Ich humple zu dem alten, knorrigen Sessel im Wohnzimmer. Mein Fuß pocht und fühlt sich so an, als würde er gleich explodieren wollen. Ich fluche. Ich fluche so viele Flüche, wie ich kenne. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Er ist schuld. Wegen ihm bin ich verletzt. Ich könnte schreien, ich schreie laut auf. Meine Fäuste hämmern gegen die Handlehnen des 60-er-Sessels. So lange, bis ich in mich zusammen sacke und ich auf Grund meiner nassen Kleidung morgen krank sein werde. Die klebrige Regenjacke haftet noch immer an meiner Haut, meine Schulsachen sind wahrscheinlich so durchnässt wie ich selber.
Ich fühle mich mies, wirklich mies.
Danke unbekannter Blondschopf.
Ich brauche dich und deine Worte nicht.
Obwohl du recht hast.
Aber ich brauche dich nicht.
Ich will nicht, dass du recht hast.Fünf Minuten später fällt die Haustür ins Schloss. Stille. Nur Schritte, das schmatzende Geräusch von nassen Schuhen auf Fliesen. Ein grauer Haarschopf stiehlt sich ins Wohnzimmer. Das gealterte Gesicht meines Vaters schaut müde darein. Er stellt seine, -dennoch trockene-, Arbeitstasche auf einen Stuhl des Esstisches. Er ist trocken. Kein Wasserfleck auf seiner Kleidung. Ich fühle mich verarscht. Doch bevor ich mich über meinen Fuß und den Regen und mein Leben und den unbekannten Blödmann und Margret und alles beschweren kann, kommt er zu Wort. Und das nicht besonders freundlich.
»Deine Sachen sind nass! Raus aus dem Sessel! Oh mein Gott was zum Teufel ... wieso hast du nicht den blöden Bus zurück genommen?!« und er klingt ziemlich aufgewühlt und sauer, was auch damit zusammenhängen kann, dass der Sessel meiner Mom gehörte.
Ich stöhne, hieve mich auf und trete unter höllischen Schmerzen, -Hallo Teufel-, auf, um mich in mein Zimmer zu verziehen und Mordpläne an Blödmann zu schmieden. Und an Mary. Und an alle, die mir gegen den Strich gegen. Und vielleicht auch an mich selber, da ich mir nicht sicher bin, ob ich erst mich oder alle um mich herum umbringen soll. Ich humple gerade zur Treppe, da wird mir noch hinterher gerufen, ich solle meine Tasche mitnehmen, die ich auf halben Wege zurück einsammle und mich danach verkrieche wegen den Mordplänen. Vielleicht auch ein wenig wegen der auf mich wartenden Dusche. Oder einfach beides. 50:50.
Am nächsten Morgen sind die Schmerzen noch schlimmer als zuvor. Ich meine, meinen Fuß amputieren zu müssen. Vielleicht ist er gebrochen, aber ich kann ihn noch bewegen, also ist er es wohl nicht. Oder er ist gebrochen und ich kann Wunder bewirken und ihn trotzdem bewegen. Unter Schmerzen versteht sich. Gähnend sitze ich unten am Esstisch. Mein Jutebeutel hängt noch immer oben auf der Heizung rum und mein Müsli schaut mich so lustlos an, wie ich es anschaue. Mein Vater schaut so emotionslos, wie meine Augen ihn hin und wieder anschauen. Und das Wetter draußen begrüßt mich nicht mit Sonnenschein, sondern mit Gewitter, was das Busfahren nicht viel unterhaltender macht. Im Bus treffe ich nämlich so ziemlich auf alle Leute, die ich hasse. Und damit meine ich hassen. Nicht nicht-mögen, sondern hassen. Aus tiefstem Herzen. Aus vollster Seele. Mit dem Satan an mir.
Wortwörtlich: hassen
»Guck nicht so«, wirft mein Vater gelangweilt von seiner Zeitung, die den Namen "Volkszeitung-Friesendorf" trägt, in die Runde, die nicht wirklich eine Runde ist, wenn man mal meinen Kater Ricky nicht mitzählt, der übrigens genau so ausschaut, wie ich es tue: emotionslos, schlecht gelaunt, mürrisch.
»Tut mir leid, dass ich so aussehe.«, gebe ich zurück und lasse meinen angelutschten Löffel in die Müslischüssel sinken, in der die Cornflakes schon weich und ungenießbar geworden sind.
»Werd' nicht frech.«, mahnt Superdaddy, lässt seine Zeitung sinken und schenkt mir einen bösen Blick, dem ich nur nachäffend entgegen sehe, woraufhin er seine Augen rollt.
Ich bin nicht frech, ich bin eben nur angeknickst von allen um mich herum. Irgendwann baut man sich halt ein dickeres Fell auf. Und die passenden Antworten.

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Mystery | Taddl
FanfictionMan sieht sich immer zwei Mal im Leben, oder vielleicht auch nicht... Das Leben ist nicht immer fair und einfach, nicht jeder mag jeden - das alles ist Jane Dawson längst bewusst geworden. In ihrem Labyrinth des Leidens versunken lebt sie ihr einsam...