Kapitel 3

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Es war einige Tage her, dass ich in einem neuen Stall einzog. Ich fühlte mich in dieser Umgebung trotzdem unwohl, es war kein trautes Heim, auf das man sich nach einem anstrengenden Tag freuen konnte oder ein Zuhause, in dem man gerne lebt.

Bisher hatte ich nicht viel zu tun, ich stand den Tag über auf der Wiese, alleine und isoliert von den anderen Pferden, oder in meiner Box und fraß. Ich buckelte über die Weide, bäumte mich auf und ruderte mit den Vorderbeinen in der Luft, weil es mir Spaß machte, hatte den ganzen Tag saftig grünes Gras unter meinen Hufen und den Duft von Wiesengräsern und Heu um mich herum, das war mein Tagesablauf in meinem neuen Zuhause.

Ich hätte mich um nichts bemühen müssen, nicht bewegen und den ganzen Tag fressen können, es war niemand da um mich zu maßregeln. Ich durfte nach so vielen Jahren des Herumgeschubses endlich wieder Pferd sein, für ein paar Stunden jeden Tag einige Wochen.

Die Menschen waren mir fremd und ich versuchte, sie durch Beobachten näher kennen zu lernen, sie einzuschätzen und nicht zu urteilen über sie, denn ich stand noch nicht in einer Position in der mir das erlaubt war.

Manchmal schlüpfte ich zurück in die Rolle des kleinen Fohlens, das verschreckt von der großen Welt, die es durch seine jungen Augen erblickte, hinter seiner Mutter Schutz suchte und ihr den Tag über nicht von der Seite wich und sich am Abend direkt vor ihren Hufen niederlegte zum schlafen. Das war ich gewesen.

Ich beobachtete das Mädchen, wie sie am Vormittag entweder mit ihrer Freundin den Stall für einige Stunden verließ oder ein paar Boxen ausmistete und das ein und andere Pferd auf die Weide stellte. Sie feuerte Anweisung über den Hof und ging ihrer eigenen Arbeit kleinlich nach und achtete stets auf einen geplegten Auftritt (solang dies im Stall noch möglich war), selbst nachdem sie vier Pferde geritten war.

Der heutige Tag neigte sich dem Ende zu, doch sie hatte heute noch einiges zu erledigen und schub dies nicht auf.

Vor ein paar Minuten hat sie ein Pferd von der Weide geholt und machte sich daran, ihn zu putzen. Auf einer halbhohen Tür neben dem Pferd lehnte bereits ein brauner Ledersattel und die Trense.

Sie arbeitete ruhig und gewissenhaft, aber jeder ihrer Handgriffe passierte routiniert und alles saß an der richtigen Stelle, akribisch genau. Wie viele Pferde war sie in ihrem jungen Leben schon geritten? Sicherlich viele und ich war sicher nicht das erste mit einem kleinen Knacks und sie wird sicher nicht davor zurückschrecken, mich dorthin zurückzubringen woher sie mich geholt hatte.

Das Fell des Schimmels glänzte im Licht der tiefstehenden Sonne goldig. Während die beiden Mödchen um ihn herum tanzten schlug er mit dem Schweif nach ein paar Fliegen und wackelte mit den Ohren. Während sie ihm den braunen Sattel auf den Rücken legte, blieb er brav stehen und ließ sich genauso wenig aus der Ruhe bringen, als sie ihm die Trense anlegte.

Die Hufe klapperten auf dem kahlen Stein während er ihr ruhig hinter her trottete. Zielstrebig führte sie ihn auf den kleinen Reitplatz.

Als sie das Gatter geschlossen hatte, stellte sie einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich geübt in den Sattel. Das Pferd machte einen Schritt nach vorne und sie nahm die Zügel auf.

Was darauf folgte, war ein Bild perfekter Harmonie.

Leichtfüßig schwebte der Wallach über den Platz und als das Mädchen seine volle Aufmerksamkeit hatte, nahmen sie locker ein paar Stangen auf dem Boden mit.

Jemand baute ein paar kleine Hindernisse zum Aufwärmen auf, dann folgten die größeren Oxer.

Mit energischem Schenkeldruch ritt sie ihn auf das erste Hindernis zu. Zwei Galoppsprünge vor dem Hindernis gab sie die Hände vor, der Wallach zog das Tempo an und setzte über das Hindernis hinweg, sie schmiegte sich an den Pferdehals und kam gut in der Bewegung mit. Die Hufe gruben sich tief in den Sand.

Sand spritzte in alle Richtungen, wenn er kraftvoll vom Boden abhob, einmal hatte das Mädchen ihn vor dem Sprung ablenken müssen als sie nicht die richtige Distanz traf und ihr Pferd plötzlich den Kopf hochriss.

Sie ließ ihm das nicht durchgehen und ritt den gleichen Sprung erneut an, dieses Mal wölbte der Wallach brav seinen Rücken über dem Sprung und zog die Beine dicht an seinen Körper.

Das war sie, dieses Mädchen und ihre Pferde.

Zweifelsohne konnte sie gut reiten, und saß dabei noch kerzengerade im Sattel; auch als ihr Pferd einen kleinen Bocksprung ausführte, hatte sie es sofort wieder unter Kontrolle.

Energisch und ehrgeizig und darauf bedacht, ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Ihr Ziel fliegt höher als die Teilnahme an den Regionalmeisterschaften oder anderen unbedeutenden Springwettbewerben in der näheren Umgebung. Nur wusste ich nicht, worin es bestand und – was viel wichtiger war – welche Rolle ich für die Pläne ihres zukünftigen Lebens spielte.

Ich spürte ihren großen Kampfgeist seit dem allerersten Tag und dennoch meinte ich, dass sie einen mindestens genauso großen Sturkopf hat wie ich und dass das unser größtes Problem werden würde.

Sie ritt noch eine Weile auf dem Platz, doch allmählich verlor ich das Interesse.



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