Good vs Bad

~6~

"Du kannst nicht heile Familie sagen! Du hast sie doch zerstört, als du für dich alleine beschlossen hast, böse zu sein!", entfährt es Fin unter Tränen, "Ohne dich und Mum wäre das alles nicht passiert! Würdet ihr nicht darauf aus sein, auch aus Luca jemanden bösen zu machen, wäre sie jetzt nicht im Krankenhaus!"

Leila lacht verächtlich: "Zum Glück habe ich die Familie zerstört, sonst stände ich jetzt bei euch und würde... kuscheln." Das letzte Wort spuckt sie förmlich aus und verschwindet wieder. Am liebsten hätte ich gesagt, dass sie dann verschwinden kann, aber ich lasse es und versuche die Tränen meines kleinen Bruders zu stoppen.

Leider funktioniert das nicht ganz so gut und nach einer halben Stunde weint er immer noch. Langsam glaube ich, dass es nicht nur Luca ist, um die es hierbei geht. "Fin?", frage ich vorsichtig, "was ist noch passiert?" Überrascht über meine Frage, wischt er sich die Tränen ab und wird rot.

"Na ja.... Es ist eigentlich total dämlich, wegen so etwas zu weinen...", stottert er und will sich damit rausreden, "nicht der Rede wert." "Was ist los?", hake ich nochmal etwas schärfer nach und erhalte seine Antwort:"Es gibt so viele Dinge, die aufeinander zu treffen, weshalb ich im Moment stark darunter leide. Also erstmal ist das mit Mum und Leila. Ich weiß nicht genau, was, aber sie haben irgendetwas vor, was ein Versprechen von Mum brechen wird. Dann das mit Luca. Wieso ist ihr das passiert? Sie fehlt mir jetzt schon so unglaublich... Sie ist mehr als nur eine Schwester für mich... Und drittens, Da gibt es so ein Mädchen, aber ihre Eltern sind böse und damit gibt sie immer an. Wenn wir alleine sind, ist sie total anders, dann ist sie lieb und flucht über ihre Eltern, aber öffentlich gibt sie sich nicht mit mir ab, weil ich so gut bin..."

"Daher weht der Wind also", sage ich schmunzelnd, "Du hast dich also verliebt." "Nein, das habe ich nicht!" "Fin, ich bin schon älter und ich weiß, wann du lügst und das tust du gerade. Wie heißt sie?" "Ich mische mich auch nicht bei dir und Greg ein!", faucht er wütend. "Okay, ist auch egal, aber wenigstens habe ich dich so überführt", stelle ich lachend fest und wuschel durch seine Haare. "Wann hast du das mich überführt?" "Na, Jetzt gerade. Sonst hättest du gesagt, dass ich Müll rede und Flausen im Kopf hätte. Aber ist ja auch egal, nicht wahr?"

Etwas beruhigter dreht Fin sich weg und geht hinüber zu Dad. Er zeigt auf mich und fängt anzulachen, Dad tut es ihm gleich. Ich rolle nur mit den Augen und suche nach Mum und Leila. Leila steht an der riesigen Glaswand, von der man auf den Innenhof des Krankenhauses schauen kann. Mum sitzt in einer Ecke und telefoniert. Wahrscheinlich mit Marcus. Sie kann sich einfach nicht auf ihre Tochter konzentrieren!

Ich beschließe zu Leila zu gehen. Wir sind Schwestern, deshalb darf ich das wohl, jedenfalls sehe ich das so. Sie scheint das anders zu sehen. "Was willst du, Horrum?", fragt sie genervt und starrt weiter konzentriert aus dem Fenster. Ich verdrehe die Augen, weil das Wort 'Horrum' irgendwie passend ist, aber nicht hier her gehört. 'Horrum' ist diet Bezeichnung für gute Familienmitglieder, wenn man selbst böse ist.

"Ich will nur mit dir reden. Keine Sorge, ich klammere nicht an eine Verräterin", antworte ich spitz. "Verräterin", schnaubt sie verächtlich, "ich habe niemanden verraten. Ich habe... lediglich meine schönere Seite enthüllt." "Ja klar und ich bin ein Teufel. Du hast mich verraten. Als wir klein waren, warst du anders zu mir und plötzlich hast du alles getan um mich zu quälen!"

Plötzlich wendet sie sich zu mir und sieht mir in die Augen. Ihr Blick ist so kalt, dass ich eine Gänsehaut kriege. "Wie hätte ich mich denn sonst gegen meine kleine, nervige Schwester wehren sollen? Hast nie auf mich gehört. Dann hab ich mal die Zügel in die Hand genommen. Glaubst du mir hat es Spaß gemacht, dass ausgerechnet du das warst?"

"Ja, genau das glaube ich. Du bist so machtdurstig, dass ich nicht mehr für dich die Hand ins Feuer legen würde. Du kennst den Schwur doch noch, oder etwa nicht?" Ich komme ihr immer näher und verschränke die Arme vor der Brust, bis sie einen Schritt nach hinten geht und für Sekunden die Fassung verliert, dann aber wieder kontrolliert sagt:"Der Schwur? Wirklich? Wir haben so schon das gleiche Blut in uns, du H-..." "Ach, fällt dir nichts besseres ein, als 'Horrum'? Und nein, wir haben nicht das gleiche Blut, sonst wärst du genauso lieb wie ich, oder irre ich mich? Haben wir uns nicht geschworen, nie einander weh zu tun? Bzw die Hand dafür ins Feuer zu legen, dass die andere niemals jemandem weh tun würde? Ach, den hast du ja schon vor Jahren gebrochen." "Ach halt den Rand", faucht sie bissig, "ich habe nur das getan, was mir zu sagte und nur wegen eines lächerlichen Schwures mit dir, darf ich trotzdem das machen was ich will. Mit und ohne deiner Hand im Feuer!"

Sie macht auf dem Absatz kehrt und verlässt den Flur. Ich schaue ihr hinterher. Etwas zufrieden, aber viel mehr bedrückt, weil ich das eigentlich nicht wollte.