Sieben Raben

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Der warme Wind eines späten Frühlings durchzogt sanft das hohe Gras. Die Blätter der Bäume rauschten bei jeden Windstoß. Gelegentlich durchbrach das Zwitschern eines einsamen Vogels die idyllische Stille.


Langsam kehrte Leben in den geschundenen Körper des Sängers. Einige Grashalme kitzelten die Nase des Rothaarigen und holten ihn in seine Hülle zurück. Mit einer Hand vor dem Gesicht, um die Augen vor der blendenden Sonne zu schützen, öffnete er behutsam die Augen. Sein Kopf schien ihm jeden Moment vor Schmerzen zu explodieren. Was war geschehen? Und wo war er?



Nach einigen tiefen Atemzügen setzte Alea sich auf. An seinem Körper trug er immer noch die Kleidung des letzten Konzertes. Seine Hände, rechts und links neben ihm abgestützt, ruhten auf dem plattgedrückten Gras, welches ihn umgab. Dies war nicht die Wiese des MPS Geländes. Verunsichert hob Alea den Kopf, strich sich vereinzelte rote Strähnen aus dem Gesicht und betrachtete seine Umgebung. Zu seiner Linken erhoben sich nur wenige Meter von ihm entfernt unzählige mächtige Bäume wie Säulen aus dem Erdboden. Zwischen den eitlichen Stämmen konnte er kein Ende des Waldes erkennen.


Mit einer Hand auf dem Gras abgestützt richtete sich Alea langsam auf. Sein Rücken schmerzte, jedoch schien der Rest seines Körpers unbeschadet zu sein.



Unweit vor ihm konnte er einen schmalen Flusslauf ausmachen, dessen Rauschen beruhigend zu ihm drang. Verwirrt drehte er sich um die eigene Achse. An einer schmaleren Stelle wurde der Fluss von einer Brücke überbrückt, deren Weg die endlos scheinende Graslandschaft durchschnitt. Auf der anderen Seite des Flusses befand sich eine alte Mühle und ein weiteres kleineres Gebäude aus Holz. Einige Hühner scharrten auf dem staubigen Vorhof der Mühle nach Futter. Er konnte sich nicht erinnern hier schon einmal gewesen zu sein.


„Hallo? Sir?" Eine zarte Stimme riss Alea aus seinen Gedanken. Einige Schritte von ihm entfernt stand eine junge Frau auf dem trocken Weg zwischen dem Meer aus Gras. Ihr blondes Haar wehte leicht im Wind und auch der Rock ihres hellbraunen, langen Kleides wurde von gelegentlichen sanften Windböe erfasst. „Sir? Alles in Ordung mit Ihnen?" In ihrer Hand trug sie einen gefüllten Korb mit Gemüse. „Wie sind Sie hier her gekommen?" Alea löste sich aus seiner Starre und blickte ihr in die Augen. „Ich..." begann er „...Ich weiß es nicht...Ich kann mich an nichts erinnern!" Tief in seinem Inneren wurde Alea bewusst, dass er weder wusste wo er sich befand noch wie er an diesen Ort gekommen war. Was war nur mit ihm passiert?



„Marian!" Ein großer, stämmiger Mann stand auf der schmalen Brücke und blickte zu den beiden Personen im Gras. „Komm sofort ins Haus! Es ist schon spät!" rief er der blond haarigen Frau zu. „Ja Vater ich komme!" antwortete sie und drehte sich noch einmal zu dem rothaarigen Sänger um. „Ich würde mich freuen wenn Sie heute Nacht unser Gast sein könnten." mit einem Lächeln auf den Lippen wartetet sie auf Alea's Antwort. „Das....das würde ich wirklich gern!"



Die Sonne wanderte gen Horizont und färbte den bisher blauen Himmel in ein warmes Rot. „Vater. Er wird für heute Abend unser Gast sein!" Die junge Frau umarmte den Stämmigen, welcher ihr Vater zu sein schien. Seine kurzen braunen Harare waren bereits an den Schläfen ergraut und eine feine jedoch sichtbare Narbe zierte seine linke Wange. Misstrauisch beäugte er Alea, welcher seiner Tochter aus der Wiese hinaus bis zur Brücke gefolgt war und nun wenige Meter hinter ihr stand. „Aber wehe er bereitet uns irgendwelche Probleme!" Es war eine schwache Zustimmung seinerseits , welche er als eine Art Warnung mehr an Alea als an die junge Frau gerichtet hatte.



„Ich werde dann das Abendessen vorbereiten, Vater." sprach die junge Frau nach einigen Momenten der bedrückenden Stille. „Tu das mein Kind! Tu das." Augenblicklich verschwand die blond haarige in Richtung des Größten aller Gebäudes. Es bestand aus einem niedrigeren, länglicheren Gebäude und einem höheren Anbau, auf dessen, mit Tonziegeln bedecktem Dach, ein stattliches Windrad thronte. Die Leinen der einzelnen Flügel waren von den unterschiedlichen Wetterbedingungen und den Jahren unermüdlicher Arbeit geprägt. Der mittlerweile gelbbraun gefärbte Stoff schien trotz der etlichen größeren und kleineren Löcher noch genügend Wind einzufangen, um das hölzerne Windrad in Gang zu halten. Das Dach trug noch die Spuren der letzten Unwetter und schien an manchen Stellen notdürftig mit Stroh und Holz geflickt geworden zu sein um die Bewohner vor Wind und Regen zu schützen. Die Grundmauern bestanden aus einem einfachen Fachwerk. Erbaut aus massiven Holzstämmen, deren Zwischenräume mit Stroh und Lehm ausgefüllt worden zu seien schienen. Die Türen, wie auch die Fensterläden, bestanden aus einfachem Holz und waren einst mithilfe massiver Scharniere in den Mauern der Mühle verankert worden sein.



„Ich weiß...es ist nur ein einfaches, bescheidenes Heim, jedoch solltet Ihr euch jedenfalls für diese Nacht hiermit zufrieden geben!" Der Stämmige wand sich in Richtung Mühle, um seiner Tochter zu folgen. „Danke!" rief Alea ihm hinterer, bevor er einen Fuß von der Brücke setzte. „Wofür?" fragte ergraute Müller den rothaarigen Sänger. „Dafür das Ihr mich, einen völlig Fremden Eurer Seits, Zuflucht gewährt. Dafür bin ich euch dankbar!" Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen drehte der Müller seinem Heim den Rücken zu und widmete sich Alea. „Entschuldigt wenn ich am Anfang etwas misstrauisch zu Euch war. Nur habe ich seit geraumer Zeit so gut wie keine fremde Seele mehr soweit hier draußen gesehen. Doch es tut gut mal wieder ein unbekanntes Gesicht zu sehen." Das Krächzen einer Schar von Raben durchschnitt das gleichmäßige Rauschen des Windes. „Nun kommt! Es ist Zeit für das Essen." Mit einer einladenden Geste deutete er auf den niedrigere Gebäudeteil, durch dessen Fenster der warme Lichtkegel von Kerzenlicht fiel. „Jedoch seit Ihr mir die ein oder andere Erklärung schuldig wie es Euch in diese Gegend verschlagen hat!" Mit zügigem Schritt liefen die Beiden Männer über den staubigen Boden des Vorhofes.



An der hölzernen Tür, welche ins Innere des Hauses führt, angekommen hielt Alea noch einmal inne. Sein Blick fiel auf einen verdorrten Baum in der Nähe eines kleinen, heruntergekommenen Schuppens. In den Ästen des kahlen Baumriesen konnte er die Gestalt von sieben schwarzen Vögeln ausmachen, welche ihre Blicke gen Mühle gerichtet hatten.

Saltatio Mortis-Ich zeig dir deine LiederWo Geschichten leben. Entdecke jetzt