Kapitel 34

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NATHANS SICHT || „Sind Sie die Angehörigen von Amy-Linn Sanchez?", fragte sie an mich gewandt, weil ich ganz vorne stand. Das Klemmbrett in ihrer Hand irritierte mich. Was steht da drauf?

„Ja." Ich war mir sicher, dass sie nicht nach den Eltern fragen würde, denn aufgrund der Tatsache, dass hier in der Nähe ein College war, müsste eigentlich jedem im Umkreis bewusst sein, dass die Eltern meistens mehrere Stunden weg wohnten. Kontaktieren würde sie sie natürlich trotzdem. Marleen konnte ihr ja Auskunft geben.

Trotzdem war sie skeptisch. „Bitte sagen Sie uns, wie es ihr geht", flehte Marleen.

„Also..." MEINE FRESSE, MACH DOCH MAL SCHNELLER!

Sie holte tief Luft – und ich könnte schwören, dass in diesem Moment allen der Atem stehen blieb. Die Krankenschwester blickte auf ihr Klemmbrett.

„Miss Sanchez hatte großes Glück. Sie hat eine große Menge an Blut verloren, aber wir haben die Blutungen in den Griff bekommen. Hätten wir sie nicht sofort in den OP gebracht, dann wäre sie zudem auch innerlich verblutet, weil ihre Lunge stark verletzt wurde."

Ach. Du. Scheiße. Bevor irgendeiner von uns diese Informationen verarbeiten konnte, redete sie monoton weiter. Mein Kopf dröhnte.

„Sie hat sich außerdem mehrere Rippen gebrochen, also einen Rippenserienbruch."

Ich war wenigstens so schlau, dass ich jetzt verstand, warum sie sofort beatmet werden musste. Paradoxe Atmung. Das hatten wir mal in Biologie gelernt.

Ich schwankte ein wenig, und der Raum kam mir plötzlich viel zu eng vor. Sie wäre fast innerlich verblutet, und das nur, weil ich zu ihr gesagt habe, dass sie sich verpissen soll. Weil sie nach draußen gegangen ist und er sie gefunden hat.

Es dauerte eine Weile, bis irgendeiner von uns antworten konnte. Mir kam es so vor, als würde ich keine Luft bekommen. Es war auf einmal so stickig. Kann mal jemand das Fenster öffnen?

„Und was ist jetzt mit ihr?", fragte Marleen, die sich immer noch an Ethan klammerte, ängstlich.

„Nun, sie kommt gleich aus der OP raus, aber es dürfte ganz schön lange dauern, bis sie wach wird." Nur zu gut, dass heute Wochenende war. Ich werde die ganze Nacht warten.

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Bis sie wach wird. Hieß das also, dass sie garantiert wach werden wird?

„Also wird sie es schaffen?", fragte Mason. Bitte sagen Sie ja, bitte.

„Wir gehen vom Besten aus. Es könnten noch Komplikationen auftreten, aber wir sind zuversichtlich, dass sie es schafft. Wären Sie erst ein paar Minuten später aufgetaucht, wäre es wahrscheinlich zu spät gewesen."

Oh Gott. Es könnten noch Komplikationen auftreten. Der Raum drehte sich erneut.

Als die Krankenschwester offenbar unsere Gesichter sah, fügte sie hinzu: „Aber wie gesagt, sie wird es ganz bestimmt schaffen. Machen Sie sich keine Sorgen. Wollen Sie Ihre Nummer hinterlassen, damit wir jemanden erreichen, wenn sie wach wird?"

„Ich bleibe hier", fiel ich ihr ins Wort. Sie zog eine Augenbraue nach oben.

„Sind Sie sich sicher? Es könnte noch mehrere Stunden dauern."

„Ja, das bin ich", antwortete ich scharf. Heben Sie nicht so arrogant die Augenbraue.

„Nun denn, dann weiß ich ja, an wen ich mich wenden kann. Einen ... schönen Morgen noch. Ich hoffe für Sie, dass sie es schafft." Und dann ging sie wieder, nachdem Marleen ihr Auskunft über Amys Eltern gegeben hatte. Es war mittlerweile fast halb eins am Morgen. Teilweise erleichtert setzten wir uns alle. Niemand redete, und das Pärchen lächelte uns aufmunternd an. Irgendwann kam ein anderer zu dem Pärchen, das dann auch endlich mal verschwand. Jetzt waren wir alleine. Auch wenn ich jetzt ziemlich sicher sein konnte, dass sie überleben würde, ging mir der Satz nicht aus dem Kopf. Es könnten Komplikationen auftreten.

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