Kapitel 19

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Das, was Ardy mit "alles in Ordnung bringen" meinte, war bloß die Erklärung dafür, dass ich meine wohlverdiente Strafe für eine Tat engegennehmen musste, die ich keineswegs bereue. Es ist schwierig, alles Geschehene in Worte zu fassen, da mein Kopf ein einziges Wirrwarr aus Gedanken und Explosionen von wieder neuen Gedanken ist. Lasst es mich so ausdrücken, wir bekamen einen Tag darauf einen zustehenden Gerichtstermin, der auf unsere Kosten ging. Ardy, so wie auch ich, bekam eine Geldstrafe. Und um meine zugeteilte Geldstrafe abbezahlen zu können, meinem Vater wieder etwas Stolz einzubringen, schickte er mich los zu meiner Tante, seiner Schwester.

Meine neue Alltagsbeschäftigung ist nun das Arbeiten in einem Buchhandel, was nicht ganz so übel ist, wie ich es mir vorgestellt habe.

Auf Sozialstunden verzichteten sie in meinem Fall, Ardian hatte da weniger Glück. Er muss Sozialstunden abarbeiten, während ich im Laden stehe und mit meinen Fingerkuppen über die vielen verschiedenfarbigen Buchrücken streiche. Auf manchen liegt etwas Staub, andere kommen direkt aus dem Lager. Der dunkle Laminatboden unter meinen Füßen knarzt jedes Mal, wenn ich umher laufe, um meiner Tante Grace ihren Kaffee von der Maschine zu holen.

Die Wände dunkel, umhüllen meinen Körper jedes Mal mit Wärme, wenn ich sie ansehe. Bei dem vielen Wissen, den weiten Welten und den verschiedensten Geschichten um mich herum frage ich mich, ob Thaddeus Tjarks wohl jemals nur eines dieser unzähligen Bücher gelesen hat.
Und auch wenn ich nicht mehr an ihn denken und mit ihm abschließen wollte: ich kann es nicht.

Er ist irgendwie immer da, niemals weg, und seit dem Tag im Polizeiauto, an dem ich ihn gesehen habe, glaube ich, dass mich seine Gestalt überallhin verfolgt. Denn wenn er da ist, ich ihn dann ansehe und blinzle, dann ist er plötzlich wieder weg. Als seie sein Geist in dieser Stadt hängen geblieben. Als wäre er niemals weg gewesen.

»Jane, holst du mir bitte noch eine Tasse Kaffee?« Ich sehe von den Buchrücken auf, zu Grace, die in ihrem bequemen Sitzsessel sitzt und mir eine leere Regenbogentasse entgegen streckt.

»Natürlich«, antworte ich ihr in dem Wissen, dass sie durch ihren Kaffeekonsum niemals die 10kg abnehmen wird, wie sie es vor hat zu tun.

»Wie geht es deinem Vater eigentlich?«, ruft sie mir durch den leeren Laden zu, in dem ich mir einbilde schon Grillen zirpen zu hören.

Mein Gewicht lagere ich auf ein Bein, knicke das andere und entlaste es somit für einige Minuten, während der Kaffee aus der Maschine in die Tasse läuft. Allgemein ist der Buchladen nicht besonders oft besucht, weshalb ich mich schon gefragt habe, ob es überhaupt genug Geld gibt, um ihn vorhanden zu lassen. In meinem Hinterkopf schwirrt Ardian herum, was er wohl macht. So lange in Gedanken versunken, bis mein Handy klingelt, und Grace mich über meine Familienverhältnisse ausquetschten konnte.

Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen, die wieder in einem Rot bemalt sind, als ich auf den erhellten Display sehe und seine Nummer feststelle. Sein Lächeln auf dem kleinen Kontaktbild, das ich mir von seinem Whatsapp Account gestohlen habe. Mit einer Brille auf seiner Nase, die seine Augen überdimensional groß macht.

»Mister«, nehme ich den Anruf an, »Was verschafft mir die Ehre?«

»Ich bin eine Frau, Jane, eine Frau!«, höre ich Grace nur laut aus der hinteren Ecke des Ladens rufen, wo sie sich wohl noch keinen Fleck weg bewegt hat. Sie kann mich nicht sehen.

»Jane, ich werde verrückt. Ernsthaft verrückt. Ich...was mache ich mit meinem Leben?«, quält sich seine Stimme aus seinem Mund. So rau und kratzig wie sie ständig ist. So rauchig.

»Was ist passiert?«

»Jane! K A F F E E!«, höre ich wieder Grace rufen, »DAS IST PASSIERT!«

Mystery | Taddl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt