Eine in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt erschien neben dem rothaarigen Sänger und schob dem Wirt auf der anderen Seite der Theke eine Rolle Pergament zu. „Sie brauchen jemanden der sich mit Schriftzeichen auskennt?" „Kennen Sie etwa jemanden?" Die jungen Frau überkam eine Gänsehaut, als sich die große Gestalt an den jungen Spielmann wand und Alea ihn das gleiche fragte, wie sie vor wenigen Augenblicken. „Ja in der Tat........Ich könnte Ihnen vielleicht helfen!" sprach der Mann mit leicht französischem Akzent und schob sich die Kapuze vom Kopf. Zum Vorschein kam das freundlich lächelnde Gesicht eines schwarzhaarigen Franzosen. Alea's Begleitung hatte sich binnen weniger Sekunden provisorisch hinter dem Rücken des Sängers versteckt und ihren Krug in einem Zug geleert. „Ich bin übrigens Jean." Der Franzose streckte Alea freundlich seine Hand entgegen und schüttelte diese. „Ich bin Alea und das ist....." Der Sänger deutete auf die zierliche Gestalt der jungen Frau hinter sich. „.....Sara!?" beendete Jean den Satz des Spielmanns. „Ich...ich muss gehen!" Mit diesen Worten sprang Alea's Begleitung von ihrem Hocker auf und verließ mit zügigen Schritten die Schänke.
Zurück blieben ein verwirrter Spielmann und ein Franzose, welcher innerlich von einer Welle aus Gefühlen überrollt wurde. Sie lebte?
„Alles in Ordnung?" Alea holten Jean aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Zurück nach Merseburg. Zurück in die Schänke, in der die Beiden noch immer saßen und der junge Franzose noch immer ungläubig auf die massive Holztür starrte, durch welche vor wenigen Augenblicken ein Geist für ihn verschwunden war. „Sie war es wirklich? Sara?" Die bleiche Gestalt des Schwarzhaarigen blickte den Spielmann fragend an. War sie wirklich soeben vor seinen Augen verschwunden? Hatte er sie erneut verloren?
„Ja. Das war Sara. Geht es Ihnen wirklich gut?" Für Alea machte dies alles keinen Sinn. Was war zwischen den Beiden nur vorgefallen, dass sie Jean aus dem Weg ging und er aussah, als wäre sie vor kurzem von den Toten auferstanden?
„Ja....ja...alles bestens!" Sie war es wirklich. Verwirrt strich er sich über die schwarzen Haare und sprang, nachdem er sich wieder gefangen hatte, von seinem Hocker auf. „Wo wollen Sie denn so plötzlich hin?" fragte der rothaarige Sänger den Franzosen perplex. „ich dachte Sie wollen etwas über Schriften herausfinden!? Und hier..." Der Schwarzhaarige deutete auf den Raum der Schänke. „...Werden wir damit wohl keinen so großen Erfolg haben!" „Wir?" „Ja wir. Ich helfe Ihnen, aber dafür sollten sie sich nun erheben. Wir werden ein Stück gehen." Jean stand bereits am Ende der Theke und wartete auf den jungen Sänger, welcher seine Kost der letzten Stunden bezahlte. „Wo gehen wir hin?" Alea holte Jean an der untersten Stufe der Treppe ein, welche nach oben auf die Straße führte, ein. „An meinen Arbeitsplatz. Die Bibliothek von Merseburg!" Die schwarzen Haare fielen dem Franzosen leicht ins Gesicht, während er ein Säckchen mit Geld an seinem Gürtel befestigte und schlussendlich der Schänke den Rücken kehrte.
„Wir sind da." Die beiden Männer hatten einiges Fußmarsch durch die verschiedensten Winkel und Gassen der riesigen Stadt zurückgelegt und fanden sich nun auf einem großen Platz mit unzähligen bunt durcheinander gewürfelten Ständen wieder. „Willkommen im Herzen von Merseburg!" Vor ihnen bäumte sich ein Gebäudekomplex von der Größe einer Kathedrale auf und ließ einen Teil des Marktplatzes den Schein der Sonne verwehrt. Ein einzelner Turm durchbrach an der Ostseite die Fassade und ragte beachtlich in den Himmel.
„Das mein Lieber...ist die größte Bibliothek des Landes. Eine Stadt aus Wissen. Wenn wir hier nichts finden, dann bist du ein Hoffnungsloser Fall!" Mit einem Grinsen im Gesicht schritt Jean auf die steinerne Treppe zu. Ein halbrundes Gefüge aus glatten Steinen ermöglichte den Eintritt in die wohl größte Bibliothek, welche Alea jemals in seinem Leben gesehen hatte.
-Trafalgar Bibliotheca-
In Stein gemeißelt prangten diese zwei Worte in verschnörkelter Schrift über den beiden Flügeln der massiven Eingangstür. „Bibliotheca versteh ich ja. Aber was bedeutet das Trafalgar davor?" Alea folgte dem Schwarzhaarigen in die Eingangshalle des Gebäudes. „Diese Frage kann ich leider auch nicht beantworten. Manche sagen diese Bibliothek wurde nach einer berühmten Seeschlacht der Vergangenheit benannt. Andere wiederum sind der Meinung, dass das Gebäude den Namen eines verstorbenen Dichters trägt. Als suchen Sie sich etwas davon aus!"
„Wow!" Der rothaarige Sänger kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, nachdem er Jean in den großen Hauptkomplex des Gebäudes gefolgt war. Etliche Regale standen Glied an Glied gereiht im großen Hauptschiff des Gebäudes. Sie ragten bis an die Meterhohe Gewölbedecke und beinhalteten unzählige Bücher, sowie Schriftrollen. Der Geruch von altem Papier, Leinen und Leder stieg Alea in die Nase, als sie ins Hauptschiff der Bibliothek traten. Jean trat unterdessen zu einer jungen Frau in einem langen bunten Kleid heran, welche hinter einem Schreibtisch zwischen den Regalen über einigen Pergamentseiten brütete. „Doiteain. Schön dich wieder zu sehen." Die Angesprochene blickte von ihrer Arbeit auf. Ihre hüftlangen braunen Haare fielen ihr locker über die Schultern, während sie den Franzosen freundschaftlich in die Arme schloss. „Auch schön dich wieder zu sehen Jean...warte mal..." Sie löste sich aus der Umarmung. „Entschuldigen Sie bitte. Sir. Nicht anfassen! Das ist ein altes Artefakt...." Der Rothaarige fuhr erschrocken zusammen, als er die laute Stimme der braunhaarigen Frau vernahm, welche mit schnellen Schritten auf ihn zuschritt. „wer sind Sie überhaupt? Ich habe sie noch nie hier gesehen." Besorgt betrachtete Doiteain ein imposantes eisernes Schwert und suchte es nach möglichen Schäden durch unbefugtes Berühren ab. „Entschuldige Runda. Er gehört zu mir. Wir sind hier auf der Suche nach einem Buch über alte Schriften und Schriftzeichen." wand sich Jean der jungen Frau zu, welche Alea noch immer misstrauisch musterte. „Alea." Der Schwarzhaarige richtete das Wort an den jungen Spielmann. „Das ist Doiteain Runda. Sie ist die Wächterin der hier beheimateten Bücher." Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen der bisher ernsten Bibliothekarin, geschmeichelt von den Worten des jungen Franzosen.
„Das Schwert stammt aus einer längst vergangenen Schlacht. 1914 kämpfte der Fürst der Finsternis, wie man ihn nannte, gegen die damals herrschende Oberschicht des Landes, welche sich jedes noch so kleine bisschen Hab und Gut der Menschen in dieser Gegend an sich rissen. Er kam des nachts über die Berge im Norden..." begann die junge Frau zu erzählen, als sie Alea's Interesse für das alte Schwert bemerkte. „... mit einem Heer von Soldaten. Es kam zu einer Schlacht. Womöglich der größten in der gesamten Geschichte unseres Landes. Der Fürst der Schatten kämpfte Seite an Seite mit seinen Soldaten gegen die gesandten Soldaten der Reichen. Viele von ihnen waren nur einfache Bauern, welche nichts besaßen und somit gezwungen waren in diesen Krieg zu ziehen, welcher eigentlich nicht ihrer war. Die Soldaten des Fürstes siegten und brachten die herrschende Oberschicht zu Fall. Er, der Fürst selbst, verlor in dieser Schlacht sein Leben. Ihm zum Gedenken wurde der Turm an der Ostseite errichtet. Er besitzt keine Fenster. Nur eine einzelne Tür, welche nach dem Erbau des Turmes nicht mehr geöffnet wurde. In ihm wurden die Überreste des Fürstes zu Grabe gelegt. Über der Tür prangen die Wörter - In Meinem Geiste – Keiner unserer Ältesten weiß, was diese Worte bedeuten."
„Ich glaub ich hab da etwas gefunden." Der junge Franzose stand auf einer Leiter an einem der Regale und durchstöberte alte Aufzeichnungen über Schriftzeichen in der Welt. Auf einer Ablage an der Leiter hatte er einige interessante Bücher und Pergamentrollen beiseite gelegt. „Alea?" rief Jean zu dem Rothaarigen nach unten, welcher gedankenverloren in einem weiteren Buch las. „Ja? Was gibt's?" fragte der Angesprochene ohne aufzuschauen. „Kannst du mir hier eventuell mal helfen?" Mit langsamen Schritten folgte Alea der klaren Stimme des Franzosen, während er weiterhin in einem alten Buch mit abgegriffenem Einband las. „Jean? Ich hab hier auch etwas interessantes gefunden. Es gehört zwar nicht zur Thematik Schriftzeichen, aber..." Weiter kam der rothaarige Dudelsackspieler jedoch nicht. Mit einem Scheppern traf er auf eine hölzerne Leiter, welche an einem der Regale lehnte. Just im selben Augenblick verlor eine schwarzhaarige Person weiter oben auf den Sprossen der Leiter unter lautem Fluchen das Gleichgewicht und fiel samt einigen Büchern und Pergamentrollen auf die harten Eichenholzdielen des Bibliotheksfußbodens. Sämtliche Luft wurde aus den Lugen des jungen Franzosen gepresst und er fand sich unter einer Ansammlung aus Pergament wieder. „Jean? Jean?" Alea sprang von Boden auf und eilte zu dem Schwarzhaarige herüber. „Alles in Ordnung bei dir?" fragte der rothaarige Spielmann besorgt sein Gegenüber. „Ja..ja..alles soweit in Ordnung." gab dieser hustend von sich. „Es tut mir echt leid. Ich war nur in dieses Buch vertieft und hab die Leiter übersehen!" Mit schmerzenden Knochen rappelte sich schließlich auch Jean vom harten Dielen auf und blickte auf das Buch, welches aufgeschlagen neben Alea lag. Vergessene Götter von L. Sode. Auf einer der Seiten prangte eine detailreiche Zeichnung der Pforten der Unterwelt, oder besser bekannt als Satan's Fall. Eine krakelige Signatur
- F. Morgan – fand sich darunter. „Nicht schlecht..." wand sich Jean an den Rothaarigen. „Warst du schon mal dort....ich meine hast du sie schon mal gesehen? Die mächtigen Pforten der Unterwelt?"
![](https://img.wattpad.com/cover/53234212-288-k298072.jpg)
DU LIEST GERADE
Saltatio Mortis-Ich zeig dir deine Lieder
FanficDie 7 Müllerssöhne und Prometheus, welcher das Feuer auf die Erde brachte. Der letzte Spielmann und der Rattenfänger. Was haben all diese Personen gemeinsam? Sie entsprangen den Liedern die er schon unzählige Male gesungen hatte und doch waren es fü...