechen und auf seinen Lippen schmecken. Ruckartig drehte er sich wieder auf den Rücken.
Nein, er wollte nicht, dass Nathaniel Nana bekam. Sollte er, Castiel, sie nicht haben können, wäre ihm jeder andere recht, der sie glücklich machte, nur nicht Nate! Er ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte noch nie gut mit diesem geschniegelten Lackaffen und wollte ihm nicht auch noch ein Mädchen wie Nana überlassen. Castiel schob sich die feuchten Haare aus der Stirn. Als er sie vor einem halben Jahr auf der Schulfete hinter dem Vorhang der Theaterbühne das erste Mal küsste, hatte er nur eine lockere, zwanglose Liebelei im Sinn, nichts Ernstes, keine tieferen Gefühle, nur ein bisschen Spaß. Und sie sah das genauso, denn er war kein Typ, den sie ihrer hochnäsigen Mutter vorstellen konnte.
Warum fühlte er sich dann jetzt so komisch?
Es drehte sich alles. Lief das mit ihnen vielleicht schon zu lange? War es wirklich wahr, dass Männer und Frauen nicht einfach so zusammen sein konnten, ohne dass sich irgendwann Gefühle entwickelten? Castiel war für Nana der erste Junge, mit dem sie zusammen war und die beiden hatten auch unzählige Stunden damit verbracht, einfach nur zu reden und sich kennenzulernen. Er war etliche Male die starke Schulter, an der Nana die Trauer über ihren Vater ausgelassen hatte, er hatte ihr von dem problematischen Verhältnis zu seinen Eltern erzählt und gemeinsam hatten sie über Amber und Nanaes Bruder Noah gelästert. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte, er wusste nur, das er wollte, dass es weiter ging.
Über der Grübelei schlief er ein.Nanae raffte ihre Sachen zusammen und nahm, bevor sie auf ihr Zimmer ging, noch eine heiße Dusche im Wellnessbereich. Vielleicht war es dumm von ihr, Castiel Eifersucht zu unterstellen. Er war aufgesprungen, wie von etwas gestochen. Sie wickelte sich fest in ihr Handtuch ein und huschte den Weg zum Zimmer zurück. Das Tuch duftete nach Castiels Haaren und Aftershave. Leise öffnete sie die Tür und hörte die anderen Mädchen ruhig und gleichmäßig atmen. Von denen ahnte niemand, dass sie nachts im Pool schwimmen war und ein kleines Abenteuer erlebt hatte. Sie zog ihren Schlafanzug an und legte sich ins Bett. Ihr Handtuch hatte sie über die Sprosse der kleinen Leiter zu Yuukis Bett gehängt und so drang Castiels Geruch in ihre Nase, während sie in einen kuschelig-warmen Schlaf glitt.
„Hey Nanae!" Eine Stimme drang in ihren Traum. Ein sanftes Rütteln an ihrer Schulter machte ihr klar, dass sie nicht träumte.
„Hey, aufwachen, Schlafmütze!" Nanae machte ein unwilliges Geräusch und öffnete die Augen ein kleines Stück. Yuuki lächelte ihr ins Gesicht.
„Komm, du verpasst das Frühstück." Nanae drehte sich auf den Rücken und streckte die Beine aus.
„Wie spät ist es denn?" Sie setzte sich auf und strich sich die Haare glatt.
„Kurz vor 9. Warst du in der Nacht wieder draußen? Ich bin vorhin beim Runtersteigen auf dein Handtuch getreten und das war gestern abend noch nicht da." Nanae stieg aus dem Bett und zog sich an.
„Ja, ich war draußen. Mir war kalt!" Yuuki sah sie ungläubig an.
„Und dann trabst du nach draußen? Da hätte ich erst recht gefroren!" Nanae kämmte sich die Haare.
„Ich war im Außenbecken und dann duschen. Ich hab Nathaniel getroffen, bin also nicht der Einzige, der sich draußen herum treibt." Sie lachte und putzte sich die Zähne. Yuuki schüttelte den Kopf.
„Es nimmt langsam Überhand mit deinen nächtlichen Treffen mit Nathaniel. Bist du sicher, dass du mir nichts sagen willst?" Yuuki kicherte. Nanae blickte Yuuki ungläubig an.
„Willst du mich auf den Arm nehmen!" Sie ignorierte die freche kleine Erinnerung an einen Fast-Kuss mit dem hübschen Schulsprecher.
„Warum nicht? Nathaniel ist doch nett. Und klug. Aber ich glaube manchmal, du stehst auf Typen wie Castiel." Yuuki setzte sich auf einen der Stühle. Nanae machte ein unbestimmtes Geräusch und bürstete sich energisch die Zähne. Sie spuckte aus und wischte sich den Mund ab.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Aber ein Typ wie Nathaniel wird bestimmt schnell langweilig und bei einem Typen wie Castiel gibt es sicher auch nach Monaten, wenn nicht sogar Jahren immer etwas Neues zu entdecken."
Yuuki klatschte bestätigend mit den Handflächen auf die Knie. „
Ich wusste es, du stehst auf Castiel-Typen... Aber nicht auf ihn, oder?" Nanae verdrehte die Augen.
„Macht er den Eindruck, als hätte ich eine Chance?" Sie band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz hoch und wusch sich das Gesicht.
Yuuki zog eine Schnute. „Naja, wenn ich mal so drüber nachdenke, bist du eigentlich die Einzige, zu der er irgendwie nett ist. Vielleicht mag er dich?!"
Nanae lachte. „Vielleicht liegt es daran, weil wir letztes Schuljahr das Projekt zusammen machen mussten und ich seine Note und damit seine Versetzung gerettet hab. Aber das kann ich mir auch einbilden, denn im Allgemeinen macht er sich nicht sehr viel daraus. Wer weiß das schon so genau." Sie lächelte ihr Spiegelbild an und wandte sich dann Yuuki zu.
„Wir können."
Yuuki stand auf. „Gott sei Dank kleisterst du dich nicht noch ewig mit Zeug zu. Ich hab Hunger. Lass uns gehen."
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Kirschblüten im Winter [AS]
FanfictionNanae und Castiel könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie kommt aus reichem Hause. Er bestreitet sein Leben allein. Und dennoch finden sie zueinander - ein paar Stunden in der Woche. Doch ist es Liebe?