The End is where we start from

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Anwen stand im Schutz der Gardine hinter dem Küchenfenster und beobachtete, wie Ava sich langsam vom Haus entfernte, das kleine Gartentor öffnete und hinter sich wieder schloss, bevor sie in den SUV stieg und weg fuhr.
Sie hatte ihr die drei Klebebandrollen gegeben und Ava hatte versprochen, ihr in den nächsten Tagen alles auf einem konventionelleren Datenträger wieder mitzubringen.
Im Haus war es still. So still, dass sie das Vibrieren der Staubpartikel in der Luft hören konnte.
Anwens Eltern waren arbeiten.
Sie hatte ihre Taschen hinauf in ihre kleine Einliegerwohnung gebracht und dann in der Küche im Erdgeschoss Wasser aufgesetzt.
Ava war seltsam kurz angebunden gewesen und hatte ihre Arbeit vorgeschoben, um nicht länger bleiben zu müssen, als nötig war. Anwen hatte das getroffen. Auf eine Art, die sie nicht erklären konnte. Aber was hatte sie auch erwartet? Dass sie gemeinsam den Nachmittag in Anwens winzigem Wohnzimmer unter dem Dach ihres Elternhauses verbrachten.
Und was genau die ganze Zeit tun?, sie seufzte bei diesem Gedanken und goss sich eine kleine Kanne Tee auf.
Dann kam der unangenehme Teil des Tages - der Anruf.
„Chief Constable Ywen Ryder", meldete sich ihre Vorgesetzte schroff.
„Constable Cooper, Sir."
„Cooper, wie geht es Ihnen?"
„Besser..."
„Sie sind also aus dem Krankenhaus entlassen worden, Constable?"
„Ja, Sir."
„Gut. Kommen Sie nicht auf die Idee, morgen hier aufzutauchen. Ich will Sie vor nächster Woche nicht sehen!"
„Aber Sir..."
„Das ist keine Bitte, Cooper, sondern eine Arbeitsanweisung. Verstanden, Constable Cooper."
„Verstanden, Sir."
„Haben Sie Evans im Krankenhaus getroffen?"
„Ja, Sir."
„Wie geht es ihm?"
Anwen musste sich kurz auf die Lippe beißen, um ihr kleines Zusammentreffen mit Glimmstengel auf dem Flur nicht bildlich wiederzugeben: „Er ist schon wieder auf den Beinen, aber noch angeschlagen."
„Verstehe. Wir sehen uns am Montag, Constable Cooper. Gute Besserung."
Noch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Ryder die Verbindung unterbrochen.



„Lauf!"
Es war dunkel und kalt.
Anwen rannte.
Die Stimme in ihrem Kopf gehörte einem Kind, kam ihr aber seltsam bekannt vor.
Das Blut rauschte ihr in den Ohren und das Atmen fiel ihr zusehend schwerer.
Ihre Beine waren schwer, so schwer. Es kam ihr vor, als bewegte sie sich in Zeitlupe.
Um sie herum nur die schemenhaften Konturen von Ruinen. Zerbombte Gebäude.
„Schnell! Hier entlang!"
Anwen folgte dem körperlosen Ruf.
Unter ihren Schnritten knirschte der Boden, als rannte sie über den kargen Boden einer Steinwüste.
Sie rannte nun direkt auf eines der verfallenen Häuser zu.
„Durch die Tür!"
Im Inneren war es finster, aber Anwen glaubte, am Ende des Korridors ein winziges Licht zu erkennen und hinter seiner Quelle einen Treppenaufgang.
„Nach oben, auf das Dach!"
Die Treppe schien unendlich weit hinauf zu führen. Als sie gerannt war, hatte sie nicht darauf geachtet, wie hoch das Gebäude war.
„Weiter! Schnell!"
Hinter sich glaubte sie etwas zu hören. Es waren nicht die Schritte eines Menschen oder eines Tieres. Es waren gar keine Schritte. Nur ein leises, mechanisches Surren, in uregelmäßigen Abständen.



Anwen fuhr erschrocken zusammen, als sie wahrnahm, wie Schritte die Treppe hinauf kamen.
Für einen Augenblick war sie vollkommen orientierungslos. Erst also das Gesicht ihrer Mutter im Türspalt auftauchte, begriff sie, dass es nur wieder einer dieser seltsamen Träume gewesen war.
„Da bist du!"
„Hallo Mam", sie rieb sich die Augen, „Ich habe euch nicht kommen hören, muss wohl eingeschlafen sein..."
„Hat Ava dich nach Hause gebracht?"
Anwen nickte.
Gwen grinste.
„Was soll dieser komische Blick, Mam?"
„Nichts."
„Dein Grinsen sieht nicht nach Nichts aus, Mam...", es klang genervter, als sie es meinte. Aber sie traute diesem Ausdruck im Gesicht ihrer Mutter nicht.
„Darf ich reinkommen?"
Anwen setzte sich auf und betrachtete Gwen mit hochgezogener Braue: „Seit wann fragst du vorher um Erlaubnis?"
„Du hast doch das letzte Mal gesagt, dass du es nicht leiden kannst, wenn ich mich immer so anschleiche...", ihre Mutter öffnete die Tür nun ein wenig mehr und schlüpfte zu Anwen ins Zimmer. „Hast du Ava mal eingeladen, zum Essen zu uns zu kommen?"
„Was?"
Gwen nahm neben ihrer Tochter auf der Couch Platz. „Naja, nachdem sie dich gerettet und dann so rührend um dich gekümmert hat, wäre es einfach eine freundliche Geste des Dankes, meinst du nicht?"
„Schon, aber..."
„Aber?"
„Sie hatte es vorhin ziemlich eilig. Irgendwas wegen ihrer streng geheimen Arbeit..."
Gwen legte den Kopf ein wenig schief und musterte Anwen.
„Stell dir vor Mam, es gibt auch andere Menschen, die streng geheime Jobs haben. Und die arbeiten nicht immer für Torchwood..."
„Hat sie dir gesagt, wo sie arbeitet?"
Anwen schüttelte den Kopf: „Darf sie wahrscheinlich gar nicht. Sie erzählte irgendwas von UNIT und dass sie Ärger mit denen bekommt, wenn sie mir mehr erzählt."
„Verstehe."
„Habe ich da eben das Wort gehört, das unter diesem Dach verboten ist?", Rhys stand nun in der halb offenen Tür und sah die beiden an.
„Torchwood?", fragte Anwen.
„Ich will nichts davon in meinem Haus hören, junge Dame!"
Gwen warf ihrem Mann einen strengen Blick zu: „In deinem Haus?"
„In unserem Haus...", brachte er ein leicht murrend hervor und schob die Tür ganz auf, um neben Gwen bei den beiden Frauen auf der Couch Platz zu nehmen. „Wie geht es unsere Patientin?"
„Ganz gut, schätze ich. Ava hat mich gefahren. Und", sie rollte kurz mit den Augen, „ja, ich werde sie zum Essen einladen. Aber ihr stellt ihr nicht so viele peinliche Fragen, wie Eltern das immer machen..."
Gwen und Rhys sahen sich an, dann lachten sie. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Wann hätten wir deinen Besuch mit peinlichen Fragen gelöchert?"
„Habt ihr nicht - noch nicht. Was vermutlich vor allem daran liegt, dass ich so selten Besuch habe."
Gwen legte liebevoll einen Arm um Anwen und seufzte theatralisch: „Ja, du warst schon immer ein seltsames Kind..."
Nun war es Anwens Vater, der seine Frau mit einem mahnenden Blick bedachte.
„... Aber du bist unser seltsames Kind. Und wir möchten, dass du weißt, dass wir dich immer lieben werden. Komme was wolle!"
„Komme was wolle!", stimmte Rhys ihr zu.
„Bedingungslos."
„Bedingungslos", wiederholte ihr Vater.
„Und du kannst uns immer alles sagen. Egal, was es ist."
Rhys nickte, sah seine Frau aber fragend an: „Immer... Alles... Egal, was es ist. Außer du bringst jemanden um, oder so... Dann will ich es lieber nicht wissen..."
Gwen stieß ihm ihren Ellenbogen in die Seite.
Anwen schüttelte den Arm ihrer Mutter von ihrer Schulter und rückte ein Stück von ihren Eltern weg, „O-k-a-y... Ihr verhaltet euch komisch."
Der Gesichtsausdruck ihres Vater verriet, dass ihr Eindruck sie nicht täuschte, aber bevor sie noch etwas sagen konnte, um dem weiter auf den Grund zu gehen, erhob sich Gwen und bedeutet Rhys mit einer Kopfbewegung, dass sie wieder hinunter gehen sollten, er voran.
„Das kommt dir sicherlich nur so vor, fy tylluan bach. Vielleicht sind das noch die Nachwirkungen des Überfalls. Die Ärzte meinten, das kann ein paar Tage dauern, sich von so einem Vorfall zu erholen und den psychischen Stress zu verarbeiten."




TORCHWOOD: The Anwen Cooper FilesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt