VIII.

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"Na meine Partygirls, hattet ihr Spaß?"
Begrüßte uns Mom, als wir ins Wohnzimmer kamen. Sie hatte es sich mit einer Schüssel Erdbeeren vor dem Fernseher gemütlich gemacht und sah sich irgendeine von diesen schlechten Soaps an, die wahrscheinlich erst für Frauen über vierzig interessant wurden.

"Allie definitiv." Antwortete meine Schwester vielsagenden Blickes, biss in eine Erdbeere, zuckte mit den Schultern und lächelte mich an.

Du Miststück. Dachte ich bloß und sah sie ungläubig an.
"Du hättest sie tanzen sehen müssen Mom! Die Kleine hat's ja richtig drauf."
Rettete sie meinen Arsch in letzter Sekunde und zwinkerte mir zu.

Mom lachte bloß und ich wurde mir mal wieder bewusst, wie sehr ich es doch genoss, dass sie so jung geblieben war. Darüber, dass ich auf Partys mit Jungs rumknutschte, wollte ich trotzdem nicht unbedingt mit ihr reden.

"Jetzt übertreibst du aber Elizabeth!" Gab ich zurück und lächelte sie zuckersüß an.
Sie wurde nicht gerne daran erinnert, dass sie den Namen unserer deutschen Grandma trug. Sie wollte Beth genannt werden, mit der Begründung, das klinge 'jünger' und 'der Zeit entsprechend'.

Unsere Oma hatte Elisabeth Marie gehießen, woraus unsere Eltern schließlich Elizabeth Mary machten.
"Beth." Antwortete sie mir genervt.
"Entschuldigung Mary." Lachte ich, woraufhin meine Schwester mich bloß noch böse anfunkelte.

Mom schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
"Was hab ich bloß bei den Namen meiner Kinder falsch gemacht?"
Fragte sie gespielt verzweifelt und lachte dann.

"Ach übrigens Christine du suchst doch noch einen Ferienjob oder?"
Wandte sie sich mit einer Betonung meines Zweitnamens an mich und augenblicklich galt ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Ich hatte bedauerlicherweise erst letzte Woche mit der Suche begonnen und so waren die guten Stellen in unserem Vorort schon vergeben. Nun suchte ich verzweifelt nach etwas, was sich nicht in einer Großküche oder Wäscherei abspielte.
Also nickte ich eifrig.

"Ich habe mich heute mit meiner neuen Arbeitskollegin Mrs. May unterhalten. Ihr Sohn ist in deinem Alter, und sie hat sich beklagt wie schlecht er in Mathe ist und meinte sie ist auf der Suche nach einem Nachhilfelehrer. Da hab ich ihr vorgeschlagen, dass du ihm da vielleicht weiterhelfen könntest, immerhin bist du schon immer unheimlich gut in Mathe. Sie hat gesagt, das fände sie super, weil es vielleicht auch gut wäre wenn es ihm jemand verständlich erklären könnte und da wär es wohl besser wenn man im selben Alter wäre. Ihr Sohn hatte wohl schon immer Probleme damit, in der Middleschool musste er einmal wiederholen und..."

Irgendwann im Laufe dieses scheinbar endlosen Monologs schweifte sie ab und ich brachte bloß noch an halbwegs passenden Stellen interessierte Laute ein.

Mit den Gedanken war ich weit weg, nämlich in der vergangen Nacht. Bei Lippen aus Samt, denen überall wo sie mich berührten eine Gänsehaut folgte, wie sie angenehm leicht, aber mit unnachgiebem Druck auf meinen lagen.

Ich dachte doch tatsächlich darüber nach, was geschehen wäre, hätte ich ihn nicht gestoppt. Wie wäre es gewesen? Ein kleiner, ein sehr kleiner, Teil von mir bereute, dass nicht mehr passiert war. Aber mein Stolz drückte diesen Teil erfolgreich nieder.

Ich war nicht so und ich würde auch nicht so sein, Ende der Diskussion. Moment mal, mit wem diskutierte ich denn bitte?

"... so etwa 15 Dollar pro Nachhilfe, zweimal die Woche. Wäre Montag und Donnerstag okay? Ich dachte mir das passt, weil ihr ja schon in den verbleibenden zwei Schulwochen anfangen könntet und du Montag und Donnerstag nur bis halb 2 Schule hast."

Mein Hirn schaltete zum Glück einigermaßen schnell von unangebrachten Sexgedanken zurück zu zukünftigem Nachhilfeschüler. Was zugegebenermaßen auch daran lag, dass Mom die Bezahlung erwähnte. Es war zwar nicht weltbewegend viel, schien sich aber trotzdem zu lohnen.

Außerdem tat ich was Gutes. Wie anstrengend konnte es schon sein, einem armen Kerl ab und zu ein bisschen Mathe zu erklären?
Ich war äußerst zuversichtlich.

"Klar Mom, das wäre perfekt. Danke, du rettest mich vor einer Waschküche!" Ich küsste sie auf die Wange.
"Gerne Liebling, ich ruf sie dann nochmal an und geb ihr bescheid."
"Okay mach das, ich geh duschen und leg mich hin, hab irgendwie Kopfschmerzen."

Und das war ziemlich untertrieben.
Mein Kopf war eine Baustelle, der Presslufthammer voll in Betrieb.
Meine Schwester lachte dreckig und sah mich mit einem Blick an der förmlich "das hast du davon" schrie. Und was tat ich? Nichts. Ich zuckte bloß mit den Schultern und hoffte inständig, sie würde den Mund halten, für alles andere hatte ich momentan nicht den Nerv.

Nachdem ich aus der Dusche kam, mir eine Shorts und ein Top angezogen und es mir auf meinem Bett bequem gemacht hatte überrollte mich jedoch eine Welle schlechten Gewissens, als ich mein Handy auf dem Nachttisch liegen sah.
Mir fiel ein, dass ich Clarice' Nachricht ignoriert hatte und so rief ich sie kurzerhand an.

"Oh mein Gott, ich glaub's nicht! Man, hast du vielleicht ein Glück, der ist so ein Sahneschnittchen. Und ich hätte nicht gedacht, dass er so süß sein kann. Ding Ding Ding, Jackpot!" Antwortete sie auf die ausführliche Schilderung des gestrigen Abends und des heutigen Mittags. Ich lachte.

"Aber Clary, ich weiß nicht... 'Wir lassens langsam angehen.' Klingt doch irgendwie nach einer echt billigen Ausrede oder? Wahrscheinlich war er betrunken, wusste nicht wirklich was er macht und ist zuviel Gentleman, als dass er mich einfach so abweisen würde."

"Ääähm du bist hier diejenige, die ihn abgewiesen hat Madame. Da ist es doch selbstverständlich, dass er denkt, er tut dir mit so einer Aussage einen Gefallen."

Ich kaute auf meiner Unterlippe während ich über ihre Worte nach dachte und dann konnte ich nicht anders, ich musste einfach fragen.
"Hättest du anders gehandelt?"
"Hmm, wahrscheinlich schon, wenn ich Dan nicht hätte. Aber das ist auch was ganz anderes, ich bin auf dem Gebiet ja etwas erfahrener sag ich jetzt mal."
"Hmm, ja..."

"Apropos, Dan und Ich haben uns wieder vertragen, er sagt er hat's nicht so gemeint. Was ich ihm zwar nicht glaube, aber verdammt, ich will nicht streiten."
"Ihr hattet Streit?"

"Ja, hast du meine Nachricht nicht gelesen? In letzter Zeit ist irgendwie alles anders, wir streiten uns ständig, dabei liebe ich ihn doch mehr als alles andere."

Und nach insgesamt ein einhalb Stunden Telefonat und dem darauffolgenden Abendessen fiel ich endlich erleichtert in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

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Hallo ihr tollen Leser <3
Ich bin hin und weg und freue mich total über eure lieben Kommentare und zahlreichen Votes.
Als ich angefangen habe zu schreiben, hätte ich nicht gedacht, dass ich diese Story mal irgendwo veröffentliche und hätte erst recht nicht damit gerechnet, dass sie irgendwie gut ankommt. Danke an jeden, der das hier liest, votet und kommentiert, das ist wirklich total motivierend! :) <3

xx, Jamila <3

The Absence of Heat - Die Abwesenheit von WärmeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt