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Nachdem wir uns beide wieder etwas beruhigt haben, machen wir uns auf den Weg durch die Stadt. Obwohl ich anfangs eigentlich weniger davon begeistert war, Hunter als meinen Reiseführer mitzunehmen, bin ich jetzt gespannt auf meine neue Heimat und hoffe, wenigstens ein paar schöne Ecken von Baltimore zu Gesicht zu bekommen. Doch es kommt anders. Dank Hunter. Wir sind vielleicht gerade seit zehn Minuten unterwegs, in denen ich größtenteils schweigend neben ihm hergelaufen bin, und befinden uns noch immer auf der Hull Street, als er mich in einen kleinen Park führt. Ich habe schon von Baltimores zahlreichen Parkanlagen gehört, aber diese Grünfläche hier am Ufer des Patapsco River scheint keineswegs dazuzuzählen. Er reicht mir eine Ausgabe von Great Expectations von Charles Dickens, die er bisher verdeckt in seiner Hand gehalten hat. "Hier, du kannst dich da hinsetzen und lesen oder weiß Gott was machen. Interessiert mich nicht. Aber du bleibst hier, bis ich dich wieder abholen komme, klar?", befiehlt er in rauem Ton. Ich sehe in nur wie vor den Kopf geschlagen an. Er hat offenbar noch weniger Lust auf diesen gemeinsamen Ausflug als ich. So wenig Lust, dass er mich einfach hier abladen will. Oh nein! Nicht mit mir! Er hätte schließlich auch schon zuhause etwas sagen können, dann wäre ich gleich alleine losgezogen, oder hätte mir die Zeit eben irgendwie anders vertrieben. "Du wirst mich nicht hier sitzenlassen, Hunter Hayes! Bring mich einfach wieder zurück, wenn du was Besseres vorhast! Was willst du überhaupt machen?", frage ich etwas zu neugierig. "Das geht dich nichts an. Und nein, das geht nicht. Ich habe meiner Mom versprochen, mich heute um dich zu kümmern. Das war Bedingung dafür, dass sie mir heute Abend das Haus überlässt. Sie hatte wohl Angst, dich jetzt schon allein zu lassen..."
"Und wo ist Celia heute?", langsam gerate ich leicht in Panik. Celia war meine einzige Sicherheit, mein Ankerpunkt in dieser neuen Umgebung. "Sie ist heute morgen spontan nach Washington gefahren und verbringt die Nacht bei deinem Daddy im Hotel. Du hast noch geschlafen, als sie los ist und sie wollte dich nicht wecken.", antwortet er. Ich merke ihm an, dass er diese Unterhaltung mit mir für Zeitverschwendung hält, aber so leicht wird er mich bestimmt nicht los. "Und was ist heute Abend? Warum brauchst du das Haus für dich?", will ich wissen. Dabei kann ich mir das ja bereits denken. "Hausparty", bestätigt er meine Vermutung. Er mustert eingehend mein Gesicht und setzt sein spöttisches Grinsen auf, "Du bist nicht eingeladen, Kleine. Ich kenne dich ja kaum." Oh mein Gott! Dieser arrogante, selbstvernarrte, egoistische Mistkerl! Wie will er meine Anwesenheit denn verhindern? Ich würde auf jeden Fall da sein, ob eingeladen oder nicht, das wusste er genau! Ich schnaube:"Du hast das nicht zu entscheiden! Ich brauche keine Einladung in mein eigenes Haus!" Er blitzt mich mit herausforderndem Blick an. "Ach nein? Bist du da sicher?" Was zur Hölle hat er vor? Ich beschließe, mich nicht weiter von ihm provozieren zu lassen und laufe in Richtung Parkausgang. Anschließend eile ich wütend die Hull Street entlang bis ich wieder vor unserem Wohnhaus stehe.

Stepbrother dearestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt