„Was denkst du wie lange wir bis zur nächsten Stadt brauchen?" Alea blickte fragend zu seinem Reisebegleiter neben sich herüber. Die beiden Männer hatten vor mehr als einer Stunde die alte Villa verlassen und ihre Reise auf dem beschaulichen Weg durch den Wald fortgesetzt. „Keine Ahnung. Es kommt drauf an, wie wir vorankommen. Aber wenn es so weiter geht wie bisher dürften wir noch etwa 4 Stunden Fußmarsch vor uns haben!" antwortete El Silbador dem Rothaarigen und rückte seinen Mantel zurecht. „Vier Stunden?" Alea war sich nicht sicher, ob der ehemalige reisende Händler ihn auf den Arm nehmen wollte. „Vier Stunden" bestätigte der Braunhaarige.
Die unzähligen Bäume des dichten Waldes verdeckten größtenteils die am Himmel stehende Sonne und bewahrten eine angenehm kühle Atmosphäre unter dem Blätterdach. Vertrocknete Blätter und kleine Zweige knirschten und knackten unter den Füßen der beiden Spielmänner, als sie dem festgetretenen Weg in Richtung Merseburg folgten. Trotz der dicht stehenden Bäume fielen genügend Sonnenstrahlen ins Innere des Waldes und hüllte die Umgebung in ein angenehmes und einladendes Licht. Tiere im Unterholz ließen das ein oder andere Gebüsch rascheln. Ein scheues Reh erhob seinen Kopf, als die Reisenden in Sichtweite kamen und suchte schleunigst das Weite. Und die Vögel in den Wipfeln der Bäume über ihren Köpfen zwitscherten unbeirrt ihr Lied.
Alea genoss die friedliche Stille des Waldes und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, um die Ruhe seiner Umgebung in sich aufnehmen zu können. Nur einen Augenblick weniger tiefer Atemzüge blieb dem jungen Sänger die Stille des Waldes, bevor diese von unzähligen dumpfen Aufschlägen auf dem festen Waldboden zerrissen wurde.
Der Rothaarige blieb stehen und richtete seinen Blick in die Richtung, aus welcher El Silbador und er selbst gekommen waren. Laute Stimmen drangen an sein Ohr, welche durcheinander miteinander diskutierten, als eine Gruppe von jungen Leuten auf die beiden Spielmänner zukam. Drei von ihnen saßen auf gesattelten Pferden, die Zügel fest in der Hand. Ein weiteres Pärchen saß auf dem Kutschbock eines einfachen Karrens.
Auch El Silbador war nun neben seinem Freund stehen geblieben und blickte zu der bunten zusammengewürfelten Truppe.
„Guten Morgen die Herrschaften!" Der junge Mann auf dem Kutschbock hatte den Karren vor den beiden Spielmännern angehalten. Mit einem belustigten Grinsen auf den Lippen war er von seinem Platz aufgestanden, nahm sich seinen Hut vom Kopf und verbeugte sich schwungvoll, wobei ihm die mittlerweile schulterlangen gelockten Haare ins Gesicht fielen. Nachdem der junge Mann seine Locken wieder zurecht geschüttelt hatte erkannten auch Alea, wer ihnen unerwartet über den Weg gelaufen war. „Till!" Der junge Mann sprang von seinem Kutschbock und schloss Alea in die Arme. „Wenigstens einer, der mich hier nicht bei meinem vollen Namen nennt!" rief Tillius scherzhaft dem braunhaarigen Spielmann zu. „Es freut mich euch wiederzusehen." Auch die anderen Reiter waren nun bei den beiden Spielmännern angelangt und hatten ihre Pferde zum stehen gebracht. „Du kennst die Beiden?" fragte plötzlich die junge Frau auf dem Kutschbock, welche bis vor kurzem noch neben Till gesessen hatte. „Ja Süße! Das sind alte Freunde von mir. Zum einen El Silbador." Er deutete auf den braunhaarigen Händler. „Er ist im Geschäft als fahrender Händler tätig. Oder mittlerweile als laufender Händler." Alea konnte sich ein Grinsen über Till's Bemerkung nicht verkneifen. „Was ist passiert Elsi? Hat dir jemand dein Pferd geklaut? Naja egal. Laufen ist sowieso gesünder, als den ganzen Tag auf nem Kutschbock zu hocken." Perplex starrte El Silbador den leicht angeheiterten Lockenkopf an. Hatte er das eben wirklich gesagt? Auch der Rest seiner Mitreisenden grinste oder strahlte einfach nur übers ganze Gesicht. „Und dass..." Till wand sich dem Rothaarigen zu. „....ist Alea. Und ich finde er hat ne echt beeindruckende Haarfarbe." Der Angesprochene konnte sich anders. Die gute Laune des ehemaligen Stallburschen färbte auf ihn ab. „Und du hast wundervolle Locken...." schmachtete Alea Till übertrieben an. „Hey Louisa. Ich glaub da macht dir gerade jemand deinen Freund abspenstig!" Einer der Reiter lachte zu der jungen Frau auf dem Karren herüber. Er hatte kurze dunkelbraune Haare und einen Drei-Tage-Bart. „Ich heiße übrigens Marcus." Der junge Mann trug eine einfache braune Hose, ein weites Leinenhemd und schwarze Schuhe. „Wenn du denkst!" konterte die junge Frau und lachte. Auch sie trug braune Hosen. Dazu jedoch ein rotes Oberteil mit langen Ärmeln und ein rot weißes Kopftuch, welches ihre hellbraunen langen Haare zurückhielt.
„Ach und das sind Daniel und Sara." Till deutete auf die beiden anderen Reiter, welche als Antwort Alea freundlich zunickten, oder in Sara's Fall winkten. „Wo wollt ihr eigentlich hin? Können wir euch vielleicht mitnehmen? Auf dem Karren ist noch genügend Platz!" Der Lockenkopf sah die beiden Spielmänner fragend an. „Eigentlich sind wir auf dem Weg nach Merseburg!" antwortete El Silbador, welcher im selben Augenblick seine Stimme wiedergefunden hatte. „Merseburg, also. Dann schwingt euch hinten drauf! Wir fahren in genau dieselbe Richtung!"
Der ehemalige Stallbursche schwang sich wieder auf den Kutschbock neben Louisa. „Worauf wartet ihr? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!" Marcus setzte sein Pferd langsam in Bewegung während der Rothaarige und sein Begleiter auf die Ladefläche des Karren kletterten. Zwischen Säcken mit Kleidung, Essen und anderen Dingen fanden sie genügen Platz, um es sich gemütlich zu machen. „Tillius, was macht ihr eigentlich hier?" fragte Elsi, nachdem er sein Gepäck sicher verstaut hatte. Die Gruppe zog weiterhin gemeinschaftlich durch den Wald und vermittelte den beiden, welche bisher zu zweit allein unterwegs gewesen waren, ein Gefühl von Gemeinschaft und Familie.
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich diesen Namen nicht leiden kann? Till reicht vollkommen!" Der Lockenkopf hielt die Zügel seines Zugpferdes fest im griff, während er sich mit dem braunhaarigen Spielmann unterhielt. „Wir sind auch auf dem Weg in die Hauptstadt. Haben alles gepackt was wir hatten und versuchen dort unser Glück. Und wenn es dort nicht klappt ziehen wir weiter. Uns bleibt alle Zeit der Welt. Uns gehört die Welt. Wir sind jung und frei und wollen noch was erleben!" „Dann wünsche ich euch viel Glück dabei." Alea hatte sich gegenüber Elsi an die Wand des Karren gelehnt und etwas quadratisches aus seinem Rucksack gezogen. Behutsam wickelte er, das in Leinen gehüllte, Buch aus und blätterte erneut darin herum. Vielleicht hatte er etwas übersehen? „Wo hast du das den her, Alea?" fragte El Silbador seinen Gefährten, als er das Buch in dessen Händen entdeckte. „Aus dem alten Haus mitgenommen. Fand ich irgendwie interessant." Er hat keine Ahnung wie interessant, flog durch Alea's Gedanken. „Lass mal sehen!" Der Braunhaarige beugte sich zu Alea herüber, doch dieser zog das Buch just im selben Augenblick weg. „Kannst du wenn ich fertig damit bin." Schnell wickelte er es wieder in das Tuch und steckte es zurück in seinen Rucksack. „Wenn du meinst." grummelte El Silbador leise vor sich hin und widmete sich wieder ihrer Umgebung.
Der ebene Waldboden hatte an Steigung gewonnen und so zogen sie einige Minuten, dem Weg folgend, bergauf. An der Kuppe angekommen stockte den Reisenden der Atem. Ihr Blick fiel auf das riesige Tal, welches sich am Fuße des Berges erstreckte. Bäume so weit das Auge reichte.
„Ich dachte das wäre alles nur ein Mythos, nur eine Geschichte die die Alten am Feuer erzählen, aber es gibt es wirklich!" Alea blickte zu Sara herüber, welche neben ihm am Rande der steinernen Plattform stand. „Was ist das?" fragte der junge Sänger beeindruckt.
In Mitten des schier endlosen Waldes erstreckte sich ein großes schwarzes Loch, mit mehreren Metern Durchmesser. Die Bäume um das Loch waren zerborsten oder umgeknickt, wie kleine Streichhölzern. Gras und pflanzen nahe der Öffnung waren verbrannt.
„Das Alea." begann Marcus zu erklären „ sind die Pforten der Unterwelt. Ein Loch ohne Boden. Es heißt, dass der Sohn der Morgenröte, vielleicht besser bekannt als Satan, an dieser Stelle aus dem Himmel verbannt wurde und mit solcher Wucht fiel, dass er unsere Welt durchschlug und direkt in die Unterwelt verbannt wurde. Ein finsterer Ort. Er zog einen Schweif aus Himmelsfeuer mit sich, welcher alles verbrannte was ihn berührte." Keiner sagte ein Wort, bis Alea die Stille durchbrach.
„Satan's Fall...." „Satan's Fall." bestätigte Marcus.
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Saltatio Mortis-Ich zeig dir deine Lieder
FanfictionDie 7 Müllerssöhne und Prometheus, welcher das Feuer auf die Erde brachte. Der letzte Spielmann und der Rattenfänger. Was haben all diese Personen gemeinsam? Sie entsprangen den Liedern die er schon unzählige Male gesungen hatte und doch waren es fü...