Der Kuss

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- Zum Lästerlichen -

Der eisige Wind des Regensturmes ließ das hölzerne Schild unentwegt an seinen Ketten schwanken. Graue Wolken bedeckten mittlerweile den gesamten Himmel und tauchten die Welt in ein bedrückendes, düsteres Licht. Zügig überquerten die beiden, in Mäntel gehüllten, Spielmänner die matschige Straße und betraten die hellerleuchtete Schänke. Eine wohlige Wärme und der Geruch von Alkohol schlug den durchnässten Reisenden entgegen, als sie, das von Elsi angepriesene, Wirtshaus betraten. Ein reges Treiben herrschte im Inneren und erfüllt den geräumigen Raum mit einem Gewirr aus Stimmen. Alea ließ bewundernd seinen Blick durch die Schänke gleiten. In der Mitte befand sich eine vierseitige Schanktheke mit etlichen Hockern, auch welchen es sich einige Gäste bequem gemacht hatten. In einer der hinteren Ecken, nahe des knisternden Kamins, saßen einige Gestalten über ein Würfelspiel gebeugt und diskutierten lautstark miteinander. An unzähligen, im Raum verteilten, Tischen saßen Reisende und Bewohner der Stadt und unterhielt sich, tranken oder hingen ihren Gedanken nach. So viel Alea auch ein Mann, gehüllt in einen schwarzen Umhang, ins Auge. Er saß an einem der großen Fenster auf einer Bank und brütete bei Kerzenschein über einem Bogen Pergament. Soweit Alea erkennen konnte hielt er eine schwarze Feder in der Hand und machte sich gelegentlich Notizen auf dieses Blatt. Trotz der angenehmen Wärme hatte der Unbekannte seine Kapuze nicht abgenommen. Diese hüllte sein Gesicht in Dunkelheit und machte es unmöglich ihn zu erkennen.

Alea wand sich wieder El Silbador zu, welcher schon zielstrebig in Richtung der großen Theke schritt und seine Stiefel dabei eine gut sichtbare Schlammspur hinterließen. Der rothaarige Spielmann folgte seinem Reisebegleiter.

„Zwei große Krüge mit Met bitte!" rief El Silbador übertrieben höflich dem Schankwirt zu, welcher mit dem Rücken zu den Beiden stand und munter mit einem der anderen Gäste scherzte. „Kommt sofort!" antwortete dieser und drehte sich zu Elsi und Alea um. Alea traute seinen Augen nicht. Vor ihm stand, der ihm wohlbekannte, zwei Meter große Hüne. Seine langen graubraunen Harre wurden durch ein schwarzes Kopftuch zurückgehalten. In seiner Hand hielt einen Tonkrug, welchen er währenddessen abtrocknete. „El Silbador, mein Freund. Schön das du auch mal wieder hier vorbei schaust. Hatte schon gedacht du hast mich vergessen!?" Lasterbalk stellte den trockenen Krug auf den Tresen und holte einen weiteren unter ihm hervor. „Dich vergessen Lasterbalk? Das ist so gut wie unmöglich." Lachend entledigte sich El Silbador seines nassen Mantels und legte ihn über einen der freien Hocker. Lasterbalk füllte währenddessen die Krüge mit dem süßlichen Getränk und schob sie über den Tresen zu den nassen Spielmännern. „Wie ich sehe hast du diesmal Unterstützung dabei, El Silbador?" fragte Lasterbalk und fischte sich einen weiteren nassen Krug aus einem hölzernen Wasserbottich um ihn abzutrocknen. „Ja. Ganz recht. Ich hab ihn beim Müller aufgelesen." „Beim alten Müller also....sagt mal woher kommt ihr eigentlich? Ich habe euch noch nie hier gesehen." Der Schankwirt richtete das Wort an Alea, welcher erschrocken von seinem Krug aufschaute. „Ich....ich würde sagen von weit her. Ich hab keine Ahnung wie ich hier her gelangt bin." „Habt Ihr vielleicht zu tief in den Krug geschaut? Ich kenne viele denen es schon so ergangen ist...." „Nein ich habe nicht zu viel getrunken!" unterbrach Alea Lasterbalk. „Ihr wisst aber nicht wie Ihr hier her gekommen seid?" „Nein." beantwortete Alea die Frage und widmete sich wieder seinem Met. „Nun gut. Ich will da jetzt auch nicht weiter nachhaken. Willkommen aber in meiner Schänke. Der Met geht heute aufs Haus. Jeder Freund von El Silbador ist ein Freund von mir und so schlage ich vor wir lassen da förmliche Getue!?" mit einem lächeln legte Lasterbalk das Tuch beiseite und reichte Alea die Hand. „Du kannst mich, wie so gut wie jeder hier einfach Lasterbalk nennen!" Alea ergriff dankbar die Hand und schüttelte sie. „Ich bin Alea!" „Ich könnte mit denken, dass ihr Beiden zufälligerweise ein Nachtlager sucht?" fragte Lasterbalk wissend und widmete sich wieder dem Krug. „Ist das eine Frage oder eine Feststellung?" fragte Alea nach dem er sich einen Schluck Met genehmigt hatte. „Eher eine Feststellung. Du musst wissen: Jedes mal, wenn El Silbador meine Schänke betritt ist er auf der Suche nach einem Schlafplatz und Alkohol. Oft viel zu viel, wenn du mich fragst. Unseren lieben Tillius hat er bisher aber noch nicht unter den Tisch getrunken!" Mit einem Lachen räumte er auch die letzten trockenen Krüge vom Tisch.

„Dankeschön für die Mahlzeit." unterbrach eine Stimme mit leicht französischem Akzent die Unterhaltung der Drei. Der Mann mit dem Pergament, welcher Alea schon beim Betreten der Schenke ins Auge gefallen war, hatte sich von seinem Platz auf der Sitzbank erhoben, sein Pergament zusammengerollt und sich in Richtung Theke begeben. Nun stand er neben Alea und schob Lasterbalk einige Münzen über den Thresen herüber. Der Rothaarige musterte ihn erneut. Die Kapuze verdeckte noch immer einen Großteil seines Gesichtes. Doch irgendwas kam Alea auch an diesem Mann bekannt vor. Doch ihm war in den letzten Tagen so vieles bekannt vorgekommen, dass er den Gedankengang schnell wieder beiseite schob und weiter seinen Met genoss.

Ein Windzug durchfuhr die Schenke als die Gestalt im schwarzen Mantel die Schänke verließ und gleichzeitig Tillius hereintrat. Auch er war von oben bis unten durchnässt und zitterte leicht. „Ah Tillius. Stürmt es draußen immer noch so sehr?" Mit einem sehr deutlichen Nicken quittierte der Angesprochene die Frage, durchquerte die Schänke und verschwand aus dem Sichtfeld der Spielmänner als er eine hölzerne Treppe empor stieg.

„Ich frag mich wie der Typ in dem schwarzen Mantel bei dem Wetter freiwillig vor die Tür gehen kann!?" Alea sah ungläubig zu Elsi und danach zu Lasterbalk. „Das, mein Lieber, ist eine gute Frage. Ich würde es jedenfalls nicht machen. Ist viel zu nass draußen und wer tauscht das schon gegen die gemütliche Wärme einer Schänke?" „Kanntest du den Kerl eigentlich, Lasterbalk?" fragte Elsi und schob dem Wirt den leeren Krug über den Thresen zu. „Das kann ich dir nicht sagen. Hab ihn auch das erste Mal hier gesehen. Er meinte er sei auf der Durchreise. Nach Merseburg glaube ich. Aber mehr weiß ich nicht. Nochmal voll machen?" Lasterbalk hielt Elsis leeren Krug in der Hand. „Liebend gern."

Stunde um Stunde verging. Alea und El Silbador saßen bis spät in der Nacht am Thresen und erzählten mit Lasterbalk über Erlebtes. Der Ansturm im Wirtshaus lichtete sich nach und nach, bis Lasterbalk spät in der Nacht die Türen verriegeln konnte und sich zu den beiden Spielmännern an den Thresen setzte.

„Wisst ihr....ich glaube mit Geld kann man sich wirklich alles kaufen! Wenn man nur genug davon besitz." Er richtete seinen Blick auf El Silbador. „Kannst dich noch an den reichen Kaufmannssohn erinnern, welcher die letzten Jahre hier in der Schänke verbracht hat nur um eine Mädchen aufzureißen?" „Ja! Wie könnte man so einen vergessen. Wieso? Was ist mit dem? Hat er es endlich mal geschafft?" fragte Elsi Lasterbalk belustigt. „Ja, er hat es vor einigen Tagen doch tatsächlich geschafft, dass eine der hübschen Mägde des Bürgermeisters ihn küsst." „Du willst mich doch auf den Arm nehmen oder?" Alea lauschte gespannt der Geschichte der Zwei. „Er gab ihr Gold und einen Ring und sie hat ihn im Gegenzug geküsst. Du hättest sein Grinsen sehen sollen mit dem er die nächsten Tage durch die Stadt gezogen ist." Mit einem Kopfschütteln nahm Elsi einen großen Schluck. „Unglaublich was man sich alles mit Geld erkaufen kann." „Ich denke das wird noch ein böses Ende nehmen!" klinkte sich Alea in das Gespräch der Beiden ein. „Ich glaub da hast du gar nicht so unrecht Alea. Wer weiß wie das alles noch endet..." pflichtete Lasterbalk ihm bei.


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