The End is where we start from

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Anwen war auf dem Weg ins Krankenhaus zu Sam.
Ihre Vorgesetzte hatte sie am Morgen angerufen. Sam war wieder zu sich gekommen. Sie konnte sich Besseres vorstellen, als an seinem Krankenbett zu sitzen und sich sein Geseiher anzuhören, aber irgendwie betrachtete sie es als ihre Pflicht. Schließlich war er ihr Partner. Auch wenn Sam ihr von Anfang an zu verstehen gegeben hatte, dass er Anfänger – besonders Frauen – als lästig empfand. Erst nachdem sie ein paar Weevils zusammen gefangen hatten, hielt er sich mit seinen abfälligen Bemerkungen zurück.
Vielleicht hatte Ryder ihn auch gemaßregelt.
Das University Hospital of Wales war ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. In den 1960ern geplant. In den 1970ern eröffnet.
Das Krankenhaus lag zwischen der Eastern Ave und dem Heath Park auf dem Gelände der Universität. Es gab dort zwar mehrere Haltestellen, aber Anwen zog es vor, an der Rhydhelig Ave aus dem Bus zu steigen und den Rest des Weges zu Fuß zu gehen.
Es war ungewöhnlich ruhig auf der Straße. Als der Bus hinter der nächsten Straßenecke verschwand, war Anwen allein. Kein Mensch weit und breit zu sehen. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit, doch sie konnte es nicht greifen.
Es war ein ganz normaler Tag. Sam hatte die Operation gut überstanden, war stabil und wach.
War da ein Rascheln in der Hecke des Vorgartens? Bewegte sich etwas in ihrem Augenwinkel?
Anwen hätte es schwören können, doch sobald sie sich umsah, war dort nichts.
Ich werde langsam verrückt ... dachte sie noch, als etwas seine scharfen Klauen von hinten in ihre Schulter bohrte. Oder waren es Zähne, die sich in ihre Fleisch gruben ... Sie konnte sich nicht umdrehen, ihren Angreifer nicht erkennen. Anwens Hand glitt in Richtung ihres Waffenholsters und daran vorbei. Ihre Arme wurden so unendlich schwer. Schwer und taub. Der Boden unter ihren Füßen schien sich zu einer dicken, wabernden Masse zu verflüssigen. Sie hatte das Gefühl, immer tiefer in den weichen Asphalt zu sinken. Tiefer ... immer tiefer, bis sie unter der Straße verschwand. Ihr Mund war ganz trocken. Der stechende Schmerz in ihrer Schulter wurde zu einem dumpfen Pulsieren. Mit jedem Herzschlag schien ein Schwall Blut aus der Wunde zu quellen. Sie musste bald ganz blutleer sein. Sie wunderte sich darüber, dass sie trotz allem noch aufrecht stand. Das Bild der Straße geriet in Schieflage. Die Stimme einer Frau von sehr weit weg. Hunderte Meter von Wänden aus Watte schlossen sich um Anwens Sinne. Blau Augen. Lange dunkle Haare. Unscharf. Stop-Motion. Die Farben verflüchtigten sich. Sie konnte den Kaffee riechen, den sie zum Frühstück getrunken hatte. Der Geschmack Rührei und Speck auf ihrer Zunge? Blut ... Dunkelheit. Wann ... ist es so spät ... geworden?

Als Anwen zu sich kam, fand sie sich in einem Krankenbett wieder.
Zu ihrer Linken saß eine junge Frau auf einem unbequem aussehenden Stuhl und blätterte in einem Buch. Als sie bemerkte, dass Anwen wach war, schlug sie es zu und beugte sich lächelnd zu ihr hinüber. „Da bist du wieder, Anwen."
Als sie ihren Namen aus dem Mund der Fremden hörte, zog sich jeder Muskel ihren Körpers schmerzvoll zusammen. „Woher weißt du, wie ich heiße?", presste sie hervor.
Die Blicke der beiden Frauen trafen sich. Die Augen der Fremden waren blau. Sie lächelte und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Fußende des Krankenhausbettes. „Anwen Cooper. Steht auf deiner Krankenakte. Ist sogar ein Foto von dir drauf ..."
„Verstehe ...", Anwen entspannte sich wieder und musterte ihre Gegenüber, „Du warst das ... Du hast mich gerettet."
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Gerettet ist wohl zu viel gesagt. Ich habe den Krankenwagen und die Polizei gerufen ... Diese Jugendbanden werden immer dreister. Jetzt überfallen sie schon am hellichten Tag Menschen ..."
„Das waren keine ...", Anwen hielt inne.
„Keine Sorge. Zufällig konnte ich einen der Täter ziemlich gut sehen, bevor sie feige davongerannt sind."
Anwen schreckte hoch. „Meine Tasche?!"
„Ist hier!", die Fremde beugte sich hinunter, hob die Tasche vom Boden neben dem Bett auf und reichte sie ihr, „Du solltest nachschauen, ob sie etwas mitgenommen haben."
Anwen schüttete mit einer ihr bisher unbekannten Panik den Inhalt der Tasche auf das Bett aus. Ihr Augen überflogen die Gegenstände, die nun auf dem weißen Bettzeug verteilt waren: Anti-Weevil-Spray, ihre Dienstmarke, Deo, Kaugummis, Münzgeld, eine Schachtel Zigaretten, eine Schachtel Streichhölzer ... der Umschlag und das kleine, in braunes Papier eingeschlagene Päckchen. Sie atmete erleichtert auf. „Mein Geldbeutel fehlt ... aber sonst haben sie nichts mitgenommen."
Die junge Frau neben dem Bett grinste breit. Sie zog etwas aus ihrer Handtasche hervor – eine transparente Plastiktüte, wie Polizisten sie verwendeten, um Beweisstücke zu sichern. „Das lag in einem Mülleimer zwei Straßen weiter. Ich glaube, sie haben nur das Geld raus genommen und den Rest dann entsorgt. Die Polizei hat es schon untersucht."
Anwen holte ihr Portemonnaie aus der Tüte heraus und prüfte die Fächer. Tatsächlich fehlte nur die Geldscheine. Ausweis, Kreditkarte ... alles war noch da.
„Danke! Wie ..."
„... es kommt, dass die Polizisten mir deine Geldbörse und Tasche gegeben haben?", sie lächelte, „Sagen wir, jemand dort schuldet mir noch einen Gefallen und so wie es aussieht, werden sie die Typen ohnehin nicht kriegen. Auch wenn meine Beschreibung ziemlich gut war. Keine Tatwaffe. Keine Fingerabdrücke. Die werden immer gewiefter ..."
Anwen nickte.
„Ich bin übrigens Ava. Ava Jones", sie streckte Anwen ihre Hand entgegen.
„Danke ... Ava."


TORCHWOOD: The Anwen Cooper FilesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt