Kapitel 16

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Die Tage und Wochen fließen dahin, zwischen Lucas und mir bleibt es weiterhin etwas merkwürdig und ich bin mir nicht sicher wie ich es deuten soll. Offensichtlich will er keine Beziehung mit mir, denn auf sämtlichen Partys verhält er sich heterosexuell, redet mit mir als guter Freund und kommt mir mit keinem Schritt näher. Auch auf der Pride gab es keine Annäherungsversuche, ich frage mich, wieso er überhaupt hingegangen ist, da er doch seit neustem wieder auf Brüste steht. Wir sind einfach nur Freunde. Mason hat bemerkt, dass irgendetwas zwischen uns vorgefallen ist, spricht mich aber nicht darauf an. Ab und zu wirft er mir seltsame Blicke zu, aber unternimmt nichts um die Situation aufzulockern. Für das Musikvideo hat unsere Gruppe ein glattes A einkassiert und wurde zusammen mit zwei anderen Videos von unserer Klasse bei dem bundesweiten Wettbewerb eingesandt. Bis jetzt gibt es keine Benachrichtigungen.

Genau eine Woche bevor wir einige Tage frei bekommen würden und Masons Eltern mit uns bei unseren Großeltern einige Tage verbringen werden, steht die angekündigte Stufenfahrt an.
Mit einem etwas unangenehmen Gefühl steige ich in den Reisebus ein und setze mich neben Quentin. Mit ihm bin ich inzwischen enger befreundet, als mit Lucas zuvor, aber ich denke, das liegt daran, dass ich in Luke verliebt bin und in Quentin eben nicht. "Na?", fragt mein schwarz geschminkter Freund und spielt mit dem Anhänger seiner Kette. "Wie immer.", seufze ich und stelle meinen Rucksack zwischen meine Beine. Quentin kennt meine Probleme seit meinem Coming Out vor Mason. Mein Cousin kann einfach nicht schweigen und hat Emma gegenüber einige Bemerkungen gemacht, aber zu meinem Glück toleriert und sogar fördert sie es. Sie hat immer Mal wieder zu einem Tante Neffe Gespräch angesetzt, mich über einen eventuellen Schwarm ausgefragt und so weiter. Ich habe ihr erzählt, dass es da so einen Jungen gibt, habe aber nicht erwähnt, dass es sich um Lucas handelt.
Quentin und ich unterhalten uns noch eine Weile über Fußball (er hat einen unglaublichen Faible für Sport, auch wenn er selbst keinen praktiziert und die Sportler auf der Highschool verabscheut) und hören schließlich Musik. Eine weitere unglaubliche Leidenschaft von uns beiden.

Irgendwo im Nirgendwo, in einem anderen Staat sind wir angekommen. Ein riesiges Haus steht für die mehr als hundert Schüler bereit und unsere Lehrer versuchen verzweifelt Ruhe in die Gruppe zu bekommen. Irgendeiner der fanatischen Anhänger von Ordnung, auch bekannt als unsere allseits beliebten Pädagogen, hängt Listen auf, für die Verteilung der Zimmer. Fünf Zettel durchsuche ich, bis ich auf dem Sechsten endlich meinen Namen entdecke. Zusammen mit Quentin. Treffer! Und Mason. Treffer. Und Lucas. Ich sinke in mir zusammen. All die Wochen, in denen ich nicht mit ihm gesprochen habe, einfach so hin. Umsonst gewesen - der Lucas-Entzug. Seufzend nehme ich meine Sachen und folge Quentin in den zweiten Stock. Mason fläzt schon auf einem Bett und tippt auf seinem Handy herum. "Hey." Er grinst als er uns sieht. Ich stelle gerade meine Tasche ab, da öffnet sich die Tür. Lucas. Seine Haare stehen ungewohnt ab und seine Pupille ist geweitet. Mir ist sein Aussehen ziemlich bekannt. Mein Blick gleitet kurz nach unten. Er ist erregt. Ich schlucke, wende meinen Blick ab und beginne mein Bett zu beziehen. Mein Kopfende ist genau bei Quentins. Ich werfe mich darauf, ziehe mein Handy aus der Hosentasche und schicke erst einmal eine SMS an Lucie. Sie hat Quentin vergangene Woche im Videochat kennengelernt und ihr Feedback per Instant Messenger war sehr positiv: Er ist cute! "Ach ja, Lucie findet dich süß." Ich drehe meinen Kopf, sodass ich Quentin ansehen kann. "Ehrlich?" Wir reden so, als wären die anderen Beiden nicht in Zimmer. "Mhmm." Ich nicke, so gut wie es nur möglich ist in meiner Position. Quentin reißt mir mein Handy aus der Hand. "Lass sehen! Ein Mädchen, das auf mich steht." Quentin scrollt unseren Chat hoch. "Du kannst doch gar kein Deutsch.", murmle ich. "Ach was, ein paar Brocken verstehe ich schon." Während er weiter scrollt, gleitet mein Blick durch das Zimmer und bleibt bei Lucas hängen. Sein Zustand hat sich wieder gelegt - wortwörtlich - und er sitzt nun an einem ziemlich dickem Buch. Und wieder einmal wird mir bewusst, wie wenig wir von einander wussten, als wir die Beziehung eingegangen sind. Ich seufze innerlich, das Lesen macht ihn nur noch attraktiver und bei seinem Anblick bekomme ich schon wieder fast einen hoch. Schnell wende ich meinen Blick ab und versuche stattdessen Quentin mein Mobiltelefon abzunehmen. "Da steht 'cute'.", murmelt mein inzwischen bester Freund und sieht mich fragend an. "Ich sagte dir doch, dass sie dich süß findet." Ich nehme ihm mein Handy weg. "Bitte übersetze mir euren Chat über mich.", bittet Quentin. Und als ich in seine weit aufgerissenen, flehenden blauen Augen schaue, nehme ich seufzend das Handy und beginne mit ihm unseren Chat zu erörtern.

Mein Weg zu dir (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt