Frei Und Unbeschwert

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Die Sonne stand schon hoch am Himmel und schick ihre Strahlen durch die verdreckten Fensterscheiben der alten Villa. El Silbador lag noch, friedlich schlummern, auf einem der dunkelroten Sofa's, eingemummelt in eine wärmende Decke. Seinen Kopf auf ein altes Federkissen gebettet.

Von draußen drang das Zwitschern etlicher Vögel herein, welche es sich in den unzähligen Bäumen des Anwesend's sich es gemütlich gemacht hatten und holten den braunhaarigen Dudelsackspieler aus seiner Welt der Träume zurück in die Wirklichkeit. Mit einem leisen Grummeln versuchte er dem Licht der Sonne zu entkommen und drehte sich herum. Wenig später verlor er jedoch das Gleichgewicht und rollte von der Kante seines gemütlichen Schlafplatzes herunter. Mit einem dumpfen Aufschlag macht des verschlafene Körper des Reisenden Bekanntschaft mit dem Teppichboden des Salon's der Villa. Klirrend ging eine Flasche am Fußende des Sofa's zu Bruch.

Am Vorabend hatten die beiden Spielmänner in der Vorratskammer der verstaubten Küche noch einige gefüllte Weinflaschen entdeckt und im Laufe der Nacht gemeinschaftlich geleert. Nun standen die Überbleibsel dieser Nacht im Zimmer verteilt und boten den Reisenden verlockende Stolperfallen.

Stöhnend rieb sich Elsi den schmerzenden Kopf. Ob von dem Sturz oder dem Alkohol der letzten Nacht wusste der junge Spielmann nicht. Langsam ließ es seinen Blick durch das verstaubte Zimmer gleiten. Liegen blieb er an Alea's zerwühlten Schlafplatz. Die braune Decke lag auf einer langen gepolsterten Bank. Von seinem rothaarigen Reisegefährten fehlte jede Spur...

Zur selben Zeit stand Alea unschlüssig in einem anderen Zimmer der geräumigen Villa und betrachtete die etlichen Regale, welche mit unzähligen Büchern und zusammengerollten Schriftrollen bis zur Decke voll gestapelt waren. So viel Lesestoff konnte doch kein allein lebender Mensch gebrauchen. In der oberen Etage war Alea auf seiner kleinen Entdeckungstour auf eine große Doppeltür gestoßen, welche ihn in die hauseigene Bibliothek des reichen Vorbesitzers führt. An sämtlichen Wänden thronten massive Eichenholzregale, überfüllt mit Büchern, Pergament und einigen schon leicht vergilbten Schriftrollen. Gegenüber der großen Doppeltür befand sich eine weitere gläserne Tür, welche auf den außen angebrachten Balkon des Hauses führte. Links und rechts der Tür waren einige Fenster in die Mauern des Hauses eingelassen worden und spendeten dem Raum das benötigte Licht. Auf dem Boden ließ sich der rote Stoff eines riesigen Teppich's erkennen. Ein großer, mit Papier und Büchern überfüllter, Schreibtisch stand vor einem der größeren Fenster. Vorsichtig schloss Alea den Türflügel hinter sich und betrat den gemütlich wirkenden Raum.

Wo war Alea? Augenblicklich war El Silbador hellwach und auf den Beinen.Suchend blickte er sich um. Der Rothaarige konnte doch nicht so einfach verschwunden sein. Seine Habseligkeiten langen noch am selben Platz wie am Abend zuvor. „Alea?" rief Elsi auf den langen Korridor hinaus. Keine Antwort. Nur einsame Stille. Noch einmal rief er den Namen seines Reisekollegen.

Alea saß in dem großen mit Leder bezogenen Sessel hinter dem massiven Schreibtisch der kleinen Bibliothek. Seine Füße hatte er entspannend auf die, mit Staub überzogene, Tischplatte gelegt und blätterte langsam und behutsam in einem der alten Bücher herum. Gefunden hatte er es in einer der Schubladen des Schreibtisches, eingewickelt in ein altes Leinentuch.

„Alea!" Durch die geschlossene Tür der Bibliothek hörte Alea die Stimme seines Freundes nur gedämpft. Sein Blick fiel auf eine von Hand gefertigte Zeichnung auf einer der vorderen Seiten. Sie zeigte weite Wiesen, in der Ferne einen dichten Wald und zwischen alledem die alte Mühle des Müllers, in welcher er vor Wochen für ein paar Tage unterkam. Den wolkenlosen Himmel zierten sieben schwarze Vögel. Erinnerungen kamen in Alea hoch. An seine Zeit in der Mühle. Den Müller und seine Tochter. Und auch an die sieben Raben. Kannte der Zeichner dieses Bildes den Müller? Fasziniert starrte der Rothaarige weiter auf das Bild. Es wirkte alles so lebendig. Er glaubte das Rauschen des Windes zu hören und den Duft des Grases in der Nase zu riechen. Und die Vögel schlugen mit ihren gefiederten Flügeln. Unmöglich. Alea schüttelte den Kopf und strich sich mit einer Hand über sein Gesicht. „Alea." Ein weiterer Ruf drang von draußen zu ihm herein. Er ließ das Buch Buch sein, legte es auf die Tischplatte und stand auf.

„Elsi? Was ist los?" rief der Sänger zu dem Braunhaarigen herunter, nachdem er die Tür der Bibliothek geöffneten hatte. Schnelle Schritte näherten sich Alea, welcher noch immer in der geöffneten Tür stand und auf den Flur hinaus blickte. „Ich dachte dir wäre sonst was passiert, als ich aufgewacht bin und du nicht da warst." Elsi's war außer Atem, als er vor Alea zum stehen kam. „Alles in Ordnung. Mir geht's gut. Ich konnt nur nicht mehr schlafen und wollt dich nur ungern wecken, also hab ich mir das Haus mal genauer angeschaut." Der rothaarige Spielmann trat ein paar Schritte zurück und offenbarte dem Braunhaarigen die beachtliche Sammlung von Büchern und Schriftstücken.

„Der Mann hatte wirklich alles." stellte El Silbador erstaunt fest, nachdem er sämtliche Regale unter die Lupe genommen hatte. Alea saß wieder auf seinem Platz hinter dem großen Schreibtisch und blätterte weiter in dem mysteriösen Buch aus der Schublade herum. Weit kam er jedoch nicht. Schon vor mehr als einer Stunde hatte der Sänger es aufgegeben die Schriftzeichen zu entziffern und so blieb ihm nichts anderes übrig als die detaillieren Zeichnungen und Skizzen zu betrachten. Er sah einen vollbeladenen Planwagen, welcher Elsi's nicht ganz unähnlich sah, und die Schänke „Zum Lästerlichen", das Meer der Toten, die beiden Reiter, den Pferdedieb auf dem Rücken des gestohlenen Pferdes und vieles weiter. Fasziniert blätterte er von Bild zu Bild. Das Buch schien beinahe ihre vollständige Geschichte zu erzählen, die er mit El Silbador erlebt hatte. Nach einem Bild des massiven Eichenholzschreibtisches, auf welchem seine Füße ruhten, endeten jedoch die Notizen und es folgten unzählige weiße, unbeschriftete Seiten. Mit einem leichten Kopfschütteln schlug er das Buch wieder zu und wickelte es in das alte Leinentuch. Alea war sich nicht sicher, was er von diesem Buch halten sollte. Zum einen war er fasziniert über die Zeichnungen und die unbekannten Schriftzeichen, zu anderen spürte er auch etwas mulmiges in seiner Magengegend. Konnte es sein, dass sie jemand, seid ihrem Aufbruch von der Mühle verfolgt und beobachtet hatte? Aber wie sollte dieses Buch dann in die Schublade eines altes Schreibtisches in einem noch älteren Haus gelangen? Oder war dies alles nur ein Zufall?

Erneut zog er eine der Schubladen aus den Seiten des Tisches. Sie war überfüllt mit Pergament, Tintenfässchen und Federn. „Ich geh schon mal unsere Sachen zusammenpacken." unterbrach El Silbador seinen Freund beim durchsuchen der Schubladen. „Ich komm gleich nach." erwiderte Alea und wühlte weiter in dem Berg aus Papier herum bis seine Hand etwas samtartiges zu fassen bekam. Etwas hartes und klimperndes. Umhüllt von schwarzen Samt. In seiner Hand wog Alea ein prallgefülltes schwarzes Säckchen, als er sämtliche herausgenommen Pergamentblätter achtlos zurück in die Schublade stopfte, diese wieder schloss und sich mit großen Schritten auf den Weg ins Erdgeschoss des Hauses machte.


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