16. Kapitel - Die Akzeptanz

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Nach weiteren Zehn Minuten in Leslies Bett mache ich mich auf den Weg nach Hause. Denn ich habe keine Lust ihren Eltern oder sogar meiner besten Freundin zu begegnen.

Auch bei mir ist noch alles ruhig. Entweder sind alle noch oder wieder aus dem Haus, oder alle sind da. Lady Arista mag nämlich keinen Lärm oder ein geschreie. Deshalb mag Arista Tante Glenda und Charlotte ja so, sie sind ruhig, anmutig und haben einen gewissen Standard was ihr Wesen betrifft. Noch dazu sind sie angeblich näher verwandt mit ihr als ich. Kann vielleicht auch einfach nur daran liegen, dass ich nicht so bin wie alle anderen. Ich lese nicht so gerne Klassiker wie Jane Austen, höre lieber moderne Musik und kann nichts mit Theater anfangen. Lieber mache ich was mit meiner Freundin, bin auf meinem Modeblog unterwegs oder schaue Filme zu Hause und im Kino.

Besonders Charlotte mag gerne joggen und hält sich somit dünn und sportlich. Deshalb bin ich im Nachteil, denn ich mache höchstens einen Sprint zu meinem Bus wenn ich zu spät bin. Selbst den Sportunterricht schwänze ich ab und an mal, da sich meine Lust auf sportliche Aktivitäten sehr in Grenzen hält.

Falls doch jemand hier ist. Schleiche ich mich so leise wie möglich in mein Zimmer. Ich will nur noch alleine sein. Das war alles zu viel gestern und heute zusammen. Es ist zwar nicht gut in selbstmitleid zu Baden, aber Gideons letzten Worte und Taten haben mit sehr weh getan. Dabei kenne ich ihn erst seit gestern.

Nach einer Badewanne mit lauter Musik in meinen Ohren lege ich mich schlafen. Langsam lasse ich mich von Today - Willamette Stone in den schlaf singen. Das Cello in der Musik ist so beruhigend, dass ich an nichts anderes mehr denken kann als die sanften Töne des streichens über das tolle Musikinstrument.

Als ich durch mein Weckerklingeln aufwache fühle ich mich überhaupt nicht gerädert, habe keine Kopfschmerzen. Nein, mir geht es sogar sehr gut. Ich fühle mich befreit von der Last. Vielleicht sind es nur die Tränen, die es mich so fühlen lassen, aber mir geht es blendent.

Mit Leichtigkeit schwinge ich mich aus dem Bett und fange an zu pfeifen. Keine Ahnung wie das Lied heißt und wo ich es schön einmal gehört habe, aber es ist wie verdammt guter Ohrwurm.
Nach meiner Morgenroutine stehe ich vor dem Esszimmer und wapne mich für meine gesamte Familie nach diesem angenehmen aufstehen. Aber bekanntlich gibt es ja immer die Ruhe vor den Sturm.

Als ich den Raum betrete bin ich wie immer die letzte. Aber das ist mir wie jedes mal vollkommen egal.

"Na, wieder nicht aus dem Bett gekommen, Gwennylein", spottet die so entzückende Charlotte. Sie ist immer die erst die das Maul aufreißt. Danach kommen immer Tante Glendas Kommentare zu meinen Klamotten. "Man muss ja irgendwann auch seinen Schönheitsschlaf nachholen. Nicht jeder will so aussehen wie du. Was eignet sich da besser das an einem Sonntag zu tun", gebe ich spitz zurück damit nicht jeder etwas sagen kann. Heute fühle ich mich einfach zu gut um so was auf mich zukommen zu lassen.

Hab wohl auf Nacht ein dickes Fell bekommen, dass so etwas nicht mehr in mein Unterbewusstsein kommt. Es perlt ab. Einfach so. Ohne Gefühle.

Nachdem jeder dann etwas unverständliches gemurmelt hat und Charlotte der Mund offen geblieben ist, war das Essen danach ruhig. Abgesehen von meinem Bruder, der mir zugestimmt hat was Charlotte und ihr Gefolge angeht. Passt mir am besten, so habe ich meinen inneren Frieden noch etwas länger.

Wieder auf meinem Zimmer hatte ich das Bedürfnis mal nichts zu tun. Keine Musik, keine Neuigkeiten in meinem Blog zu posten oder sogar zu lesen. Das war bis jetzt immer der Fall und mir war es egal.

Langsam Schlenderte ich durch die Gänge und die Treppen nach unten. "Bin draußen", schrie ich noch und war mit Schuhe und Jacke draußen.

Ich lief stundenlang durch den Hyde Park ohne etwas zu machen. Meine, ich lief und lief immer weiter ohne ein bestimmtes Ziel. Ich sah mir meine Umgebung an, die Menschen, Hunde. Selbst die Bäume waren faszinierend. Mein Handy klingelte alle halbe Stunde und es war mir egal. Meine Ruhe sollte keiner stören.

So gegen Mittag sah ich einen niedlich aussehenden Ladenund ging darauf zu. Es sah aus wie das Häuschen der sieben Zwerge, war aber in Vintage-Stil eingerichtet. So richtig kuschelig. Es sah wirklich süß aus und das Essen war auch nicht Teuer. In einer ruhigen Ecke mit der Eckbank bestellte ich dann ungarische Palatschinken mit Lachs und Meerrettich und eine Tasse schwarzen Tee. First Flush versteht sich. Er ist so aromatisch und schmeckt besser als jeder andere Schwarze Tee den ich in meinem ganzen Leben getrunken habe und da waren einige zur Auswahl.

Neben mir saßen ältere Damen bei einem Tee und plauderten über die Nachbarn und deren ungezogenen Kinder. Wie man das so im alter von 60 wieder anfängt, das lästern über andere. Naja, was haben sie denn sonst noch zu tun außer zu Heckeln, Stricken oder nähen, vielleicht sogar noch auf die Enkel am Wochenende achten.

Nachdem ich meine Teekanne gelert hatte und den Tanten eine Stunde gelauscht hatte wurde es mir zu viel. Die Frauen stören meine innere Ruhe, weshalb ich bezahlte und wieder durch den Park schlenderte. Dieses mal aber in Richtung nach Hause. Das Wetter war definitiv auf meiner Seite. Es war angenehm warm aber die Sonne knallt nicht zu sehr. So ein Wetter ist bei uns in London echt selten stelle ich gerade fest. Bis jetzt ist es mir noch nie so bewusst gewesen.

Die letzten Jahre hieß es immer nur. Es ist gutes und es ist schlechtes Wetter, nie habe ich darauf geachtet ob es zu meiner Stimmung passt oder wie es sich anfühlt von einem besonderen Wetter umgeben zu sein.

Und dann wird mir eines klar. Ich habe mein Leben bis jetzt nur akzeptiert aber nie angenommen wie es war. Mich zu sehr von jedem gerade der anderen anstecken lassen ohne wirklich eine eigene Meinung zu haben. Und das wird sich ab heute ändern. Ich werde mehr auf mich hören und den anderen raten es zu akzeptieren. So wie mein Gewicht, die Klamotten, meine Geflogenheiten einfach mich als ganze Person. Ab heute will ich mich nicht mehr verstellen.

Gideons Ablehnung hat mich getroffen, aber jetzt ist es mir egal, denn es hat mich auf den Richtigen Weg gelenkt. Ich habe es auch akzeptiert, dass er mich nicht Sao möchte wie ich war oder bin. Aber mich gibt es nicht mehr anders. Entweder ganz oder gar nicht. Das ist mein neues Motto.

Zuhause setzte ich sogar eine Liste auf:

1. Sei ganz du
2. Hab deine eigene Meinung
3. Mache was dir gefällt
4. Keine Jungs bei denen ich mich verstellen muss
5. Mir einen neuen Rhythmus zulegen
6. Suche dir einen Job für deinen inneren Frieden
7. Kläre Leslie erst auf wenn du dir sicher bist, dass sie es versteht
....

Weiteres folgt...

Der Kotzbrocken Mr. de Villiers den ich liebteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt