Wieso?

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Ich traute meinen Augen kaum. Da stand sie. Vollkommen lebendig tauchte sie hier nun wieder auf. Das konnte doch nicht sein! Ich hatte doch gesehen, wie sie gestorben war! Nein, es KONNTE einfach nicht sein! Es war schlichtweg unmöglich! „...genauso wie unmöglich es war, das es Vampire gibt...", erinnerte mich meine liebenswürdige Kopfstimme.

Eigentlich hätte ich mich ja freuen sollen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Ich wusste einfach nicht, was ich glauben sollte. Noch eben schien es wirklich so, als würde ich sterben und im nächsten Moment wurde ich gerettet und das von mir (und auch ihm?!???) tot geglaubte Mädchen taucht plötzlich wieder unter den lebenden auf. Naja...nicht ganz, schließlich hatte sie -genauso wie alle Vampire- blutrote Augen. Das musste bedeuten, dass sie durch irgendeinen Grund wieder zum Leben erweckt worden war, denn, man konnte mir sagen, was man wollte, die Kleine war zwischenzeitlich ganz sicherlich tot gewesen. Mühsam kniff ich meine Augen zusammen, um wenigstens noch ein bisschen was zu erkennen. Der Schock, dass die Kleine nun doch noch lebte, ich sie aber trotzdem vorher nicht hatte retten können und sie damit sozusagen beinahe umgebracht hatte und sie gewissermaßen in den Tod und als Vampir ins Unglück geschickt hatte, saß noch viel zu tief in mir. Traurig wendete ich den Blick ab und versuchte unter enormer Anstrengung den Vampir auszumachen, der mich gerettet hatte. Ich konnte mir nicht ausmalen, wer sowas getan haben konnte, schließlich war ja noch vor kurzem so ziemlich jeder für meinen Tod gewesen und nicht umgekehrt. Mein Bewusstsein wollte mir eigentlich einen Strich durch die Rechnung ziehen, doch irgendwie schaffte ich es, meine Sicht noch ein wenig zu klären. Ich erkannte den „Teufel" und hätte liebend gerne die Zähne gefletscht, wenn er hier hin gesehen hätte, doch ich war einfach zu schwach. Immerhin hatte er mir Unmengen an Blut ausgesaugt und ich wunderte mich eh, wie ich die wachsende Übelkeit gemischt mit dem Schmerz und besonders dem Gefühl des Ekels ignorieren konnte. Denn er hatte mich angefasst. Nicht nur, dass mein Teufel von mir getrunken hatte, was schon abartig und verstörend genug war, sondern er hatte mich auch noch berührt. Zwar nicht wirklich, aber alleine schon das wieder aufkommende Gefühl, wie er meine Haare am Hals zur Seite gestrichen hatte löste eine Gänsehaut bei mir aus und das nicht im guten Sinne. Es war einfach widerwärtig gewesen. Zuerst hatte er mir dieses Monster gezeigt und mich dann auch noch fast leer gesaugt...wenn ich noch so weiter drüber nachdachte fragte ich mich, wieso ich eigentlich noch lebte. Für was lohnte es sich denn zu leben? Um meine Träume zu erfüllen und den Vampir-entführ-Mörder zu töten? Das war unrealistisch und falsch. Ich wollte gar nicht wissen, was mein Schicksal noch so alles für mich geplant hatte, aber meine Vampir-Entführ-Mörder zu töten war einfach unmöglich. Klar, hasste ich ihn, weil er das kleine Mädchen umgebracht hatte, doch die war ja nun anscheinend wieder lebendig. Dennoch blieb mein Hass und der Schmerz, als die Bilder des kleinen, beinahe zerfetzten, hilflosen Kindes, das an seinem Hals hing, wieder in mir aufstiegen. Er war einfach grausam. Eine abscheuliche Gestalt und das war anscheinend jeder der Vampire. Meinen Teufel konnte ich schließlich auch in diese Kategorie zählen. Mein Entschluss stand fest: Ich musste diese Vampire töten, das kleine Mädchen und wahrscheinlich auch viele andere Menschen, sowie die eine Frau hatten einfach zu sehr unter ihnen gelitten. Ich musste sie aufhalten. Musste sie besiegen, mit all meiner Kraft (ich war ja dem Anschein der Vampire nach mächtiger als ER) versuchen, sie zu besiegen und zu vernichten. Ich musste sie schlichtweg ausrotten...bis auf Ausnahme des kleinen Mädchens, das wieder unter den „Lebenden" war, für sie würde mir schon etwas einfallen.

Doch nun musste ich mich auf meinen Retter konzentrieren. Innerlich betete ich, dass dieser kein Vampir war und ich ihm unter diesen Umständen nicht auch noch zu Dank verpflichtet war. Ich konnte Vampire einfach nicht ausstehen. Und ganz besonders IHN nicht. Es war einfach unmöglich.

Erneut schärfte ich also meinen Blick und sah meinen Teufel. Dann blickte ich zu dem anderen Vampir, der im Gegensatz zu dem Teufel überhaupt nicht verwundet war und sichtlich gelassen kämpfte. Ich bewunderte die Art, wie sich dieser Vampir bewegte...so elegant und dennoch irgendwie einschüchternd und selbstbewusst. Ich bemerkte die kantigen Gesichtszüge, die vollen Lippen und das struwwelige Haar.

Nein, das konnte nicht sein. Nicht, bitte nicht! Ich kann ihm nicht zu Dank verpflichtet sein! Er kann mein Leben nicht gerettet haben! Und auch die Kleine konnte diesem Vampir nicht gefolgt haben! Das ging nicht, er war zu grausam!

Endlich besiegte der Vampir meinen Teufel, indem er ihm ganz einfach das Herz langsam und qualvoll hinauszog. Das Blut interessierte mich nicht. Das Einzige was ich sah war, wie ER schließlich zu mir blickte. Der Vampir der mich entführt, gefoltert und das kleine Mädchen getötet hatte und der Vampir, der mich vor meinem Teufel gerettet hatte waren ein und dieselbe Person. Wie konnte das sein? Wieso ER?


BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt