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"Familie Broth und Misses Smith?", fragt der Arzt Dr. Tangers in den großen Flur. Man sieht ihm an, dass er sich unwohl in der Anwesenheit meiner Mutter und Leila fühlt. Dr. Tangers ist eine gute Seele. Ich habe mich schon immer gefragt, ob er ein wirklicher Arzt ist, sodass sein Mond wirklich 17 ist, weil das nicht bei allen der Fall ist. Bei ihm denke ich mir manchmal, dass er genauso gut ein Engel sein könnte. Wahrscheinlich, weil er seinen Job so wundervoll macht.

Er ist seit ich denken kann mein Arzt hier im Krankenhaus. Ich musste oft hier hin, unter anderem auch, weil Leila mich verletzt hatte, aber ich war nie sauer auf sie. Im Gegenteil, ich genoss jeden Besuch hier, da Tangers so unglaublich lieb ist. Als das mit den Schlägen angefangen hat, war er gerade mal 22 und konnte trotzdem super gut mit einem völlig verschrecktem Kind umgehen.

"Ich habe eine gute und eine weniger gute Nachricht für Sie, welche wollen Sie zuerst wissen?", fährt er mit fester Stimme, aber Angst in den Augen weiter. Ich denke kurz nach, was in dieser Situation gut, aber zu gleich auch schlecht sein kann. Niemand im Raum sagt etwas und ich sehe, wie sich bei Fin schon wieder Tränen in den Augen bilden, aber er wischt sie weg und ergreift das Wort: "Schlecht zuerst..." Mums versteinertes Gesicht verwandelt sich in ein Schmunzeln. Ja ne ist klar.

"Nun ja", beginnt der Arzt zögernd, "Ihre Schwester und Tochter ist in ein Koma gefallen, aber ihr Zustand ist stabil. Ich würde Sie bitten, morgen wieder zu kommen, da die Besuchszeiten für Koma-Patienten etwas anders sind, als die für die, die bei Bewusstsein sind. Auf Wiedersehen." Er geht im Kreis herum und schüttelt uns allen die Hand. Bei meiner Mutter spannen sich seine Muskeln so doll an, dass ich durch den Kittel seine Adern sehen kann.

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In meinem Zimmer laufe ich auf und ab. Ich bin so aufgekratzt und möchte mich eigentlich für meinen Test am Montag vorbereiten, aber ich bekomme das alles einfach nicht in meinen Kopf. Ich starre die ganze Zeit auf die Buchstaben vor mir, aber verstehe sie nicht.

Es ist mitlerweile 8pm und ich habe in 4 Stunden gerade mal 2 Sätze in meinen Kopf bekommen. Ich könnte mir zwar auch einfach die Formel selbst ausdenken, die das gleiche Ergebnis bringen würden, aber es gibt Pflichtformeln, die jeder können muss.

Ein leises Knacken unterbricht mich und ich spüren einen kurzen Windstoß, der dann sofort wieder verschwindet. Ich lege meinen Füller, den ich mir gerade genommen habe, zurück in meine Federmappe und gehe zu meinem Lüftungsschacht. Hinter dem Gitter befindet sich ein Knopf mit dem die Wand zur Seite fährt und eine Leiter zu meinem Schlafzimmer freigibt. Ja, es wäre leichter gewesen eine normale Treppe zu nehmen, aber so ist das lustiger.

Als ich oben bin, öffne ich meinen zweiten Lüftungsschacht, in dem ein Hebel ist, der mein zweites Dachfenster sichtbar macht. Ich öffne es und mache Platz, damit Gregory reinkommen kann.

"Hey", sagt er und küsst mich kurz. Daraufhin zieht er seine Lederjacke aus und seine Muskeln kommen zum Vorschein. "Wie oft soll ich das noch sagen?", meint er genervt und verdreht die Augen, "hör auf mich immer zu beobachten." "Aber das mache ich gerne und irgendwie musst du dich ja daran gewöhnen, nicht wahr?", ziehe ich ihn auf und schließe die Wand wieder.

"Ich will das aber gar nicht und das weißt du", antwortet er und setzt sich auf mein Bett. Dabei sieht er sich eines meiner gezeichneten Bilder an und nimmt sich die dazu passende Geschichte. "Und das will ich nicht", sage ich und schmeiße mich neben ihn auf das Bett, um ihm meinen Block wegzunehmen. "Aber du hast Talent", kontert er und blättert entspannt um, "das solltest du nicht verschwenden. Auch wenn deine Geschichten und Zeichnungen manchmal etwas... seltsam sind." Er deutet auf eine Stelle, die ich gestern überarbeitet habe.

"Na ja, ich schreibe über Situationen, die ich erlebt habe." "Du beschreibst das also mit den Worten vorsichtig und angenehm?", fragt er stirnruzelnd und etwas beleidigt. "Ich schreibe doch nicht alles detailgetreu auf", sage ich und verdrehe die Augen. "Und was ist damit? Die Beschreibung des Hemdes passt perfekt auf das Hemd, das ich an hatte." "Ja, das vielleicht, aber..." "Soll ich deinen Eindruck vielleicht verändern?", fragt er und legt die Sachen weg, um mir eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen. "Wenn du denkst, dass das mein Eindruck ist, dann schon, aber das ist er nicht", wende ich ein. "Okay, dann nicht", antwortet Gregory und lehnt sich an meine Wand.

"Was ist heute los mit dir?", fragt er, nachdem wir zwei Filme gesehen haben, "du musstest gar nicht weinen. Und schweigsam bist du auch und essen tust du auch kaum was!" "Nichts, alles gut", sage ich abwehrend. "Ich kenne dich doch. Irgendwas ist passiert", hakt er weiter nach.

"Luca liegt im Koma, weil sie einen Unfall in der Vampir-Academy hatte, bei dem sie geblutet hat. Sie hat geblutet!", gebe ich zu und schaue an die Decke, "und deshalb kriege ich diese dämlichen Formeln nicht in meinen Kopf, die ich für Montag brauche und ich kann mich gar nicht konzentrieren."

"Oh Gott El, warum hast du das denn nicht sofort gesagt? Das ist ja grausam. Aber warum war sie mit 14 schon an dieser Schule?", denkt er laut nach. "Mum und Leila sowie ihre Lehrerin wollten das so", sage ich und verdrehe die Augen, weil es eigentlich total klar war.

"Natürlich, wer sonst. Allerdings solltest du, wenn du sowieso total unkonzentriert bist, entspannen und ein wenig schlafen. Oder nicht?", schlägt Gregory vor und zieht mich wieder nach hinten in seine Arme. Ich nicke nur und gebe ihm noch einen langen Kuss, bevor ich mich an seine Brust kuschel und einschlafe...

Good vs BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt