Manche Dinge im Leben passieren, ohne dass man sie beeinflussen kann, ohne dass man sie rückgängig machen kann, einfach so. Manchmal ist man froh darüber, manchmal traurig und manchmal wünscht man sich, man hätte die Zeit davor sinnvoller genutzt. Und manchmal kann alles nicht schnell genug passieren.
Ich war voller Eifer. Was vor Wochen unvorstellbar war, wurde Realität.
Elena hatte lang genug gearbeitet und konnte endlich mit dem Training anfangen. Sie trainierte ein Pferd, dass sie vor über einem halben Jahr als widerspenstig und verwildert kaufte, dass keinen an sich heranließ und sie beim Probereiten gnadenlos in den Sand setzte.
Von allen über die Hindernisse geprügelt, mit dem Kopf auf der Brust im Kreis gehetzt oder einfach weggeworfen wie ein wertloses Stück Papier hatte sie nicht viel mehr als eine leere Hülle, einen Körper aus Fleisch und eine gebrochene Seele nach Hause gebracht.
Mit viel Arbeit hatte sie das beinah unmögliche geschafft und ihre Pläne schwebten noch höher. Nachdem sie den großen braunen Hengst „zähmte", wollte sie ihn zu dem Springpferd trainieren, dass er schon immer sein sollte.
Ehe sie es sich versieht, hat sie alle mit ihrer Euphorie angesteckt, sogar mich. Ich wollte es wieder sein. Nachdem sie mir wieder zeigt, was es hieß, ein Pferd zu sein, wollte ich es ihr zurückgeben. Ich wusste nicht, ob sie merkte, wie sehr ich mich bemühte, trotz meiner schlechen Ausbildung alles richtig zu machen und wie ich dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste trat, weil man mir so viele verschiedene Kommandos beigebracht hatte, dass ich mir meistens nicht mehr zu helfen wusste als einfach stehen zu bleiben.
Sie beruhigte mich lediglich mit ein paar netten Worten und probierte es wieder und wenn ich es verstanden hatte, lobte sie mich, als hätte ich gerade einen Grand Prix gewonnen und nicht, dass ich lernte, ein Bein vor das andere zu setzen.
Durch das neue Gefühl ermutigt, dass mich seit unserem Ausritt erfüllt, meisterte ich heute sogar die Trabstangen, nachdem ich dreimal darüber gestolpert war. Als ich mit angezogenen Beinen beim vierten Mal problemlos darüber trabte, klopfte das Mädchen meinen Hals und parierte durch.
„Sehr gut."
An der Bande stand ihr Vater, der kurz klatschte und dann zu uns hinüber schlenderte. „Wie sieht's aus mit Galopp?"
„Er ist noch nicht so weit. Aber wir sind auf dem richtigen Weg." Wieder tätschelte sie mich und ich wölbte stolz den Hals und schnaubte.
„Gut, dann gleich nochmal."
„Okay. Dann mal los", murmelte sie und nahm die Zügel wieder auf. Ich trabte an, spitzte aufmerksam die Ohren und wir joggten noch einmal locker über die bunten Stangen auf dem Boden. Das Mädchen spielte mit dem Tempo, mal flotter, mal verhalten. Sie änderte ständig die Richtung, mal nahmen wir die Stangen auf der Diagonale, mal die auf dem Zirkel und danach wechselte sie die Hand.
Als sie das Training beendete, parierte sie durch und lobte mich noch einmal extra. Wir liefen noch eine Runde schritt, bevor sie mich aus der Halle bugsierte. Neugierig hob ich den Kopf und streckte den Hals, meine Hufe klapperten auf dem Steinboden und wir wurden ein wenig vom Sonnenlicht geblendet. In der Halle war es schön kühl gewesen und ich konnte in meinen kurzen Verschnaufpausen unsere Schatten auf dem Hallenboden tanzen sehen. Hier draußen war es viel heller.
„Ich geh mit Toto noch ins Gelände. Noch ein bisschen Schritt zum abkühlen", rief die Reiterin in meinem Sattel über ihre Schulter, wo ihr Vater hinter uns das Tor zur Halle schloss.
„Mach nicht zu lang, du musst heute noch den Fuchs vorreiten."
„Ist gut, wir sehen uns. Komm Toto, eine Runde über die Wiese."
Ich brummelte, senkte den kopf und trottete entspannt vor mich hin. Das Mädchen in meinem Sattel schwieg den ganzen Ritt über und streichelte gedankenverloren meine Mähne, bis wir wieder vor dem Stalltor standen und sie absaß. Sie nahm die Zügel über meinen Hals und führte mich die Stallgasse entlang.
Vor meiner Box band sie mich an und sattelte mich ab. Zum Schluss lief sie mit mir zum Waschplatz und befreite meine Hufe vom Staub und Dreck, den ich während unseres Ausrittes aufgelesen habe.
Endlich durfte ich in meine Box. Begeistert versenkte ich meine Nase im himmlisch duftenden Heu.

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Templado
Teen FictionSie ist eine Nachwuchsreiterin. Er ein Springpferd. Erfolg trifft Trotz. Zwei Talente. Zwei Dickköpfe. Zwei Kämpfer. Ein Ziel: Ihre Leidenschaft. Das Leben auf Springturnieren verbringen und zu den ganz Großen gehören - der Traum eines jeden Pferde...