Kapitel 14

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14

Mit zittrigen Händen versuchte ich, das Telefon an meinem Ohr zu behalten. Marleen und ich saßen auf dem Boden vor ihrem Bett.

„Dad, die Mitte ist aber besser", sagte ich leise. Wir telefonierten gerade mit meinen Eltern, um sie zu überzeugen, uns in der Mitte zu treffen. Das war trotzdem noch riskant, aber besser als zu ihnen zu fahren. Marleens Eltern würden auch kommen. Außerdem mussten wir nur ungefähr sechs Stunden fahren, die Marleen und ich uns wieder aufteilen würden. Nur ...

„Na gut", gab er nach und atmete tief ein. „Dann bis nachher."

Es waren nur zwei Wochen vergangen und trotzdem vermisste ich meine Eltern schrecklich. Vor allem, weil wir sie so angelogen hatten. Sie hatten verlangt, dass wir ihnen bei dem Treffen alles erklären würden, aber natürlich hatten wir dies nicht vor. Wir mussten uns etwas überlegen.

Schnell machten wir uns frisch und schlichen uns dann aus dem Zimmer. Es war ungefähr fünf Uhr morgens, und wir wollten jetzt schon los fahren, um auch wenigstens einen Tag mit unseren Eltern zu haben. Dann gingen wir leise auf den Parkplatz und machten uns auf die Suche nach Mars Auto. Schweigend stiegen wir ein, sie richtete das Navigationssystem ein und dann fuhren wir auch schon los.

„Ich freue mich so auf meine Eltern", sagte sie, während wir gerade das Gelände verließen. Marleen hatte die ganzen zwei Wochen nie über ihre Eltern geredet. Als sie sie angerufen hatte, waren sie nicht so außer sich wie meine Eltern, denn im Gegensatz zu mir hatte Marleen ihren Eltern gesagt, dass sie zu ihrer Tante fahren würde. Und das früh genug. Das Problem war jetzt allerdings, dass wir ja bestimmt nicht bringen konnten, ein Jahr bei ihrer Tante zu bleiben. Also bitte. Wir mussten uns irgendetwas überlegen, aber was? Wie sollten wir unseren Eltern beibringen, dass wir auf ein College gingen? Ich meine, sie wären bestimmt richtig stolz auf uns, aber ... Ach, ich hatte einfach keine Ahnung.

„Ich mich auch", erwiderte ich nach meinen tausend Gedankenzügen.

„Mar, was sollen wir ihnen sagen?"

Sie umklammerte das Lenkrad. „Das hab ich mir auch schon gedacht. Denkst du, wir sollten ihnen sagen, dass wir auf ein College gehen?"

„Bist du sicher?", hakte ich nach.

„Was ist daran denn so schlimm? Es gibt eigentlich keine Kontra Punkte, Amy. Sie wären stolz auf uns und würden dann verstehen, warum wir uns so komisch verhalten haben." Im Grunde genommen hatte sie Recht. Ich wusste auch nicht, was mich zurückhielt. Also, was sprach dagegen? Richtig! Sean.

Nervös trommelte ich mit meinen Fingerkuppen auf dem Knie herum. Wir standen auf einem fast leeren Parkplatz und warteten auf unsere Eltern. Wahrscheinlich würden sie nur mit einem Auto kommen.

„Ich weiß gar nicht, wo wir gleich anfangen sollen", sagte ich und hielt Ausschau. Mein Herz raste, Mar knetete ihre Hände, die offenbar schwitzten. Ich wollte meine Eltern nicht länger anlügen, doch was blieb mir anderes übrig? Da musste ich durch.

Ein Honigkuchenpferdgrinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich den Wagen meiner Eltern erkannte. Mars Eltern saßen offenbar hinten drin, denn ein zweites Auto kam nicht hinterher. Ein paar Meter vor uns hielt es an. Sofort stieg ich aus und rannte auf das Auto zu, dessen Türen gerade zugeschlagen wurden. Mit einem breiten Lächeln umarmte ich Dad, der seine Arme ausbreitete. Er drückte mich fest an sich. Gott, ich musste gleich los heulen. Mit Tränen in den Augen umarmte ich nun auch Mom, die ums Auto herum kam. Oh man, wie sehr ich diese Umarmungen vermisst hatte. Diese Geborgenheit. Egal wie alt man war.

„Ich hab euch so vermisst", wisperte ich und löste mich langsam aus ihrer Umarmung.

„Wir dich auch." Ich grinste Mars Eltern an und umarmte diese auch kurz. Wenn meine Eltern mal ihren Elternaufgaben nicht hinterher kamen, waren sie für mich wie zweite Ansprechpartner.

GlücksscherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt