2. Dezember

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„Du willst bei mir wohnen? Ist das dein Ernst, Martina Stoessel?" Entsetzt werfe ich ihr einen Blick zu. „Ja, ich bitte dich. Als Freundin?" Ich spüre förmlich, wie ihr Lächeln mich anzieht. „Na-na gut. Aber nur eine Woche." Ihr Lächeln wird breiter. „Danke, danke, danke, Jorge!" Stürmisch umarmt sie mich. Vorsichtig streichle ich ihren Rücken rauf und runter. „Ähm.." Anscheinend hat meine Ex-Freundin bemerkt, dass diese Umarmung zu lang wurde und löst sich.

Wir schauen uns beide leicht lächelnd an. Eine kleine Magie kann ich spüren, ich fühle es.

Ich lasse sie auf einem der Barhocker Platz nehmen und kümmere mich derweil um andere Gäste. Gemächlich trinkt sie ihren Cappuccino. Draußen wird es dunkler, sodass die Lichter mehr zur Geltung kommen. Die Besucher verlassen langsam das Café und besorgen sicher Geschenke.

Die Weihnachtsstimmung ist schon etwas angekommen. Ich drehe das Open-Closed-Schild um, sodass keine Leute mehr reinkommen. „Jorge?" Die süße Stimme von Tinita, so nannte ich sie mal, erklingt hinter meinem Rücken. „Ja?", erwidere ich und wende mich zu ihr. Ihre braunen, langen Haare mit leichtem Ombré-Ton passen sich perfekt an das warme Licht des Raumes an. „Mag ein bisschen doof klingen, aber tanzt du mit mir?", fragt sie zögerlich. Ich mache einen Schritt auf sie zu. „Gerne doch. Ein bestimmtes Lied?"

„Wie wäre es mit Last Christmas?", schlägt Tini vor. „Dann lass dich mal von Wham! bezaubern, im wundervollen 80-er Style.", lache ich und schaltet die Musikanlage an.

Die ersten Töne des Keyboards und des Schlagzeugs erklingen im Raum. Nun kommt auch George Michael zum Einsatz. Im Takt gehe ich auf sie zu und bewege meine Lippen zum Songtext. Ihrem Gesicht ist ein kleines Lächeln zu entlocken. Nein, kein kleines Lächeln, sie lacht. Meine albernen Bewegungen machen es nicht gerade besser.

Das hatte ihr am besten an mir gefallen. Mein Humor, der sie so zum Lachen bringen konnte. Ich nehme ihre Hand und ziehe sie an mich, lege die andere Hand um ihre Taille. Wir fangen an zu tanzen, immer im Takt. Nach dem zweiten 'Special' drehe ich sie und drehe Martu raus und wieder zu mir. Die Vorstellung von der Band mit der Gondelfahrt im Schnee war nicht wirklich toll. Was soll man sagen? Mitte 80-er wurde perfekt von diesem Video repräsentiert. Weite, einfarbige Jacken, aufgeplusterte Haare, selbst die Männer hatten Dauer- oder Wasserwelle drin. Bei dem Gedanken an das schlechte Musikvideo musste ich lachen.

Martina und ich drehen uns gemeinsam mehrmals und tanzen einfach. Ich ziehe sie wieder zu mir und lege gänzlich den Arm um sie. Ihr Blick verhakt sich mit meinem und will mich nicht mehr loslassen. Die alte unsichtbare Verbindung, die doch so spröde erschien, wird wiederbelebt. Es wird stärker, mit jedem Takt des Liedes. Ich fühle mich angezogen von ihr. Ganz neu.

Last ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt