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Als ich mich von dem ersten Schreck erholt hatte, inspizierte ich die grauen Körper der Haie genauer. Sie waren sehr klein und nicht gefährlich, aber ich konnte Jana ihre Angst deutlich ansehen. Sie atmete viel zu schnell, verbrauchte viel zu viel Luft. Es sah nicht danach aus, als wollten die Haie dort in der nächsten Zeit wegschwimmen, also versuchte ich zuerst einmal Jana zu beruhigen. Immer noch zu nervös machte sie mit ihren Händen zitternde Zeichen. Du führst. Ich folge. Nickend gab ich das Ok Zeichen und schwamm ein Stück nach hinten, weg von den Haien, hinter einem Felsen vorbei nach rechts und in einem großen Bogen an ihnen vorbei Richtung Strand. Die Furcht vor den Raubtieren stand Jana auch dann noch auf die Stirn geschrieben, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Einer der Lehrer, die uns begleiteten fragte uns nach unseren Tauchwerten, also Zeit, Restdruck und Maximaltiefe. Wir bekamen eine kleine Predigt, da Jana nur noch vierzig Bar in der Flasche hatte, doch der Lehrer sah recht schnell ein, dass es wohl wirklich nur die Nervosität gewesen war, die sie zu schnell atmen hatte lassen und gab sich damit auch zufrieden. Wir schraubten unsere Geräte auseinander und dann gingen wir unser Tauchlogs holen, in denen wir alle Tauchgänge dokumentierten. Ich notierte Tauchwerte und einige kleine Informationen über beide Tauchgänge, die ich an dem Tag gemacht hatte. Nach kurzem Überlegen schrieb ich auch noch "2 Schwarzspitzen Riffhaie gesehn" ans Ende der Notizen und legte das Heftchen zur Seite. Anschließend packte ich meine Tasche nochmal neu, sodass alles drin, und vor allem leicht zu finden war und als auch das erledigt war, steckte ich die Speicherkarte aus der Unterwasserkamera in meinen Laptop und begann mir die kleinen Videos anzusehen, die ich während des Tauchganges immer wieder gemacht hatte. Im letzten Video hatte ich kurz bevor wir die Haie entdeckten zu filmen begonnen, deshalb waren auch sie auf dem Video zu sehen. Sofort speicherte ich sie als Bild und begann dann die Videos in einen Ordner zu sortieren.
Nach dem Abendessen gings wieder ans Tauchen. Es war noch nicht dunkel als wir alles vorbereiteten und ein Briefing über den folgenden Tauchgang erhielten, aber sobald es dunkel genug war, wollten wir ins Wasser gehen. Jana weigerte sich vehement wieder ins Wasser zu gehen, der Schreck vom verhergehenden Tauchgang saß ihr noch zu tief in den Knochen und so wollte sie auf keinen Fall nachts, wenn die Haie jagten, ins Wasser. Ich selbst war sehr aufgeregt, etwas nervös aber vor allem aufgeregt das Meer bei Nacht zu sehen. Bei diesem Tauchgang gingen alle Lehrer bis auf einer ins Wasser, damit wir in kleineren Gruppen tauchen konnten und so auch mehr sahen. Jeder von uns erhielt eine Taschenlampe und dann gingen wir langsam ins Wasser. Wir bekamen einige Krebstierchen zu Gesicht und auf 10 Meter Tiefe verdeckten wir alle unsere Taschenlampen um das Phytoplankton im Wasser zu sehen. Wedelte man mit der Hand im Wasser herum, so kannte man eine Art grünes Handfeuerwerk sehen, wie es unser Lehrer im Briefing zuvor beschrieben hatte. Es war wunderschön und ich hätte das ewig machen können, doch dieser Tauchgang war auf eine halbe Stunde begrenzt worden, und so machten wir uns auch bald wieder auf den Rückweg.

Am nächsten Morgen läutete der Wecker um kurz vor vier. Ich stöhnte als ich mich schweren Herzens aus dem warmen, kuscheligen Bett wandt und meine Tasche darunter hervorzog. Theresa war die einzige von uns, die bereits hellwach schien. Ihre Tasche stand neben ihr und sie betrachtete bereits die Wetterkarte. "Mist! Wir werden am Anfang eine angenehme Reise haben, aber ich fürchte zwischendurch wird das Wetter echt mies. Hoffentlich erreicht das Unwetter das Riff erst, wenn wir unseren ersten Tauchgang auf dem Weg erledigt haben." Sie ließ sich zurückfallen und legte das Handy neben sich. "Und wie ist das Wetter weiter draußen, da wo das große Boot ist auf dem wir dann auch bleiben?" fragte ich besorgt. "Weiter draußen ist es ruhig, das sollte kein Problem werden." meinte sie und setzte sich wieder auf. "Fertig?" Wir nickten synchron, schulterten die Taschen und gingen nach draußen. Nach und nach kamen auch die anderen.
"Also gut, hört mal alle gut zu! Das Wetter wird zwischendurch nicht so prickelnd, wir rechnen mit großen Wellen, das heißt, es ist vielleicht keine schlechte Idee Tabletten gegen Seekrankheit zu nehmen, wenn man sich nicht sicher ist, ob man welche braucht oder nicht. Wir haben welche dabei, falls ihr keine habt." Meinte einer der Tauchlehrer und begann uns dann auf Anwesenheit zu kontrollieren. "Willst du welche verwenden Nana? Ich hab welche dabei?" Luke war neben mir aufgetaucht. "W..wenn das in Ordnung ist, dann gerne, aber.." Er grinste. "Keine Sorge ist schon ok, deine Mutter wird übrigens auch immer See.." Er wurde blass und hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund. "Meine Mutter hat Angst vor dem Meer." sagte ich misstrauisch. "Sie wollte mich nicht zum Marine College gehen lassen, weil man mit einem Boot dorthin fahren muss, also woher weißt du ob sie Seekrank wird oder nicht." Ich zog meine Augenbrauen zusammen. "Sie..Das war nicht immer so, früher, daran kannst du dich wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern, mochte sie das Meer genauso, aber sie hat eine Haiattacke beobachtet..seitdem hat sie Angst vor dem Meer." Er sah zur Seite und kratzte sich nervös am Hinterkopf. "Ich kann mir vorstellen, wie schrecklich so etwas anzusehen sein muss." fügte er noch leise hinzu. "Das war der Grund, aus dem sie mich nicht gehen lassen wollten, und das konnte sie mir nicht sagen. Haben sie geglaubt ich hätte kein Verständnis dafür?! Ich glaub dir kein Wort!" meinte ich entrüstet. Wutschnaubend schluckte ich die weiße Tablette und spülte sie mit einigen Schlucken Wasser wieder hinunter. Ich konnte Lukes Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten spüren, aber ich ignorierte sie. Nach einer Weile stiegen wir ins Boot und die Fahrt begann. Ich döste ein wenig vor mich hin, damit ich nicht reden musste, außerdem war ich sowieso noch sehr müde. Um kurz nach fünf wurde das Boot langsamer und ankerte, wir machten uns fertig für den allerersten Tauchgang und teilten uns in kleinere Gruppen auf. "Ihr habt vierzig Minuten Zeit für diesen Tauchgang, danach fahren wir weiter, ihr könnt jetzt tauchen!" Nach einem finalem Check sprangen wir ins Wasser und schwammen ans Bug des Bootes, um dort entlang der Ankerleine nach unten zu tauchen. Wir tauchten nach unten auf eine Tiefe von 18 Metern, und stiegen dann langsam wieder nach oben. Ich sah einen kleinen Rochen, der sich unter einem Felsen vor uns versteckte, und ein Papagaienfisch schwamm eine Weile neben uns her. Gegen Ende unseres Tauchganges entdeckte ich etwas, dass absolut nicht in die Umgebung passte. Es lag im Sand und glitzerte ein wenig. Als ich näher an den Gegenstand heranschwamm, erkannte ich, dass es eine Kette war. Neugierig hob ich sie auf und steckte sie in die Tasche meines Jackets, später wollte ich sie mir genauer ansehen.

Kurz darauf streckten wir unsere Köpfe aus dem Wasser und kletterten wieder an Bord. Das Boot setzte sich nach einer Weile wieder in Bewegung und wir fuhren weiter hinaus, hinaus aus dem Schutz des Riffs in den Sturm.



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