Vortrag von Prof. Pater Karl Josef Wallner OCist

29 0 0
                                    

Die Notwendigkeit der Rückbesinnung auf die Offenbarung des trinitarischen Selbst Gottes.

Aigen (kath.net) Pater Karl Wallner, Zisterzienser im Stift Heiligenkreuz, Dogmatikprofessor und Rektor der der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI., hielt diesen Vortrag am 31. August 2015 in der Sommerakademie Aigen. kath.net dankt Prof. Wallner für die freundliche Erlaubnis, diesen Vortrag zu veröffentlichen.

1. Gottes offenbares „Selbst" ist die Dreifaltigkeit

Der springende Punkt des christlichen Glaubens ist, so führen die wichtigsten Theologen des nachkonziliaren 20. Jahrhunderts, etwa Rahner und Balthasar aus, die „Selbstoffenbarung" Gottes zu unserem Heil. „Offenbarung" meint, dass die Eröffnung dieses „Selbst" unter der Initiative Gottes erfolgt, der von sich her auf den Menschen zugeht, sich diesem nähert, erschließt und „offenbart". Um diese Offenbarung empfangen zu können, ist der Mensch schon von Natur aus auf Gott hin geschaffen; er ist seiner Natur nach, kraft seines Geistes, ein Sehnsüchtiger und Suchender. Die Formulierung des Augustinus ist klassisch geworden: „quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te"1 und wurde in breiten Richtungsströmen des 20. Jahrhunderts thematisiert. Dem gottoffenen Menschen, der - hier mag Feuerbach recht haben - aufgrund seiner transzendentalen Konstitution nur allzu schnell von sich aus religionsproduktiv wird, diesem Menschen offenbart sich im biblischen Raum überraschend und überwältigend der unfassliche Gott. Gott spricht und handelt von sich aus und unerwartet in die Geschichte hinein, er wird in der Wirklichkeit der Welt zum Akteur. Der vom Menschen her Unvorstellbare stellt sich selbst dem Menschen vor, der vom Menschen her Unfassliche macht sich selbst fasslich, der schlechthin Namenlose gibt sich von sich aus einen Namen.

1 AUGUSTINUS, Confessiones 1,1: „Du hast uns zu dir hin geschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir."

Im Alten Testament steht „Name" für das Wesen Gottes. Gott gibt seinen Namen preis, im brennenden Dornbusch, dieser Name bleibt in seiner Heiligkeit und Erhabenheit aber zugleich verbaliter unaussprechlich. Vier Buchstaben, ein Tetragramm, eine geheimnisvolle Chiffre, das Haschem als Platzhalter für den unbegreiflichen Begriff, dass Gott zwar eine Identität hat, aber gerade in dieser namentlichen Identität jenseits alles Erfassbaren bleibt. Der Gottesname „JHWH" durfte vom Hohenpriester deshalb auch nur am heilvollsten Tag, am Iom Kippur, dem Versöhnungstag, beim jährlichen Entsühnungsritus im Tempel laut und verständlich aus -gerufen werden, während er die Sühneplatte im Allerheiligsten mit Blut besprengt, um den durch die Sünde gebrochenen Bund wieder herzustellen. Der „Name" wird erst in der Entsühnung des Volkes, im Heil, das Gott schenkt, vom bloßen Wort zum Begriff. - Was im Alten Testament angehoben hat, findet erst im Neuen Testament seine Erfüllung. Und zwar am Kreuz, wo sich die Identität des Gottesnamens lüftet, als aus grundloser und unberechenbarer Liebe Jesus von Nazareth, der Sohn, dem Vater sein Leben für die Sünder hingibt und den Heiligen Geist in die Welt haucht. Da gibt sich Gott den Namen, den wir am Beginn jeder christlichen Liturgie aussprechen und ihn dabei mit der rituellen Bezeichnung unseres Leibes mit dem Kreuz verbinden. Der offenbare Name des einen Gottes lautet „Vater, Sohn und Heiliger Geist."

Schon für die Juden hatte Gott also einen Namen, eine Identität, die eine Beziehung ausdrückte: nämlich die Beziehung des einzigartigen „Fürseins" für das Volk Israel. Die Wesentlichkeit des „Ehje asher ehje", des „Ich -bin -der -ich -bin" liegt in einem „Ich -bin -da-für-mein -Volk". Es ist eine anhebende Selbstoffenbarung, die freilich vor Jesus Christus noch wesentlich in der Preisgabe einer einzigartigen Nicht -Identität gründet: Aussprechlich ist der Name Gottes nur in der Nicht -Aussprechlichkeit, nahe ist Gott nur in der Nicht -Nähe. Indem sich Jahwe offen-bart, schafft er gerade durch seine Nähe die höchste Form von Distanz, gerade durch seine Eröffnung des „Selbst", werden die Abgründe des Geheimnisvollen, ja Rätselhaften nochmals tiefer.

Kritik an die katholische Kirche Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt