14 - Mutprobe

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Ich hatte abends noch lange im Bett gelegen und mit Marlo geschrieben. Wir werteten den vermasselten Spanischtest aus. Ich jammerte herum, wie schlecht ich war. Marlo versuchte mich mit sanften Worten aufzubauen. Er wollte, dass ich wieder an mich glauben konnte, doch diesen Glauben hatte ich vorerst verloren.

Für Samstag hatte mich Marlo zu einer Verabredung überredet. Ich musste nur vormittags kellnern und hatte den Nachmittag frei. Wir trafen uns im Freibad. Es war das letzte Wochenende in dieser Saison, dass es überhaupt noch geöffnet hatte. Bei den Temperaturen war es auch kein Wunder. Wir hatten gerade so 15 Grad. Ich konnte mir schönere Orte vorstellen, als ein Freibad. Im Wasser schwammen auch nur ein paar Rentner. Ansonsten war hier niemand.

„Hätten wir nicht lieber in die Sauna gehen könne?"

Er lachte.

„Willst du von mir wieder nackt aufgefangen werden?"

Bloß nicht! Ich hatte diesen Moment schon fast aus meinem Gedächtnis verdrängt. Nun war er wieder voll präsent.

„Erinnere mich bitte nicht daran!"

„Du hast damit angefangen."

Ich verdrehte verspielt die Augen.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich.

Marlos Grinsen machte mir Angst. Mir war bewusst gewesen, dass er irgendetwas plante, aber dieses Grinsen ließ mich Schlimmes erwarten.

„Wir sorgen dafür, dass du wieder an dich glaubst."

Das war eine Lebensaufgabe und nichts, was man an einem Tag im Freibad vollbringen konnte.

„Und wie willst du das bitte schaffen?"

Dieses Grinsen wurde noch breiter.

„Wir springen." Springen. Solange es bei Seilspringen blieb, würde ich den Spaß mitmachen. „Vom Zehner."

„Oh nein, mein Lieber! Nicht mit mir", stellt ich sofort klar. „Da könntest du selbst meinen Mathelehrer hinter mir herjagen. Ich steige nicht auf den Zehn-Meter-Turm."

„Du wirst dich danach besser fühlen. Du wirst stolz sein und merken, dass du Dinge schaffen kannst, die du vorher nicht für möglich gehalten hast."

„Marlo, ernsthaft! Ich bin kein Lemming, der sich achtlos irgendwo herunterstürzt."

„Ach komm schon. Wir gucken uns das einfach mal von oben an."

Er nahm meine Hand und wollte mich in Richtung Sprungturm ziehen. Ich machte mich schwer wie der Mount Everest.

Marlo legte seinen Kopf schief.

„Nun stell dich nicht so an! Wir gehen einfach nur gucken."

„Aber wirklich nur gucken!"

„Versprochen!"

Warum glaubte ich ihm das nicht?

Trotzdem ging ich mit ihm zum Sprungturm. Ich sah hoch zu dem Brett, das zehn Meter über mir angebracht war. Nie im Leben würde ich da runterspringen!

Die Stufen stieg ich trotzdem hoch. Ich war kein Mensch, der Höhenangst hatte, aber mit jeder Stufe schlug mein Herz schneller in meiner Brust. Wir kamen am 3 Meter-Brett vorbei. Dann am 5-Meter-Brett. Dann am 7-Meter-Brett und schließlich standen wir ganz oben.

„Ach du Scheiße, ist das hoch!", kam es mir über die Lippen.

Ich krallte mich am Geländer fest.

Ich hatte das Gefühl vom Empire State Building in diesen Pool hinabzuschauen.

„Und?", erkundigte sich Marlo und wagte sich gefährlich nahe an den Abgrund.

Broken PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt