Epilog

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„Meier, Stefanie."

Eine haarsprayverseuchte Föhnfrisur erhob sich und stöckelte auf die Bühne. Von unserem Direktor bekam sie eine Rose gereicht und unsere Tutorin gab ihr das Zeugnis und ein falsches Lächeln.

„Meister, Violett!"

Das war mein Moment. Ich stand auf und hoffte, dass ich auf meinen absurd hohen Schuhen einigermaßen grazil auf die Bühne stolzieren konnte. Ich hatte mich ganz bewusst für ein knielanges Kleid entschied. Damit lief ich gar nicht erst Gefahr über mein eigenes Kleid zu stolpern.

Trotzdem dachte ich: Bloß nicht fallen, Violett! Schließlich hatte ich das Gefühl das Empire State Building unter den Hacken geschnnürt zu haben.

Zu stolpern und die Nase zu fliegen wäre wohl der peinlichste Abschied von der Schulzeit überhaupt, doch schaffte den Weg ohne aufzufallen und konnte mir Rose und Zeugnis abholen. Ich sah ins Publikum und erblickte ein stolzes Gesicht. Marlo stand da und klatschte enthusiastischer als anderen. Er rief meinen Namen und ich musste schmunzeln. Er war ie so ein Superfan, der in der ersten Reihe des Konzertes völlig ausflippte.

Ich konnte es noch immer nicht begreifen, dass ich tatsächlich das Abi geschafft hatte. Ja, es war knapp gewesen, aber ich hatte es jetzt und niemand konnte es mir mehr wegnehmen.Darauf war ich stolz, denn es hatte Momente gegeben, in denen ich nicht gedacht hätte, dass ich einmal so weit kommen würde.

Unsere Tutorin sprach ein paar Worte über unsere Zukunft, doch ich hatte nur Augen für Marlo. Er sah gut aus in seinem schwarzen Anzug. Zu einer Krawatte hatte er sich zwar nicht überreden lassen und der oberste Hemdknopf war offen, aber er sah trotzdem sehr elegant aus und das, obwohl seine Locke noch immer Rebellion schrien.

Wir dürften die Bühne wieder verlassen. Sofort stürmte ich zu ihm. Er küsste mich überschwänglich.

"Nicht die Frisur kapuut macht", sagte ich leise.

Es war unromantisch, aber ich hatte dafür eine Nacht mit Lockenwicklern in Kauf genommen, was man locker auch als Foltermethode einstufen konnte.

Er grinste schief.

„Du siehst bezaubernd aus." Er küsste mich nun ganz zart. "Glückwunsch! Du hast es wirklich verdient! Ich bin so stolz auf dich."

Eigentlich sollten diese Worte an so einem Tag von den Eltern kommen. Von allen Schülern waren heute die Mütter und Väter gekommen. Selbst die, die geschieden waren, rafften sich zusammen und schafften es ein paar Stunden ohne Streit am Tisch zu sitzen. Ihrem Kind zu Liebe. Nur meine Eltern waren nicht da, doch es störte mich nicht. Marlo war hier und nichts anderes zählte für mich.

Trotzdem war ich froh, dass auch Thorsten und sogar Sam gekommen war. Sam war bei Mum mittlerweile ausgezogen. Wir hatten nun beide keinerlei Kontakt mehr zu ihr. Sie war mir nicht gleichgültig und ich fragte mich oft, wie es ihr ging, aber ich wusste auch, dass es mir nicht gut tat, sie in meinem Leben zu haben.

Musik begann zu spielen und Marlo nahm meine Hand.

„Zeit das Tanzbein zu schwingen", flüsterte er mir ins Ohr.

Das hier war nicht irgendein Tanz. Alle Paare aus unserem Jahrgang hatten sich zum Tanzkurs angemeldet. Auch Marlo und ich. Was mir an Rhythmus fehlte, fehlte ihm an Körperkontrolle. Wir zuckten mehr übers Tanzparkett, als das man es wirklich Tanzen nennen konnte.

Wir begann zu versuchen unsere einstudierten Schrittfolgen wiederzugeben. So wie es die Paare um uns herum auch taten. Ich sah dabei nur Marlo in die Augen. Mir war egal, was um mich herum geschah. Vielleicht hatte ich nicht das beste Abi geschrieben, aber dafür hatte ich den besten Freund in diesem Universum.


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