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Als ich am nächsten Morgen aufwache, spüre ich Gregorys kalte Bett-Hälfte neben mir. Sofort steigen mir wieder die Tränen in meine Augen. Der Streit gestern hat mich im Grunde nicht wirklich fertiggemacht, aber das Ende hat mich schockiert. Ich setze mich auf und strecke mich erstmal. Dabei wird mir klar, wo Gregory jetzt ist. Es gibt keine andere Möglichkeit. Okay, normalerweise würde ich jetzt auch zu Jimmie rennen, aber es ist gerade nicht einmal im Geringsten etwas normal. Warum hat er eigentlich ausgerechnet jetzt davon angefangen? Habe ich nicht im Moment sowieso schon genug Stress wegen der Sache mit dem Marsmännchen und meinen Prüfungen? 

Plötzlich bin ich hellwach. Die Prüfungen! Und heute ist Montag! Wie von einer Biene gestochen springe ich aus dem Bett, halte in meiner Bewegung aber sofort inne, als ich die Uhrzeit auf meinem Wecker lese: 2.13AM. Frustriert setze ich mich wieder hin und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Am liebsten würde ich mich wieder hinlegen und weiterschlafen, aber ich bin  zu wach und aufgewühlt, um noch einmal in das Land der Träume zu reisen, also stehe ich wieder auf. 

Mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass Greg sich wirklich auf den Weg in Courtneys Zimmer gemacht hat. Sie mag ihn zwar unheimlich gern und er ist ihr bester Freund, aber wenn es um ihren Schlaf geht hat nicht einmal er gute Karten. Aufgedreht tigere ich in dem Zimmer auf und ab. Ich weiß nicht, was genau mich jetzt so durchdrehen lässt, aber am liebsten würde ich jetzt gerne schreien. Meine Gedanken scheinen meinen Kopf zum Platzen bringen zu wollen und es wäre mir nur Recht, wenn ich für einen Moment gar nichts mehr denken könnte.

Das Zimmer engt mich ein und ich ringe nach Luft, obwohl ich genug Luft bekomme. Meine Brust wird von einem imaginären Gummiband zusammengepresst und ich will aus diesem Zimmer raus. Mein Atem geht hektisch, meine Hände fangen an zu zittern und mir wird eiskalt. Ich raufe meine Haare, kralle mich in meinen Oberarmen fest und schlinge meine Arme um meinen Körper, der sich von Kopf bis Fuß komplett angespannt hat. Um mich herum höre ich stimmen, die zuvor noch nie da gewesen sind. Vergeblich versuche ich mir meine Ohren zuzuhalten, aber ich kann meine Arme nicht mehr bewegen. Mein Kopf tut unendlich doll weh und ich will einfach nur, dass es aufhört.

Und dann ist es vorbei. Alles ist wieder normal und ich kann wieder normal atmen. Hinter mir höre ich, wie leise die Tür aufgemacht wird und spüre seinen Blick auf meinem Rücken ruhen. Ich tue so, als hätte ich ihn nicht bemerkt und gehe zu seinem Fenster um die Vorhänge zur Seite zu ziehen. Draußen ist es dunkel und der Mond ist wegen den dunklen Wolken nur ab und zu mal zu sehen. Ich beobachte das Schauspiel ein wenig, bis der Mond gar nicht mehr von den Wolken bedeckt ist und auf mich herunter scheint. Er versucht mir Kraft zu spenden. Jedenfalls habe ich mir das als kleines Kind immer vorgestellt, wenn ich traurig war oder Leila und ich uns mal wieder gestritten hatten. 

Im Mondlicht leuchten meine blauen Augen immer besonders und mein rotes Haar hat eine kräftigere Farbe als sonst. Ich kann mich noch an einen Abend erinnern, an dem mich meine Mutter Mondmädchen genannt hat. Seit diesem Abend habe ich mich bei jedem Vollmond an ein Fenster gestellt um die Veränderung zu beobachten. 

"Deine Augen sehen so immer noch schöner und besonderer aus als sonst", stellt Gregory sanft fest und kommt auf mich zu, "sie bringen deine Magie zum Ausdruck." Ich schlucke. Wie kann er jetzt so sein, wenn er mich noch vor wenigen Stunden total angemotzt hat? "Hey, es war nicht okay von mir, ich weiß. Aber ich war in dem Moment einfach so sauer darauf, dass du ihr einfach so vertraust, aber bei mir fast ein Jahr gebraucht hast. Es tut mir leid", sagt er verlegen und deprimiert, "ich wollte mich nicht mit dir streiten."  "Mir tut es auch leid. Ich hätte vielleicht nicht von der Vergangenheit anfangen sollen und dir von meinem Training erzählen sollen. Ich wollte dich einfach... überraschen, wenn es darauf ankommt, sich zu verteidigen", gebe ich leise zu und schlucke ein weiteres Mal.

"Dir liegen Entschuldigungen immer noch nicht", stellt er lächelnd fest und ich boxe ihn daraufhin in die Seite. "Hey!", ruft er aus und umschlingt meine Hüfte um mich auf sein Bett zu schmeißen und zu kitzeln. Ich muss so doll lachen, dass meine Stimme immer höher wird und irgendwann nur noch ein Quieken ist. "Lass es! Bitte. Du weckst sonst noch die anderen auf", bitte ich schwer atmend und winde mich aus seinen starken Armen. "Na gut, aber nur weil du es bist", meint er gespielt genervt und gibt mir noch einen Kuss, bevor er sich wieder auf seine Seite des Bettes dreht um weiter zu schlafen. Allerdings drehe ich ihn wieder zu mir und kuschele mich mit dem Gesicht an seine Brust wobei ich den himmlischen Geruch seines T-Shirts einatme. Es riecht einfach unbeschreiblich gut.

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Das nächste Mal wache ich auf, als der schrille Ton des Weckers ertönt. Ich bin kein Mensch, der immer viel Schlaf braucht oder immer lange schläft. Deshalb verwundert es mich auch nicht, dass ich jetzt aufstehen kann und tanzen könnte. Ich setze mich auf und strecke mich erstmal, bevor ich ins Bad gehe und mich wasche und meine Wimpern tusche. Schwarze Wimpern passen einfach besser zu mir und meinen Haaren. Danach gehe ich zu der Seite des Schrankes, die ich gestern noch einräumen durfte. Daraus ziehe ich mir eine schwarze Hose und ein schwarzweiß gestreiftes Oberteil mit halblangen Ärmel. Nichts besonderes also.

Ich liebe es zu essen, aber an diesem Morgen würde ich nicht den kleinsten Bissen herunterbekommen, weil ich schon ein wenig Angst vor der Prüfung habe. Eigentlich bräuchte ich das nicht und wenn ich das jemandem sagen würde, würde diese Person nur sagen, dass ich doch total bescheuert bin, weil ich das ja sowieso kann. Wenn die wüssten, wie sehr ich mich darum bemühe, den ganzen Stoff in meinen Kopf zu bekommen.

Heute ist das Problem nicht mal der Stoff, sondern die Tatsache, dass ich meinen Lehrern gegenüber stehen muss und alles vorführen und aufsagen muss. Auf einem Blatt Papier wäre das definitiv leichter, aber ich kann daran auch nichts ändern. Am liebsten würde ich mich zwar wieder in das Bett legen und einen auf krank machen, aber ich glaube das würde auch nichts an meiner Situation verbessern, nur die Prüfung weiter hinauszögern.

In Gedanken versunken gehe ich zu meinem Zimmer im Turm hinauf, um mir meine Schultasche zu holen. Dort gucke ich noch einmal in meine Bücher und ich fühle mich noch einmal mehr unsicher, weil ich diese Formel zwar in und auswendig kann, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie auch wirklich richtig anwenden oder begründen kann.

Den nächsten Stop mache ich dann doch in der Küche und nehme mir einen Donut von der Platte, die eigentlich erst für heute Abend ist. So steht es jedenfalls auf dem Schild neben der Platte. Das ist mir aber egal, auch wenn ich dafür einen Tadel kassiere, weil sich das als zukünftige Prinzessin oder Königin nicht gehört. So gut es geht vermeide ich auch jeden Tadel, aber bei Donuts ist das so eine Sache. Außerdem liegen auf dem Teller eh noch genug andere und da fällt der Fehlende bestimmt nicht auf.

Als ich an den Wachen durch die Palasttür gehen möchte, hält mich einer der Männer auf. "Sie haben keine Begleitung", sagt er monoton und schiebt mich zurück. "Das war ein guter Witz, aber sie ist nicht alleine", höre ich eine vertraute Stimme neben meinem Ohr. Nightmare ist seit einer gefühlten Ewigkeit wieder bei mir. 'Dummerweise kann der Typ dich nicht hören', gebe ich in Gedanken zurück.

"Ja und? Du bist nicht alleine. Das kannst du dem jetzt auch genauso sagen."

'Du kannst mich nur leider nicht beschützen.'

"Kann ich wohl. Ich bin eine Meisterin im Manipulieren!"

'Das ist ja schön und gut, aber ich glaube, das ist dem Mann egal. Der lässt mich trotzdem nicht durch.'

"Ist schon gut. Ich bin jetzt da, ich war nur eben noch bei der Königin. Sie können uns nun durchlassen", sagt Gregory vom Weiten und kommt in schnellen Schritten auf mich oder vielmehr uns zu. "Hey, wieso warst du vorhin schon so schnell aus dem Zimmer? Normalerweise wartest du doch noch, bis ich auch wach bin", meint er dann an mich gewannt und küsst mich innig. "Ich konnte nicht mehr liegen bleiben", antworte ich achselzuckend und nehme ihm einen der beiden Kaffees aus der Hand, die er mitgebracht hat. Ich liebe Kaffee. Sofort nehme ich einen Schluck und gehe durch die Tür, durch die ich jetzt endlich durchgehen kann.

Good vs BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt