Memories

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Liss

Es ist sehr deprimierend. Bei meinen Freunden kann ich niemals ich selbst sein. Immer muss ich mich verstellen, immer muss ich es unterdrücken. Was ist es? Es ist nun schon so lange ein Teil von mir, es ist schon ich, ich bin schon es. Nach all der Zeit weiß ich noch immer nicht was es ist.

Es ist schwarz. Es ist grausam. Es macht mir Freude. Es ist ich.

Mir gefällt es. Ich bin gerne es. Doch was ist ... es?

So viele Gedanken, so viele verwirrende Gedanken, so viele Fragen.

Wo kommt es her? Warum ist es überhaupt da? Welchen Zweck erfüllt es? Welcher Teil von mir bin ich, welcher Teil ist es? Oder sind es und ich ein und das selbe?

Es existiert, definitiv. Sonst müsste ich es nicht zurückhalten. Zurückhalten grausame Dinge zu tun. Schöne Dinge. Es ist gut.

Ich lege den Kopf zurück und lache. Ein wahnsinniges, verrücktes Lachen. Ich habe doch noch die Kontrolle oder nicht?

Ein Blatt segelt von dem Zweig über mir, wie in Zeitlupe und landet auf meiner Stirn. Ich wische es geistesabwesend weg. Zu viele Gedanken. Ich bin ruhig. Dass ist selten. Ich schließe die Augen und lasse den Kopf in den Nacken sinken. Meine Füße baumeln locker von dem Ast auf dem ich sitze. Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht, es fühlt sich fast gut an. Wann habe ich mich das letzte Mal gut gefühlt, als ich nicht jemanden gequält habe?

Ich weiß woran es liegt. Es ist nicht da.

Ich versinke in meinen Gedanken. Zum ersten Mal seit langem kann ich ihnen freien Lauf lassen.

...

Ein junges strohblondes Mädchen rennt durch hohes Gras. Nein es ist kein Gras, es sind hohe Kornhalme. Die Stiele sind so groß wie Laternen. So kommt es ihm vor, es ist noch so klein. Vergnügt lacht es, zwei andere Spielgefährten laufen ihm hinterher. Es schreit ihnen munter zu, dass sie niemals mithalten können, wer als letzter am See wäre, hätte verloren. „Das ist unfair, ihr gewinnt immer!", ruft ein Junge mit nussfarbenem Haar. Er bemüht sich nach Kräften nicht zurück zu fallen, doch das zweite Mädchen ist ihm schon einige Meter voraus. Halme schlugen den Kindern ins Gesicht, die kühle Erde gab sanft unter ihren Füßen nach. Sie lachten. Sie waren glücklich. Nebel zieht auf. Dicker dichter schwarzer Nebel. „Es gibt keinen schwarzen Nebel", schießt es mir noch durch den Kopf. Dann ist das Bild und die Erinnerung daran weg.

Es ist wieder da, und es ist wütend. Ich bin wütend. Sie zerfrisst mich die Wut, wie Maden, die sich einem ins Fleisch bohren und nicht zu fressen aufhören, bis nur noch blanke Knochen übrig sind.

Ich bemerke nicht, wie Meine Fäuste sich verkrampften und meine Augen sich zu Schlitzen verengen. Diese Wut, diese unfassbare, alles verzehrende Wut. Ich bin eine tickende Zeitbombe, die nur darauf wartet hoch zu gehen, ich bin ein Vulkan, tief in mir brodelt es und die glühende Masse steigt immer höher, kurz davor auszubrechen. Dieser Zorn muss abgelassen werden, egal wie, egal an wem, egal an was. Ich hole aus und schlage mit voller Wucht gegen den Baum neben mir. Das Holz splittert und bohrt sich in meine Haut. Ich schlage wieder zu, und wieder. Ein großes Stück Holz steht ab, und ich reiße mir die Hand daran auf. Blut sickert aus dem Riss hervor. Und ich schlage wieder zu. Ein roter Fleck prangt auf dem hellen Holz. Bald ist es soweit, sagt es mir. Bald ist was soweit? Frage ich es. Es antwortet es mir.



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