TORCHWOOD: The Anwen Cooper Files

The End is where we start from

Auf dem Boden, um Anwen herum lagen die Dokumente verstreut.
Personalunterlagen, Fotos, halb verbrannte Seiten. Schnipsel aus einer Vergangenheit, die sie sich nicht vorstellen konnte. Ihre Mutter auf Alienjagd mit Captain Jack Harkness, der seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten nicht älter zu werden schien.
Fragmente außerirdischer Technologien.
Wie viel davon war wirklich zerstört worden?
Namen und Bilder von Menschen. Dr. Owen Harper, Toshiko Sato, Suzie Costello, Ianto Jones ... Das Team vom Torchwood Institute in Cardiff – Torchwood Drei. Alle tot.
Anwen strich über das Foto, das an Toshikos Dokumente geheftet war und fühlte eine Unebenheit. Etwas zwischen Passbild und Papier. Vorsichtig löste sie es von dem Personalbogen. Eine microSD-Karte klebte auf der Rückseite des Fotos. Sie betrachtete den kleinen Datenträger. Eine veraltete Technologie, aber sie wusste, dass ihre Mutter noch ein Lesegerät dafür haben musste.
Sorgfältig verstaute sie alle Unterlagen wieder in dem Ordner und schob ihn in ihrer kleinen Küche unter die Waschmaschine – ein Ort, an dem Rhys die Unterlagen nicht finden würde.
Ein Geheimnis mehr, das ihr Vater nie entdeckten durfte.

Ihre Eltern schienen bereits zu Bett gegangen zu sein. Es brannte kein Licht mehr im Haus.
Anwen schlich mit ihrem Laptop unterm Arm die Treppe hinunter zum Arbeitszimmer ihrer Mutter im Erdgeschoss. Leise öffnete sie die Tür und schloss sie wieder hinter sich.
Sie stellte das Notebook auf den Schreibtisch und begann, die Schubladen nach dem Kartenlesegerät zu durchsuchen. Als sie es schließlich fand, steckte sie es an den USB-Anschluss ihres Computers und und startete ihn. Nachdem sie ihr Passwort eingegeben hatte, steckte sie die microSD-Karte in den dafür vorgesehenen Slot und wartete, dass der Datenträger erkannt wurde.
Es befand sich nur eine kleine Datei auf der Speicherkarte. Ein Video. Anwen klickte es an und das Wiedergabeprogramm öffnete sich.
Auf dem Bildschirm erschien Toshiko Satos Gesicht, getaucht in blaues Licht.
„Okay", sagte sie in die Kamera und nahm ihre Brille ab, „Also, wenn ihr das hier seht, heißt das vermutlich ich bin ... naja, tot." Sie seufzte kurz, „Ich hoffe, es war heldenhaft und kein Verkehrsunfall oder Missgeschick mit 'nem Toaster." Sie lächelte, „Ich wollte nur sagen, das ist okay, ist es wirklich! ... Jack, du hast mich gerettet. Du hast mir alle Wunder des Universums gezeigt und all die Möglichkeiten. Ich bin froh, dass mir das nicht entgangen ist. Ich danke dir! Und Owen ...", sie hielt inne und lachte kurz ein wenig schüchtern, „... du hattest keine Ahnung ... Ich liebe dich. Euch alle ... und ... ich hoffe, ich war gut", sie lächelte noch einmal in die Kamera und nickte, bevor sie sich vorbeugte, um die Aufnahme anzuhalten.
Anwen spielte das Video noch einmal ab. Im Hintergrund war ein Teil einer hellen gemauerten Wand zu sehen. Der Schriftzug WOOD war neben Toshikos Kopf darauf zu lesen.
Gwen legte ihre Hand auf Anwens Schulter.
„Wie ist sie gestorben, Mam?"
Eine Weile sagte Gwen nichts. Anwen musste sich nicht zu ihr umdrehen. Sie wusste, dass ihrer Mutter die Tränen in den Augen standen.
„Jacks Bruder Gray wollte sich an ihm rächen. Zuerst hat er überall in Cardiff an strategisch wichtigen Orten Sprengsätze gezündet. Dann hat er die Weevils aus ihren Verstecken gelockt und auf Menschen losgelassen. Tosh wurde im Hub von ihm angeschossen, als sie versucht hat, die Kernschmelze in Turnmill zu verhindern. Sie ... ist verblutet ..."
„Und Owen Harper?"
„Am selben Tag, kurz bevor Tosh gestorben ist ... In Kernkraftwerk. Er wollte Tosh vor Ort helfen, die Katastrophe zu verhindern, aber sie konnten die Kernschmelze lediglich eindämmen. Nach einer Energiespitze, die die Notabriegelung des Kraftwerks zur Folge hatte, war er in der Schutzkammer des Kraftwerks eingeschlossen, bevor das radioaktive Kühlwasser eingeleitet wurde ..."
„Und dann?"
„Jack hat gesagt, jedes Ende ist ein neuer Anfang. Wir haben zu dritt weiter gemacht, Ianto, Jack und ich. Bis jemand in der Regierung uns zu Staatsfeinden erklärt hat."
„Aber ihr habt doch versucht, Menschen zu retten ..."
„Das Gefährlichste an Torchwood ist Torchwood. Jack ist Torchwood. Und Jack hat verdammt viele Geheimnisse ..."
„Habe ich da eben Jack gehört?"
Gwen und Anwen drehten sich erschrocken in Richtung Tür. Rhys stand dort im Pyjama und blinzelte die beiden halb verschlafen an.
„Rhys, ich dachte du schläfst schon ...", Gwen versuchte den Bildschirm von Anwens Laptop runter zu klappen, bevor ihr Mann einen Blick darauf werfen konnte. Aber es war zu spät.
„Ist das da Tosh? Toshiko Sato ... von Torchwood ...", jetzt war er hellwach. Sein Blick wanderte zwischen den beiden Frauen im Arbeitszimmer hin und her. Eine Mischung aus Überraschung und Entsetzen lag darin, „Ich dachte, sie ist tot?"
„Das ist sie ..."
„Und wieso schaut sich unsere Tochter dann in deinem Arbeitszimmer ein Video von deiner toten Torchwood-Kollegin an, Gwen?", seine Stimme wurde immer lauter, „Und warum sprecht ihr über Torchwood und Jack? Ich dachte, das Kapitel wäre abgehakt!" Er schrie fast, „Torchwood ist Geschichte, Gwen. Alle sind tot! Du hast versprochen, nie wieder davon anzufangen ..."
„Es tut mir leid ..."
Rhys' Augen wurden immer größer, als eine Erkenntnis in ihm zur Gewissheit wurde. „Jack war hier!"
„War er nicht. Ich habe ihn seit der Geschichte mit dem Miracle Day nicht mehr gesehen, ich schwöre es, Rhys!"
„Du lügst, Gwen!", sein Ton schlug nun in ehrliche Wut um, „Warum lügst du mich an? ... Wegen TORCHWOOD?! ... Ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen!"
Anwen hatte ihre Eltern noch nie zuvor so streiten sehen. Die Wut und die Verzweiflung konnten sie nur kurz über die Angst hinwegtäuschen, die in der Stimme ihres Vaters mitschwang.
Warum war es ihrer Mutter so wichtig, dass er nichts von Jacks Besuch wusste? Warum versuchte sie, das alles vor ihm geheim zu halten?
Was war damals passiert?