Die Zeit, sie drängt

154 10 0
                                    

Ich hatte Chris den ganzen Schlamassel erklärt und nun saß ich immer noch auf der Couch.
Im Fernseh lief meine Lieblingssendung - How I Met Your Mother.
Gerade kam eine Szene, in der sie über die Musik diskutierten und mir kam ein Gedanke, der mich hochschrecken ließ.

William, Note, Musik, Vortrag.

In Panik stellte ich fest, dass es nicht mal mehr eine Woche bis zur nächsten Musikstunde war und die Zeit langsam knapp wurde. Am Wochenende hatte er sicher keine Zeit für sowas, schließlich musste er ja seinen Ruf verteidigen, indem er auf viel zu lauten Partys viel zu spärlich bekleidete Mädchen aufriss.

Und ich war niemand, der seine Aufgaben auf den letzten Drücker erledigte.

Kurzerhand griff ich nach meinem Handy, das direkt vor mir auf dem Tisch lag und wählte die Nummer von William. Es tutete einige Male, bis ich bemerkte, dass er bereits abgehoben hatte und ich ihn mit einem zaghaften Hey begrüßte.

"Amy?", fragte er ziemlich dümmlich.

"Ähh, ja?", gab ich ebenfalls ziemlich dümmlich zurück.

"Was hast du denn noch?"

"Ich wollte nochmal wegen des Vortrages mit dir sprechen-"

"Muss das jetzt sein?", unterbrach er mich lustlos.

"Ja, wir haben sonst nicht mehr so viel Zeit und es am letzten Tag zu machen, ist echt scheiße."

Er seufzte, aber ich merkte, dass er bereits am Einknicken war. "An wann hast du gedacht?"

"Vielleicht direkt morgen? Dann haben wir es hinter uns."

"Müssen wir machen", gab er nach.

Ich nickte vor mich hin und antwortete: "Okay", und nach kurzer Schweigephase fügte ich hinzu: "Dann bis morgen." 

Und ich war schon dabei, das Handy von meinem Ohr zu entfernen, als ich noch hörte: "Warte mal. Amy?"

Zögerlich nahm ich das Handy wieder näher und fragte verwirrt: "Ja?"

"Wie geht's eigentlich deinem Fuß?"

Ich war überrascht, dass es ihn noch immer kümmerte. Ich dachte, mit dem Schritt aus der Tür hatte er bereits vergessen, warum er hier war. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. "Es geht wieder, danke."

"Okay", kurz zögerte er noch, "Dann Tschüss."

"Tschüss", flüsterte ich in den Hörer und ich wusste nicht, wer letztlich zuerst aufgelegt hatte, aber das Gespräch war danach beendet.

Ich hatte das Handy gerade beiseite gelegt, da klingelte es an der Haustür. "Chris", schrie ich, "es hat geklingelt." Es war eh für ihn.

Aber selbst nachdem einige Sekunden verstrichen waren, erhielt ich keine Reaktion. Idiot.

Genervt erhob ich mich von der Couch und humpelte zur Tür. Stürmisch riss ich sie auf und sagte schon: "Chris ist grad-" Ich unterbrach mich selbst, als ich sah, wer tatsächlich vor mir stand und mein genervter Gesichtsausdruck wich einem erfreuten.

"Hey", strahlte ich Liz und Sam an. Beide zogen mich daraufhin in eine feste Umarmung und musterten mich danach besorgt.

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. "Was habt ihr denn?"

Sie schlossen die Tür hinter sich. "Was hast du denn?", rief Liz aufgeregt.

"Wir haben von deinem Unfall gehört", erklärte Sam.

"Und dass du mit Will in Begleitung die Schule verlassen hast", ergänzte Liz.

"Wie geht's dir?", fragten sie beide gleichzeitig.

"Es ist wieder in Ordnung", meinte ich, hatte allerdings in Wirklichkeit immer noch leichte Schmerzen. "Wollt ihr vielleicht noch kurz hier bleiben? Was trinken?"

Sie schüttelten den Kopf. "Nein, also ja." Verwirrt sah ich zwischen ihnen hin und her.

"Nichts trinken", sagte Sam.

Ich war froh, dass sie noch hier bleiben wollten, denn auf Dauer wurde das Rumliegen auf der Couch echt langweilig. Selbst mit meiner Lieblingsserie. Zumindest, wenn draußen schönes Wetter war.

Also liefen wir (beziehungsweise humpelten) zusammen zurück zu meiner Couch. Ich schaltete den Fernseher aus und sah sie erwartungsvoll an. Sie allerdings beäugten mich nur mit kritischen Blicken. "Und wie es geht", meinte Liz und ich hörte eindeutig die Ironie in ihrer Stimme.

Ich verdrehte nur die Augen und sagte nichts dazu.

"Aber, komm, jetzt erzähl doch mal: Was ist denn das da zwischen dir und Will? Du kannst uns doch nicht erzählen, dass ihr euch nicht leiden könnt. Keiner bringt jemanden einfach so nach Hause", fragte sie skeptisch und fuchtelte mit den Armen dabei wild in der Luft rum.

Bedeutungsvoll zeigte ich auf meinen Fuß, sah sie dabei verstört an und beteuerte dann: "Ich konnte nicht laufen? Wie, bitte, hätte ich mit dem Fahrrad fahren sollen?"

Ungläubig sahen beide mich an und ich stöhnte vor mich hin. Was erwarteten sie denn jetzt von mir?

Aber irgendwann knickte ich dann doch ein und gab zu: "Ich muss euch ja vielleicht in einem Punkt recht geben: Nicht jeder würde sich dazu erniedrigen, einen anderen nach Hause zu bringen, also ist er vielleicht doch nicht so verkehrt, wie ich erst angenommen hatte."

Sie tauschten verschwörerische Blicke und sahen mich danach grinsend an. "So, so", meinte Liz.

Und ich hasste es in diesem Moment, dass es noch etwas zu erzählen gab. Sie hatten jetzt schon viel zu falsche Vorstellungen von der Sache.

"Und morgen werden wir uns auch nochmal treffen. Aber wirklich nur für diesen blöden Musikvortrag. Sonst niemals nie, also denkt jetzt nichts falsches."

Und trotz allem freute ich mich ein wenig auf Morgen.

You're my DrugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt