Kapitel 7.

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*POV Stegi*

Einige Minuten später sind wir wieder ein wenig auseinander gerückt und ich halte mein Handy in der rechten Hand. Langsam und noch immer aufgewühlt entsperre ich es und gebe unsere Festnetznummer ein. Tim sitzt neben mir und ich spüre deutlich seinen Blick. „Soll ich raus gehen, während du telefonierst? Ich könnte schon mal Frühstück machen, oder..." Weiter kommt er nicht, da ich ihn zögernd unterbreche: „K-Kannst du bitte bleiben, Tim?" „Ja...natürlich!" Ich lächele ihn dankbar an und drücke dann auf den grünen Hörer. Tims große Hand findet ihren Weg auf meinen Rücken und streicht dort beruhigend über mein rechtes Schulterblatt. Wie kann er bloß immer wissen, was genau ich in dem Moment brauche? Ob nun eine Umarmung oder einfach eine zurückhaltendere Geste, wie eine Hand auf dem Rücken.

Meine Gedanken werden durch das Tuten meines Handys an meinem Ohr unterbrochen. Und viel zu schnell für meinen Geschmack wird auch abgenommen. „Stegi?!", tönt die hysterische Stimme meiner Mutter aus dem Lautsprecher. „Ja, Mama, ich bin's." Meine Stimme ist leise und brüchig und das scheint auch Tim zu merken, denn sofort verstärkt sich der Druck seiner Hand auf meiner Schulter. „Oh Gott, Stegi! Meine Güte, weshalb meldest du dich denn nicht? Wir haben uns riesige Sorgen gemacht! Wie geht es dir? Kommst du bald wieder nach Hause?", bricht direkt der Redefluss meiner Mutter über mich ein. Jedoch klingt sie dabei keinesfalls vorwurfsvoll, sondern lediglich sehr besorgt. „Mama... es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, mir geht es soweit eigentlich ganz in Ordnung. Ich brauchte einfach ein bisschen Zeit." „Gott sei Dank! Und natürlich! Bist du immer noch bei deinem Tim?" Ich werfe einen kurzen Blick zu Tim, der mich nur fragend ansieht, da er ja nicht mithören kann. Ich lächele ihn wieder beruhigend an und wende meine Aufmerksamkeit dann erneut dem Gespräch mit meiner Mutter zu. „Ja, ich bin noch bei Tim. Ich hatte allerdings vor, in den nächsten Tagen wieder nach Hause zu kommen." Zuerst denke ich, dass die Verbindung abgebrochen ist, da eine Weile keine Antwort kommt, doch dann fährt meine Mutter fort: „Das freut uns. Wirklich, Stegi. Wir... wir haben dich vermisst." Ich kenne die Stimme meiner Mutter gut genug, um sagen zu können, dass auch diese deutlich leiser geworden ist. Sie hört sich bedrückter an und die Stimmlage ist ein wenig tiefer, wenn auch nicht viel. Zögerlich will ich weiter erzählen, wobei ich Angst habe, sie zu verletzten, weil ich nicht den Rest meines Lebens alleine mit ihr und der Familie verbringen möchte, sondern eben auch mit Tim, meinem beste Freund. Kurz ringe ich noch mit mir selbst, bis ich dann einfach anfange: „Und...ich würde gerne Tim mitbringen. Wenn das in Ordnung ist." Ich vernehme ein Schniefen vom anderen Ende der Leitung. „Okay. Alles, was du willst, mein Schatz.", antwortet meine Mutter und ihre Stimme ist inzwischen nur noch ein Flüstern. Eine Zeit lang ist es still, bis ich ein erneutes Schluchzen wahrnehme. Augenblicklich steigen mir die Tränen in die Augen. „Mama, es ist doch alles okay. Ich komme nach Hause...Zu euch." Während ich das sage fließt eine erste Träne meine Wange herunter, nur um einen dunklen Fleck auf der Couch zu hinterlassen. Ich beuge mich vor, stütze meine Ellenbogen auf meinen Knien ab und raufe mir mit der freien Hand die blonden Haare. Tim nimmt seine Hand von meinem Rücken, um den ganzen Arm um mich legen zu können. Ich verlagere mein Gewicht ein Stück weiter in seine Richtung, sodass ich jetzt schräg an ihn gelehnt sitze. „Es...es tut mir leid. Ich bin nur so... erleichtert und froh, deine Stimme wieder hören zu können." Wieder herrscht ein paar Sekunden einfach nur Stille. „Mama, dir muss nichts leidtun. Wir sehen uns bald wieder, okay?" Ich schniefe und versuche mich zusammenzureißen. Wenigstens, bis das Telefonat mit meiner Mutter beendet ist, sie soll sich nicht noch mehr Sorgen um mich machen, als sie es so oder so schon tut. Die Stimme meiner Mutter ist noch immer unverändert, leise und gebrochen und ich höre dies, obwohl sie es zu verstecken versucht. „Okay." Ein Räuspern und ein anschließendes tiefes Einatmen ist zu hören, ehe sie mit einer kräftigeren Stimme fortfährt: „Fahrt ihr mit dem Zug, oder wie kommt ihr zurück nach Karlsruhe?" Ich wende mich kurz von meinem Handy ab, um mich zu Tim zu drehen, welcher mich besorgt mustert. „Wie kommen wir denn zu mir?", flüstere ich, damit meine Mutter nicht allzu viel von meinem kleinen Nebengespräch mitbekommt. Ich weiß zwar, dass Tim einen Führerschein und auch einen Kleinwagen hat, aber dennoch will ich nochmal sichergehen. „Ich kann uns hinfahren.", flüstert Tim zurück, wobei sich das Flüstern bei seiner tiefen Stimme eher wie ein Raunen anhört. Er lässt es sich nicht nehmen, mir mit dem Daumen die übrig gebliebenen Tränen von der Wange zu wischen, ehe ich meinen Kopf wieder gerade drehe und auch das Handy erneut an mein Ohr hebe. „Tim wird uns fahren. Er hat einen Führerschein und auch ein Auto. Ach...und ich denke, dass wir so übermorgen kommen werden.", erläutere ich meiner Mutter. „Gut. Aber Schatz, bitte ruf spätestens bevor ihr euch auf den Weg macht noch einmal an, in Ordnung?" Ihre Stimme hatte wieder einen halbwegs normalen Ton angenommen, wobei ‚Normal' zur Zeit eher als ‚besorgt' definiert wird. „Ja klar, machen wir... ich freue mich auf euch." Ich kann sie geradezu durch das Handy lächeln sehen. Es ist lange her, dass ich etwas in dieser Art und Weise zu ihr oder auch zu einem anderen Familienmitglied gesagt habe, aber jetzt empfinde ich das als den richtigen Moment dazu. „Und grüß alle schön.", hänge ich noch schnell hintendran. „Das richte ich ihnen aus. Und wir freuen uns auch riesig auf dich, Stegi. Grüß auch Tim von mir." „Okay. Wir sehen uns übermorgen." Auch meine Mutter verabschiedet sich und ich nehme langsam das Handy herunter, um aufzulegen. Mit noch immer zittrigen Fingern schaffte ich es auch endlich und lege es neben mir ab.

Stexpert ~ FreundeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt