Kapitel 21

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Quincy geht, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen. Und ich bleibe zurück mit Thaddeus Tjarks, der von oben auf mich hinab sieht, als ich mich zu ihm umdrehe. Er lächelt nicht, noch hat er irgendeine Art von Emotion in seinem Gesicht. Er sieht bloß in meine Augen, die in seine sehen und darin zu ertrinken scheinen.

»Du musst das nicht tun.«, fängt er an zu sprechen, und jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.

»Ich muss was nicht tun?«, stelle ich die Gegenfrage und versuche seine Gedanken zu lesen, die aber so verschlossen sind, sodass wohl niemand auf der Welt Sie lesen könnte.

»Mir in die Augen sehen und so tun, als würde die Welt in Ordnung sein. So tun, als würde dein Herz gerade nicht viel schneller schlagen und deine Gedanken schweigen.« Er sieht auf den Boden zu seinen Füßen und reibt sich mit seiner Hand den linken Arm, dann den Nacken.

»Es tut mir leid.«, sage ich zu ihm, was ihn hinauf schauen lässt. Ich kann wieder in seine Augen sehen und mich in eine Welt träumen, in der ich gerne leben würde.

»Was tut dir leid?«

»Dass ich dich geschlagen hab, dass ich dir so verzweifelt nachgejagt bin, dass ich einfach nur Mist gebaut habe und dass dein bester Freund auch irgendwo zu meinem geworden ist. Das tut mir leid.«, erkläre ich ihm in einer ruhigen Art und Weise. »Mir tut das alles irgendwie leid. Aber irgendwie auch wieder nicht. Ich meine, Ardy ist echt ein guter Freund. Du kannst dich glücklich schätzen, Thaddeus.«

Ich gehe an ihm vorbei, zu meinem Spind, an dem ich den weißen Zettel kleben sehe und ihn lese, während Thaddeus mir hinterher läuft und mich fragt:
»Du und Ardy?«

Ich schaue jedoch nur auf das Katzensymbol auf dem weißen Blatt Papier, anstatt ihm mit voller Überzeugung zu antworten. Aus meinem Mund quetsche ich nur:
»Ja, wir sind eben die Imstichgelassenen.«

Was er bloß mit einem Grummeln entgegen nimmt. Er grummelt, ich kann seine Blicke sich durch meinen Körper bohren fühlen und glaube, dass er und ich niemals wirklich voneinander ab kommen können, da wir uns immer wieder irgendwo begegnen.

»Also«, beginne ich und schließe meinen Spind auf, »Wie geht's weiter? Muss ich damit rechnen, dass du irgendwann wieder einfach so weg bist, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren? Muss ich mich darauf gefasst machen wieder im Stich gelassen zu werden? Wieder Schmerzen zu leiden?«

»Das ist das Ding, Jane. Ich hab keine Ahnung was ich mache. Ich bin doch auch nur eine tickende Zeitbombe, die irgendwann hoch geht. Ich bin ein Jemand, der nicht weiß, wer er so wirklich ist. Ich bin verzweifelt und ich hab niemanden mehr. Ich hab niemanden. Ich bin nicht einmal mehr Zuhause gewesen, seit ich weg gegangen bin. Ich hab keine verdammte Ahnung vom Leben.«

»Dann solltest du zuerst Dinge in Ordnung bringen, bevor du dich in neue Dinge stürzt. Weißt du was? Du meinst, dass du mich nie aus meinen angeblichen Depressionen holen könntest. Nun, ich könnte dich auch nie aus dem Desaster holen, in dem du steckst. Das musst du ganz allein. Hier kann niemand irgendwen von irgendwas retten oder sichern, da jeder allein ist. Begreif das.«

Meine Finger fischen den kleinen Zettel, der von ihm hinein geworfen wurde, aus dem Spind. Ich schnappe mir meine nötigen Bücher und Unterlagen, schließe den Spind wieder und lasse Thaddeus Tjarks wortlos zurück, da ihm meine Worte zum Denken gebracht haben.

-

Auf den Zettel habe ich noch immer nicht gewagt zu gucken. Ich sitze in der Bibliothek, habe Bücher vor mir liegen. Alive or dead, das Buch, das ich das letzte Mal vor mir hatte, als ich mit Thaddeus hier war. Die alte Schulbibliothek. Das Papier wende ich immer wieder in meinen Händen, die auf Alive or dead liegen. Die Fußschritte von Herr Lynch, der wie immer durch die Gänge zieht. So wie er es auch getan hat, als Thaddeus und ich hier waren. Und auch der dunkle Holzboden ist der Selbe. Und der Buchrücken von Alive or dead. Und die Kälte, die fast immer in diesem Abteil der Schule vorhanden ist, aber noch stärker wirkt, da es Winter wird. Auch die Regale sind die Selben, und die Stelle, auf der wir beim letzen Mal gelegen haben, ist die Selbe. Aber ich bin nicht die Selbe, und meine Gedanken sind ebenfalls nicht die Gleichen wie vor einigen Wochen.

Mystery | Taddl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt