Kapitel 16

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Wir fahren eine ganze Zeit. Wieder. Ich fahre, Ardy sitzt neben mir und Luna hinten. Auf meine Frage, ob er nicht mal pinkeln müsse, antwortete er mir mit:
»Ich hab keine schwache Mädchenblase.« und ich akzeptierte seine Antwort.

Auf meine Frage, ob Luna wirklich mit nach Köln fahren wolle, antwortete sie mit einem Grinsen in ihrem bleichen Gesicht:
»Warum nicht? Hauptsache raus aus den Fängen meiner Heimat.« und ich habe mich selber gefragt, wie sich ihre Eltern wohl fühlen. Oder wie sich Thaddeus' Eltern fühlen. Oder wie er sich fühlt.

Es ist nicht mehr weit, da ich beschlossen habe die vielen Landstraßen auszulassen und meiner eigenen Nase zu folgen, anstatt der von Ardy, der sowieso am dauerrauchen scheint, seit wir von dem Rastplatz gefahren sind. Ich glaube, dass er an Lungenkrebs sterben wird. Ganz sicher. Und Thaddeus genauso, wenn er in etwa so viel raucht wie sein zurückgelassener Freund neben mir.
Ich glaube kaum, dass sich in meinem Kopf alles um Thaddeus zu drehen scheint. Er ist in den letzten Tagen sowas wie mein Lebensinhalt geworden, und das ist skurril, da ich kein Mensch bin, der andere Menschen mag. So habe ich es zumindest immer gedacht. Ich bin ein Mensch, der anti-alles ist und daran auch nie gezweifelt hat. Nie, seit sie gestorben ist. Und jetzt zweifle ich an meiner ganzen Person, da das was ich mache so vollkommen untypisch für mich ist. Ich kenne Ardy nicht wirklich, ich kenne Luna überhaupt nicht und noch weniger scheine ich mich selber zu kennen.
Wieso jage ich jemandem hinterher, der mir gesagt hat, dass er bei mir bleiben würde? Wieso jage ich jemandem hinterher, der mir eine ganz große Sache verschwiegen hat? Wieso jage ich jemandem hinterher, den ich anfangs nicht ausstehen konnte? Ich könnte diese Fragen mit meinem Vielleicht beantworten, tue es aber nicht, sondern lasse mir einen lauten Säufzer entweichen, der vom Wind verschluckt und erstickt wird.

»Frustriert über dein Leben?« Ardy schaut mich an, flippt seine aufgerauchte Zigarette nach draußen und bläst mir den letzten Rauch in mein Gesicht.

»Nein«, bestreite ich, sehe wieder auf die Straße vor mir und lasse den Wind von draußen einfach durch meine Haare ziehen. Offene Fenster sind angenehm.

»Wäre ich du, dann wäre ich es.«, sagt er in einem schmelzenden Ton, der so weich klingt, wie sich meine Stofftiere damals angefühlt haben. Oder das Kostüm, an den Halloween-Abenden mit Canzy. »Ich meine, du weißt nicht, wer du bist, suchst einen Typen, den du kaum kennst und hinterlässt einen Teil deiner Familie, zu denen du wohl all die Jahre ziemlich scheiße gewesen sein musst.«

»Ich bin nicht scheiße zu ihnen gewesen. Ich bin ich gewesen. Sie mussten es akzeptieren.« Seine monotone Stimme lacht laut und herablassend. »Was ist dein beschissenes Problem?!«, keife ich zurück, den Tränen nahe.

»Was ist DEIN Problem?! Wieso bist du so unglaublich frustriert, dass du diesem Bastard nach jagst?! Einen Menschen, den du nicht einmal ansatzweise kennst! Du fliehst vor dir selber, Jane! Du fliehst vor deinen angeblichen Depressionen und du glaubst, dass er dir in irgendeiner Weise helfen wird, oder?! Das wird er nicht, Dawson, das wird er nicht. Taddl ist selbstsüchtig und denkt ständig nur an sich.«

Blut verteilt sich in meinem trockenen Mund. Eisig und warm. Mein Körper qualmt vor Wut und ich sehe immer wieder zwischen den fahrenden Autos hin und her um meine Tränen loszuwerden.

»Und was ist mit dir?! Du hast geglaubt er würde dich da raus holen! Du hast geglaubt, dass er zurück kommt! Du warst genauso naiv wie ich es bin. ICH BIN EBEN NAIV. UND JA ICH JAGE IHM NACH, DA ER MIR WICHTIG IST!«

»Los, sprech es aus!«, grölt er zurück, »Sprech es endlich aus! Was ist dein Problem mit Taddl?! Er kann dich vielleicht leiden, hat dich geküsst und so einen Mist, aber lass mir dir was sagen, Dawson, er ist niemals der, für den du ihn die ganze Zeit hältst. Er kommt in Leben von Menschen und geht genauso schnell wieder. Er wird niemals irgendwo bleiben können! ER WIRD NIE BEI DIR BLEIBEN! Und glaub mir noch etwas, du bist nicht anders, wie du denkst. Du glaubst, du seist anders, dabei unterscheidet sich jeder Mensch auf seine eigene Weise! Ich bin ich, Luna ist Luna und du bist eben du! Du bist nicht ANDERS! Wir sind alle unterschiedlich, nicht nur DU. Nicht nur dein egoistisches Selbst!«

Mystery | Taddl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt