Es ist, als brenne die Luft zwischen uns, aufgeladen von aggressiver Spannung, die sich jeden Augenblick entladen wird, entweder in einer Prügelei auf Leben und Tod, oder in Leidenschaft von eher sexueller Natur. Letzteres, auch wenn ich mir deswegen ein wenig versaut vorkomme, wäre mir eindeutig lieber. Unsere Blicke sind ineinander verhakt, ich kann meine Augen einfach nicht von ihm lösen. Und ich kann mich auch nicht wegdrehen, denn noch immer hält sein Körper mich erbarmungslos gefangen. Er erwartet eine Antwort von mir, oder zumindest irgendeine Reaktion. Aber mein Kopf ist wie leergefegt, alle rationalen Gedanken sind daraus verschwunden und es ist nichts übrig geblieben als dieses wahnsinnige Verlangen, ihm noch näher zu kommen. „Hunter", flüstere ich mit einer seltsam heiseren Stimme, die sich gar nicht mehr wie meine eigene anhört. Er schließt seine Augen und zieht scharf die Luft durch die Nase ein. Als er mich schließlich wieder anblickt, wirkt sein Gesichtsausdruck verändert, irgendwie verschlossener. Mein Stiefbruder macht einen Schritt rückwärts und wendet sich dann mit den Worten "Geh zurück in dein Zimme,Bay. Auf meiner Party hast du nichts verloren." ganz von mir ab. Seltsamerweise bin ich erleichtert, dass er wieder der Alte ist, gemein und herablassend. Damit kann ich besser umgehen als mit dem heißen, anziehenden Hunter. Und immerhin weiß ich jetzt, dass mein Körper ihn keineswegs völlig kalt lässt. Das konnte ich deutlich spüren. Wer weiß, wann mir dieses Wissen noch einmal nützlich sein wird, denn offenbar herrscht zwischen uns nach dieser erotischen Auseinandersetzung noch lange kein Waffenstillstand.
Als ich schließlich trotz der lauten Musik einschlafe, kreisen meine Gedanken noch immer um meinen verwirrenden Stiefbruder. Aber mein Schlaf währt nur solange, bis ein leises Klopfen an meine Tür ihn unterbricht. Ich taste nach meinem Wecker, es kann unmöglich schon Morgen sein. Drei Uhr. Mitten in der Nacht. Verdammt! Schlaftrunken wanke ich zur Tür, öffne sie und stehe einem völlig betrunkenen Hunter gegenüber. „Was willst du?", frage ich gähnend. Er sagt nichts, sondern hebt lediglich seine Schultern. „Hunter?", allmählich bereitet mir sein Schweigen Sorgen. „Ich...Kann ich...Du...Ich brauche...schlafe jetzt mit dir...heute Nacht.", er lallt etwas und braucht mehrere Anläufe, um einen halbwegs zusammenhängenden Satz herauszubringen. „Wie bitte??", frage ich schockiert. „Nein, tut mir leid. Ich wollte...Das klang jetzt falsch...Was ich sagen wollte...eigentlich...fragen wollte...Darf ich BEI dir schlafen, heute Nacht? Es geht mir...nicht besonders.", verbessert er sich ausführlich. Ohne auf meine Bestätigung zu warten schiebt er sich an mir vorbei ins Zimmer, setzt sich auf die Bettkante und beginnt, sich die Sachen abzustreifen, Socken, Shirt, zuletzt die Hose. Er hat nur noch die schwarzen Boxershorts an. „Komm schon Bay", murmelt er. „Auf gar keinen Fall." Was denkt er sich denn? Selbst wenn er betrunken ist und nicht weiß, was er tut, frage ich mich, was er sich eigentlich denkt. Und gleichzeitig kann ich die Augen nicht von seinem halbnackten, muskulösen Körper lassen. Er steht schwankend auf, macht ein paar Schritte auf mich zu bis ich in Reichweite seiner breiten Arme bin, mit denen er mich packt und zum Bett trägt, als wäre ich nicht schwerer als ein weiches Federkissen.
Wir liegen zusammen auf dem Bett. Hunter hält mich noch immer umklammert, sodass ich mich nicht rühren kann. „Kannst du bitte einfach bleiben?", bei diesen Worten klingt er irgendwie weniger betrunken als gequält. Es liegt eine derartige Verzweiflung darin, dass er mir sogar richtig leid tut. Ich kann ihm diese Bitte jetzt nicht mehr abschlagen, deshalb entspanne ich mich etwas und sage:„Ja, Hunter. Ich bleibe. Aber lass mich los, in Ordnung?" Er tut, was ich ihm sage. Nach einer Weile, in der ich schweigend seinem Atem lausche, kommt die Müdigkeit zurück und ich schlafe erneut ein.
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Stepbrother dearest
Romance~Sometimes, all you need is cliché~ Bay hat ihre Mutter verloren. Doch nun hat ihr Vater eine neue Frau, Celia, kennengelernt und zieht mit seiner Tochter zu ihr in die USA. Dort trifft Bay auf Celias Sohn Hunter, der anfangs nicht gerade freundlich...