Wann hast du beschlossen, mit deinem Leben abzuschließen?
Ist es der Moment, in dem du gedacht hast, dass ab jetzt alles nur noch schlechter wird?
Der Moment, in dem du dir denkst, dass du gleich sterben wirst?
Der Moment, in dem du dir denkst, dass dir nichts deine Glückseligkeit wieder bringt?Nun, mit dem Leben abzuschließen ist nie ein Ausweg. Du beendest vielleicht das Atmen, das Leiden, aber du bringst dadurch das Leiden und das schwere Atmen bei anderen Menschen hervor. Worauf ich hinaus möchte, ich habe mit meinem Leben abgeschlossen, als ich mir die Schuld an ihrem Tod gegeben habe.
Und auch, wenn Leute mir sagen, dass ich nicht schuld bin, und ich mir dies selber schon begonnen habe einzureden:
-Ich habe mich auf die Straße gelegt
-Ich habe mit Leben und Tod gespielt
-Sie ist wegen mir auf die Straße gerannt
-Sie ist wegen mir doch irgendwie gestorbenVielleicht sterben die Guten wirklich jung, und du musst ein Antiheld sein, um in dieser Welt zu überleben. Vielleicht bist du dann unsterblich. Vielleicht sind wir alle längst zum Sterben verurteilt, aber da gibt es trotzdem noch ein kleines Vielleicht, das mich für Sekunden mal nicht über die Vergangenheit nachdenken lässt. Dieses kleine Vielleicht, dessen Augen so blau sind, dass ich mich jedes Mal verliere. Dieses kleine Vielleicht, dass mir den Mut und die Freude wieder schenkt, das mich hält und auch trauern lässt. Bei dem es okay ist, einfach ich zu sein.
Dieses kleine Vielleicht, das sich Thaddeus Tjarks nennt, und so unscheinbar vielfältig und wandelbar, voller Überraschungen ist, dass man denkt, es gäbe keinen Menschen auf der gesamten weiten Welt, der perfekter geschnitzt sein könnte, als er es ist.
Weihnachten war nie mein Lieblingstag im Jahr. Weder als ich 5 war, noch 15, noch heute. Ich habe Weihnachten nie wirklich willig gefeiert. Ich habe nie wirklich an die Religion geglaubt und ich habe auch nie wirklich Lust gehabt mein Geschenkpapier nach dem Auspacken wieder weg zu räumen. Ich würde nie behaupten je ein schlechtes Weihnachtsfest erlebt zu haben, von denen, die ich erlebt habe. Aber ich würde auch nie behaupten ein wirklich perfektes, gutes Fest gefeiert zu haben, soweit ich Weihnachten "feiere".
Und heute ist es bloß noch ihr Todestag. Und das wird sich nicht mehr ändern. Jahr für Jahr, alles baut auf, wird es ihr Todestag bleiben. Und niemand kann was dran machen, was schade ist.
»Hör doch auf so grimmig zu gucken.«, mahnt mein Vater und stupst mich am Oberarm an. Ich zucke zusammen, scheuche damit den Kater auf und fühle direkt wie mein Herz schneller schlägt.
»So seh' ich nunmal aus, daran kannst du nichts ändern.«, fauche ich zurück und versuche mich bloß noch mehr in mich zusammen zu kriechen, was ein Platz an einem Tisch nicht unbedingt möglich macht.
»So siehst du nicht aus, du hast mal gelacht. Lachen sieht auf deinem Gesicht besser aus, als dieser grimmige Ausdruck, Schatz.« Augenrollend schaue ich zu ihm rüber. Seine Füße laufen zur offenen Küche, um den leer gegessenen Yoghurtbecher auf die Ablage zu stellen.
»Heute ist mir nicht nach lachen zu Mute. Wie könne es auch...«, murmle ich mehr zu mir selber, als zu ihm, doch ich weiß, dass er es gehört hat.
»Glaub mir, mir auch nicht. Aber ich kann nicht jedes Weihnachten Trübsal blasen und meine alten Knochen in ihrem Sessel hängen lassen. Dieses Weihnachten wird anders.«, sagt er.
Dabei ist unser Haus alles andere als weihnachtlich. Kein Schmuck, kein Baum. Alles ist dunkel, der Morgen grau und die Wolken dick am Himmel lassen Schnee hinab rieseln.
»Wie soll alles anders werden, wenn wir noch nicht einmal einen Baum haben? Wir sitzen hier, wie jedes Jahr, und führen Unterhaltungen, obwohl wir zwei genau wissen, dass schweigen besser für uns wäre. Wie soll alles anders werden, Dad? Sag es mir.«, sage ich.

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Mystery | Taddl
FanfictionMan sieht sich immer zwei Mal im Leben, oder vielleicht auch nicht... Das Leben ist nicht immer fair und einfach, nicht jeder mag jeden - das alles ist Jane Dawson längst bewusst geworden. In ihrem Labyrinth des Leidens versunken lebt sie ihr einsam...