Kapitel 1

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Von der erfrischenden Frühlingsgrüne des Grases war nichts mehr zu sehen, es war braun und vertrocknet. Mit gesenktem Kopf trottete ich zur Baumgruppe, das einzige Fleckchen Schatten auf dieser Wiese. Kaum angekommen, ließ ich mich in den kühlen Sand plumpsen und wälzte mich ausgiebig.

Schritte knirschten im Sand und eine Gestalt nahm am weißen Zaun Umrisse an. Ich ignorierte sie, für mich konnte es nichts Gutes bedeuten, das hatte es noch nie getan. Doch die Reitstiefel marschierten entschlossen über den staubigen Untergrund.

Ich blieb liegen und spielte mit den Ohren. Lästige Fliegen setzten sich an mein Auge und ich schnaufte.

Die Absätze gruben sich in jedem Schritt in den Sand und hinterließen kleine, leicht übersehbare Furchen, Staub schoss empor. Alles litt unter der sengenden Sommersonne, gnadenlos verbrannte sie seit Tagen die Erde. Die Sporen klimperten und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie in der Sonne blitzten.

Oft habe ich gesehen, wie er auf Pferden saß und sie gnadenlos einsetzte, egal ob das Pferd parierte oder nicht. Mühsam schleppte er mich in den Stall, der Schatten kühlte mein heißes Fell und ich schnaubte erleichtert.

Ich war nicht glücklich, wieder in meiner dunklen Box zu stehen, aber in dieser Jahreszeit war es im muffig riechenden Stall angenehmer als auf den großen Weidelandschaften um die Anlage herum.

Es dauerte nicht lange, da sah ich seine Visage wieder, diesmal in Begleitung einer kleinen, aufmüpfigen Jugendlichen, ein junges Mädel mit haselnussbraunen Augen, die neugierig durch die Gegend huschten und die verschiedenen Pferde in ihren Boxen mustern.

Das war mein erster Eindruck von ihr.

Auf ihren Lippen lag ein sanftes Lächeln und sie strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden.

Ich hätte sie für nett befunden, wenn mein Besitzer ihr nicht das alte taubenblaue Halfter in die Hand gdrückt hätte und sie nicht die Tür zu meiner Box aufgeschoben hätte.

Die verrosteten Schienen quietschten und es schepperte laut. Mit angelegten Ohren rappelte ich mich auf und schüttelte die Späne von meinem Fell.

Als könnte sie keiner Fliege etwas zu Leide tun, legte sie das Halfter mir an und führte mich vor den Stall, wo sie mich sorgfältig anbindet und zunächst mit einer Bürste den Staub aus dem Fell bürstet und dann meine Hufe auskratzt.

Mein Besitzer beobachtete sie voller Missbilligung und stand stumm daneben. "Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?", versuchte er nach einer Weile des Schweigens, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.

Doch sie zurrte bereits den Sattelgurt fest und drehte sich freundlich lächelnd zu ihm um. "Ich weiß schon, was ich tue."

Sie wirkte sehr von ihrer Pferdekenntnis überzeugt und ich ließ müde den Kopf hängen. Sie wäre nicht die erste in diesem Monat, die ich lammfromm im Sand absetzen würde. Aber sie weiß, was sie tut.

Sie sollte auf den Menschen hören, der mich in den letzten Monaten zu dem gemacht hat, was ich heute bin.

Geduldig schob sie mir das Gebiss ins Maul und schloss die Riemen zügig. Nervös schlug ich mit dem Schweif und folgte ihr wenn auch widerwillig zum Retplatz.

Wie sonst auch standen einige lockere Sprünge herum, nur waren heute einige Stangen aufgelegt. Die Hitze stand über dem Sand und es wäre mehr als verantwortungslos, jetzt zu springen. Sie führte mich ein Weilchen über den Platz und versuchte zwischendurch immer wieder, mich mit kleinen Gesten zu beruhigen.

In schwachen Momenten dachte ich darüber nach, wie einfach es sein könnte, wenn ich mich fügte, wenn ich all das über mich ergehen lasse und mich nicht zur Wehr setzte. In meinem jungen Leben war ich schon durch vieler Hände gegangen und von vielen Leuten geritten worden, aber letzten Endes wollten sie nur ein erstklassiges Springpferd.

Ich versuchte, brav zu sein und den Anweisungen jedes Reiters zu befolgen, aber es waren zu viele und ich war zu unerfahren und jung.

Ich riss nervös den Kopf hoch, als sie den Fuß in den Steigbügel stellte und sich in den Sattel schwang. „Hooo", murmelte sie leise, aber ich dachte nicht einmal daran, ruhig stehen zu bleiben.

Hitzig rannte ich los und sie hatte Mühe, mich ruhig zu halten. So haben es viele von mir erwartet oder es war die Erinnerung an meinen letzten Reiter, die er mir eingeprügelt hatte.

Ich regte mich selbst auf und je länger ich im Kreis hetzte, desto schneller wurde ich. Sie war hartnäckig, gab mir immer wieder Paraden und ritt Volten, aber es war mir egal, ich wollte sie loswerden.

Nach wenigen Minuten war mein Fell schweißnass und ich schnaufte angestrengt.

Ich wollte nicht das erstklassige Springpferd sein, das alle von mir erwarteten, denn ich wollte nicht nach irgendwelchen Erwartungen von einem kleinen Menschen leben.

Jeder einzelne von ihnen hat versucht, mich nach seinen Vorstellungen zu biegen und mit jedem Reiter wurden die Schmerzen größer. Ich war soweit, jeden gnadenlos abzubuckeln

Sie konnten mich nicht brechen, denn sie haben mich schon gebrochen.

TempladoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt