Das Mädchen beschloss, dass es wichtiger sei, eine Vertrauensbasis zwischen ihr und mir zu schaffen, bevor sie das Training wiederaufnahm, denn so könnte sie einen größeren Erfolg erzielen. So gestaltete sie jedenfalls meinen individuellen Trainingsplan, denn Reiten und Longieren gehörte vorerst nicht mehr dazu.
Auch wenn ich nicht begeistert war, sie ständig um mich herum zu haben, war es dennoch besser, als dass sie mich mit einer Peitsche über den Reitplatz scheuchte oder mich wie eine Furie anschrie, weil ich nicht gehorchte, so wie es die Menschen vor ihr auch taten, weil ich nicht verstand, was sie von mir wollten. Die Kommandos waren unverständlich und ich gab mein bestes und trotzdem war es nicht richtig oder nicht genug.
Aber sie reagierte anders, statt mich mit unfeinen Hilfen zum Aufgeben zu zwingen, empfing sie mich sogar nach dem gescheiterten Longieren mit einem strahlenden Lächeln. Sie legte mir weder Sattel noch Zaumzeug an, hakte lediglich eine Longe in mein Halfter und holte mich aus meiner kühlen Box in die Hitze.
Da der Sommer weiter gnadenlos die Natur ausbtrocknen ließ, verschob sie da Training in die kühlen Morgen- und Abendstunden, sodass sie am Mittag, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, nichts Besseres zu tun hatte, als sich mich zu krallen und mit mir spazieren zu gehen, als sei ich ein großer Hund.
Und ich folgte ihr, wie ein großer Hund, zumindest bis zu dem Punkt, an dem ich nicht mehr vorhersehen konnte, wohin sie mich führen würde, weil wir Anstalten machten, die große Anlage hinter uns zu lassen. Da wollte ich nichts lieber als zurück in den Schatten meiner Box.
Weit kam sie nicht, denn sobald ich mich von den gewohnten Wegen über den Hof entfernte, wurde ich nervös, riss die Augen auf und den Kopf hoch und tänzelte auf der Stelle. Sie ließ mich gewähren, behielt mich jedoch zu jedem Zeitpunkt unter iherer Kontrolle und als ich mich beruhigt hatte, ließ sie mir Freiraum, sodass ich die Lage überblicken konnte und sie bewahrte ihre Geduld, zumindest augenscheinlich, denn kurze Zeit später forderte forderte mich dennoch dazu auf, ihr zu folgen.
Sie zeigte mir einen Teil des Waldes, der nahe dem Pferdestall gelegen war und auf kleinen sandigen Flächen ließ sie mich im Kreis um sie herum trotten und auch wenn ich in meiner Hektik schneller wurde, trabte ich eben im Kreis.
Ich bockte, erhob mich in meiner vollen große und ruderte mit den Vorderhufen wild in der Luft. Sie redete auf mich rein, aber ich hörte den bedrohlichen Klang in ihrer Stimme, den ich beinahe mit Angst hätte verwechseln können, aber ich wusste, alle Menschen nutzten diese Gelegenheit nur aus, um mich später mit einer Tracht Prügel zu bestrafen.
Ihr Ehrgeiz ließ es aber nicht zu, dass ich mir ihr wiedersetzte und wir erreichten trotz meiner anhaltenden Widerspenstigkeit einige Zeit später wieder das große Tor zum Stall und hatten einiges an Strecke zurückgelegt.
Am Abend war ich müde, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
Aber am nächsten Morgen startete die gleiche Prozedur von neuem, dabei spürte ich das viele auf und ab vom gestrigen Tag noch in meinen Beinen und war entsprechend motiviert.
Dann blieb sie dem Stall fern, weil sie über das Wochenende mit einigen Pferden auf ein Turnier fuhr. Ich wusste nicht viel darüber, aber als ich merkte, dass ich fürs Erste frei habe, war ich wieder glücklich, auf die Wiese zu dürfen.
Das Mädchen kam nach dem Wochenende zufrieden mit einigen Schleifen in der Hand wieder nach Hause. Sie waren nicht alle aus Gold, aber sie schien erfolgreich gewesen zu sein. Und das passte in das mein Bild von einem Vorstadtmädchen, das mit ein paar von Papi gekauften Pferden jedes Wochenende die gleiche Routine durchlebte: sie fuhr von von Turnier zu Turnier und sammelte eifrig Schleifen.
Sobald sie wiederkam, setzte sie das Training fort und gewährte mir keine Gnade, als ich am Morgen noch gehörigen Muskelkater vom Tag zuvor hatte, sondern ließ mich im Gelände bergauf und bergab gehen, im Schritt und auch im Trab, wenn ich mich in meiner Hektik selber nervös machte.
Sie verlor nicht die Geduld und begann den Morgen jeden Tag gleich: mit einm paar netten Worten, ein paar Leckerlis, die ich eingeschnappt ablehnte, und den ruhigen Bürstenstrichen beim Putzen, bevor sie mit mir davon marschierte.
Mein Sattel verstaubte allmählich und die Hoffnung, dass sie mich wieder zurückgab, auch.
Ich könnte fast meinen, dieser Sommer war freundlich zu mir, denn er war der erste ohne Peitschen auf meinem Po, scharfen Gebissen in meinem Maul und Sporen an meinem Bauch, die mich zum vorwärtsgehen zwingen, egal wie kaputt und ausgelaugt war. Sie prügelte mich auch nicht über Hindernisse, aber sogar das Rascheln von Blättern im Wald brachte mich zum Explodieren und ihren Gesichtsausdruck nach war sie schon so manches Mal am Rande ihrer Geduld.
Doch was danach kam, wollte ich beim besten Willen nicht am eigenen Leib erfahren.
A/N: Ich habe gerade gesehen, dass seit dem letzten Update knapp 100 Likes dazu gekommen sind. Wow, ich hätte nicht gedacht dass Templado noch so oft gelesen wird.

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Templado
Teen FictionSie ist eine Nachwuchsreiterin. Er ein Springpferd. Erfolg trifft Trotz. Zwei Talente. Zwei Dickköpfe. Zwei Kämpfer. Ein Ziel: Ihre Leidenschaft. Das Leben auf Springturnieren verbringen und zu den ganz Großen gehören - der Traum eines jeden Pferde...