Marlo führte mich am Empfangstresen vorbei. Er hatte seine Mutter schon per SMS informiert. Wir gingen sofort ins Behandlungszimmer und das hatte ich auch dringend nötig. Besonders das Atmen tat mir im Brustkorb weh.
Seinen Vater kannte ich mittlerweile gut, doch Marlos Mutter hatte ich nie kennengelernt. Sie war auffällig schlank und hatte ihre langen, blonden Haare sorgfältig zu einem Zopf geflochten. Freundlich kam sie auf mich zu. Ich spürte, dass sie wollte, dass ich mich wohlfühlte. Doch das schaffte sie nicht. Schließlich wusste sie, dass ich gerade von meiner Mutter eine Vase an den Kopf bekommen hatte. Es war mir unangenehm, sie unter solchen Umständen kennenzulernen.
„Tut mir so leid, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen müssen", begrüßte sie mich, als hätte sie meine Gedanken gelesen und streckte mir ihre Hand entgegen.
Ich quälte mir ein Lächeln auf die Lippen und hob meine blutverschmierte Hände hoch, sodass sie die sehen konnte.
„Lieber nicht", wies ich ihre Hand höflich ab.
Sofort sah sie mich verständnisvoll an. Bis auf die Haarfarbe und die schlanke Figur, hatte sie mit ihrem Sohn nicht viel gemein. Es waren andere Augen und auch eine andere Nase. Ihre Lippen waren voller uns die Stirn höher.
„Marlo, würdest du bitte den Raum verlassen?"
Perplex sah er seine Mutter an und blieb stehen.
„Sie ist meine Freundin", stellte er klar
„Und meine Patientin", entgegnte sie erstaunlich streng. „Ich möchte mit ihr unter vier Augen sprechen."
Sollte ich jetzt Angst bekommen? Marlo sah alles andere als begeistert aus. Ich wollte ihn bei mir haben.
Er zögerte.
„Wenn du mich brauchst, ich bin direkt vor der Tür", richtete Marlo das Wort an mich.
Ich lächelte ihm dankbar zu. Dann verließ er schweren Herzens den Raum. Jedoch nicht, ohne mir noch einen kleinen Kuss aufzudrücken.
„Wie ist das passiert?", fragte sie und begutachtete meine Wunde, sobald Marlo weg war.
Ich wusste, dass Marlo ihr gesagt hatte, dass es meine Mutter gewesen war.
„Meine Mum ist sauer gewesen."
Sie schrieb etwas auf. Wieso tat sie das? Ich wollte das nicht.
„Womit hat sie dir die Wunde zugezogen?"
Sie wirkte deutlich kontrollierter als Marlo. Keine Spur von emotionalen Ausbrüchen, wie es bei Marlo der Fall gewesen war.
„Sie hat eine Vase nach mir geschmissen."
„War es das erste Mal, dass das passiert ist?", fragte sie und sah sie nebenbei meine Wunden an.
Ich fühlte mich wie in einem Verhör.
„Das mit der Vase schon, aber sie schlägt öfter mal zu. Sie ist Alkoholikerin und hat sich im Rausch nicht mehr unter Kontrolle. Sie wird dann sehr aggressiv."
„Das müssen wir nähen", erwähnte sie beiläufig und ging nicht auf das ein, was ich ihr eben erzählt hatte. Stattdessen kritzelte sie weiter in einen Block hinein.
„Okay. Ich bin aber nicht krankenversichert. Wie teuer ist das denn?"
Sie hielt inne.
„Was?", fragte sie ungläubig.
Nun hatte ich sie doch schocken können. Ihre abgeklärte Fassade brökelte plötzlich.
„Ja, meine Mutter ist aus der Krankenkasse geflogen und da wir familienversichert waren, sind mein Bruder und ich auch nicht mehr versichert."
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Broken Princess
RomanceWann hat deine Mutter aufgehört dich wie eine Prinzessin zu behandeln? Violett hatte nie eine unbeschwerte Kindheit, doch das hat sie davon abgehalten das Leben zu lieben. Sie ist gut darin, sich den Schmerz und die fehlende Liebe nicht anmerken zu...