Dank frühzeitiger Schmückung der Wohnung hatten wir eigentlich nicht viel zutun. Am Ende hatten wir einen Mini-Plastikbaum, auf den ich sehr stolz war, ein Weihnachtshuhn, welches noch auftauen musste, und einen Tisch für Geschenke aufgebaut. Bloß bestand nur noch ein Problem: Ich hatte kein Geschenk für Diego.
„Ich geh nochmal raus, okay? Bis nachher, Diego-Boy!", rufe ich. „Bye, Jorge-Boy! Bring noch Schokolade mit! Wir bekommen Frauenbesuch, also sei pünktlich zu Hause!", antwortet Diego aus der Küche, da er das Huhn zubereitet. Dann läuft das Radio weiter und spielt Ho-Ho-Santa-Daddy. Frauenbesuch? Wen soll Diego denn eingeladen haben? Ich bin irgendwie ein schlechter Freund, ich weiß nicht mal, wo und was Diego macht.
Ich gehe durch die Tür und trete nach draußen an die Luft. Erstmal ziehe ich eine Zigarette aus der Packung und zünde sie mir an. Das sollte mich vorab beruhigen. Was könnte ich Diego schenken? Bücher hat er genug. Teure Dinge sind teuer und Deos kommen immer dumm rüber. Ich beschließe, erstmal in einen Musikladen zu gehen.
Vielleicht eine Ukulele? Oder doch eine CD von ACDC? Ich stehe hilflos vor einer großen Auswahl an irgendwelchen CDs von Sängern und Bands.
„Nimm eine Schallplatte vonThe Rocks. Die passt am besten zu Diego.", erklingt eine mir bekannte Stimme. Ich schwenke meinen Kopf zu Martina rüber. Sie sieht mich mit ihren großen kastanienbraunen Augen an. „Was willst du?", frage ich mit säuerlichem Unterton. Ich war immer noch sauer. Ich meine, wer würde nicht sauer sein, wenn er gemerkt hat, nur benutzt worden zu sein?
„Jorge, können wir reden?", fragt sie leise. „Dann rede mal.", antworte ich. Letztes Mal habe ich ihr nur ein paar Minuten gelassen. Jetzt kann sie reden. „Es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen. Aber es gab nie eine Möglichkeit es dir zu sagen." Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Und auch nicht, bevor wir miteinander geschlafen haben? Konntest du es mir nicht, bevor wir uns geküsst haben sagen?" Mit jedem Wort zieht sich das Herz in meiner Brust mehr zusammen. „I-ich wollte es ja. Bloß konnte ich es nicht tun. Du bist mir wichtiger, als du vielleicht denkst." Martina unterbricht sich und fährt sich mit der Hand durch ihre Haare.
Mit dieser einen kleinen Bewegung wirft sie mich schon komplett aus der Bahn. Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle - hier und jetzt - geküsst.
„Ich habe mit ihm Schluss gemacht. Eigentlich wollte ich das schon längst tun, deswegen war ich auch mit Ryan in der Küche. Aber er hat mich geküsst und in dem Moment kamst du.", erzählt sie für mich mit ehrlichem Tonfall. Irgendwie war auch Reue dabei. „Was soll ich noch tun, als mich zu entschuldigen? Was kann ich machen, damit du mir verzeihst?", fragt Martu verzweifelt.
Ich habe mich in dem Moment entschieden. Mein Hirn hat während dieses Gesprächs einen Kampf geführt. Verzeihen gegen Hassen. Erbittert haben die zwei diskutiert und gegeneinander gekämpft. Doch anstatt meinen Kopf entscheiden zu lassen, hat mein Herz schon gewählt: Meine Martu.
„Kannst du endlich mal aufhören zu reden..." Erschrocken blickt Martina mich an. Aber ich komme ihr nahe. „..und mich endlich küssen?", vervollständige ich meinen Satz. Erleichtert atmet meine Martu aus und stellt sich so vor mich, dass kein Blatt mehr zwischen uns hätte passen können. So stellt sie sich auf die Zehenspitzen und legt ihre Lippen auf meine.
Unser Kuss löst in mir tausende von Blitzen aus und ich schlinge die Arme um ihren zierlichen Körper. Jede Sekunde mehr, die sie mich küsst, fühle ich mich immer mehr zu ihr hingezogen. Sie ist eine unglaublich gute Küsserin, das war sie schon immer. Aufgrund des altbekannten Problems - Luftmangel - müssen wir uns lösen. Leicht grinsend deutet Martina mit der Hand nach oben über uns. Tatsächlich, ein Mistelzweig. „Kann das Zufall sein?", lache ich leise. „Das ist Magie, Mr. Blanco.", erwidert die süße Stimme meines Herzens und küsst mich erneut.
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Last Christmas
Humor[2016 beendet] London kann im Winter sehr verschneit sein. Aber dass sich zwei Liebende in diesem Gewühl finden? Wohl kaum. Aber da gibt es immer noch Jorge, der Weihnachten verabscheut. Wie kann man Weihnachten nicht lieben? Nun ja, seine Freundin...