Es Beginnt

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Kaely


Einige Minuten scheint die Zeit stillzustehen. Die Frau starrt auf ihre beiden blutüberströmten Arme und hat den Mund weit aufgerissen. In meinen Ohren pocht das Blut und die ganze Welt erscheint wie hinter einer trüben Scheibe. Dann plötzlich öffnet sich in meinem Kopf wie eine Art Vorhang und ihr entsetzlicher Schrei dringt zu mir durch. Sie starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an und erst jetzt sehe ich dass ihre Pupillen pulsieren, wie ein Herzschlag.

Ich frage mich ob es erst seit kurzem so ist, oder ob es mir bisher bloß nicht aufgefallen ist.

Mit einem Mal wird es draußen immer dunkler, als würde die Sonne von irgendetwas verdeckt werden. Auch die Verrückte scheint dies zu bemerken und mit einem Mal ist sie vollkommen ruhig.

Wie gebannt starre ich auf ihre Augen, denn aus den Pupillen schießen plötzlich schwarze Stränge, die sich um ihren Augapfel legen und ihn förmlich zu umklammern scheinen. Ihr Blick richtet sich fest auf das Fenster und den rasch immer dunkler werdenden Himmel. Aus ihrer Kehle ertönt ein morbides Summen, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellen.

Ihr Summen scheint immer lauter zu werden und aus verschiedenen Richtungen zu kommen bis ich merke, dass sie nicht die einzige ist die dieses Geräusch von sich gibt. Die Türen des Korridors öffnen sich und langsam wandeln Ärzte und einige Patienten daraus hervor mit langsamen, schleichenden Schritten, beinahe wie Schlafwandler. Sie alle haben ihre Augen weit aufgerissen und scheinbar ins Leere gerichtet und in jedem einzelnen kann ich die schwarzen Stränge erkennen die sich wie ein Parasit daran festsaugen.

Der Anblick ist mehr als unheimlich. Eine Stimme in mir befiehlt mir stillzustehen und keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

Da schwingt eine Tür zu meiner Linken auf und ein junger strohblonder Krankenpfleger läuft auf den Flur. Verdutzt bleibt er stehen als er die Szenerie die sich ihm bietet sieht. Erst fällt sein Blick auf die versammelte Menschenmenge, dann auf das Blut, dann wieder auf die Menschen die ihren Blick nun alle lauernd auf ihn fokussiert haben. „Hey was ist denn hier lo-", weiter kommt er mit seinem Satz nicht, denn schon hat sich die Meute auf ihn gestürzt. Ein Arzt zieht ein Skalpell und beginnt ihn zu häuten, während ein Patient ihm die Augen herausreißt. Eine junge Frau vergräbt mit einem Freudenschrei ihre Zähne in seiner Kehle. Sie alle kämpfen darum ihm Leid zufügen zu dürfen und seine Schmerzensschreie gehen in dem Chaos unter.

Dann wache ich aus meiner Schockstarre auf und nutze die Ablenkung. Ich beginne zu rennen, so schnell wie ich noch nie gerannt bin. Draußen ist es bereits stockfinster und das einzige Licht kommt von den grellen Lampen des Krankenhauses. Plötzlich bleibe ich ab einem herumstehenden Bett mit Infusionsständer hängen, welcher krachend auf die Fliesen fällt.

Augenblicklich wendet sich die Menge von dem mittlerweile toten Arzt ab ,von dem nur noch die Knochen und ein Haufen blutiger Matsch übrig ist, und rennt auf mich zu. Panisch versuche ich zu fliehen und lege noch einen Zahn zu, denn sie sind schneller als ich und holen immer weiter auf.

Während sie mich verfolgen dringen immer wieder einige von ihnen rechts und links von dem Korridor in Krankenzimmer ein und den Schreien nach zu urteilen sind es die in denen sich noch lebende Patienten befinden, die sich nicht in Monster verwandelt haben.

Beinahe verliere ich schon die Hoffnung ihnen entkommen zu können, da packt mich eine starke Hand und Zieht mich in einen dunklen Raum. Ich höre das Krachen einer schweren zuschlagenden Tür und das Rasseln eines Riegels.

„Hier drin bist du erst einmal in Sicherheit", sagt eine tiefe Männerstimme.

„Wer bist du?", frage ich ängstlich, denn ich habe Angst nun mit einem von diesen Monstern eingesperrt zu sein. „Keine Sorge ich will dir nur helfen", versucht er mich zu beruhigen, doch mich lässt das Gefühl nicht los dass er mich nur gerettet hat um mich ungestört quälen zu können.

Da höre ich ein leises Klicken und ein spärliches Licht flackert auf. Vor mir steht ein hochgewachsener kräftiger Mann mit einem runden Gesicht, dunkelbraunen Vollbart und dichtem Haar in dem sich schon einige graue Stellen abzeichnen. Beschwichtigend hebt er die Hände „Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun", er macht einen schritt auf mich zu, doch ich weiche sofort zurück und stoße dabei an ein Regal. Scheppernd fällt ein Eimer zu Boden und ich bemerke dass wir uns offenbar in einer Art Abstellkammer befinden. Erschrocken sieht der Mann zur Tür und lauscht angestrengt ob jemand das Geräusch gehört hat. Draußen tobt noch das Massaker, doch niemand scheint uns bemerkt zu haben. Er atmet erleichtert auf und wendet sich wieder mir zu „Bitte schreck nicht zurück", er kommt wieder auf mich zu „ich will dir doch nur beweisen dass ich keiner von denen bin"

Er zieht sein Augenlid zurück „Schau, keine Streifen, ich bin ein Mensch, wie du"

Das beruhigt mich. „Danke, dass sie mich gerettet haben"

„Nicht der Rede wert, ich hätte dich schließlich nicht sterben lassen können. Wie heißt du eigentlich Kleines?"

„Ich heiße Kaely... und sie?"

„Kaely hm? Das ist ein ungewöhnlich Name, aber er passt zu dir. Du kannst du zu mir sagen, ich bin Dale"

„Freut mich dich kennenzulernen Dale"

Es folgte ein kurzes Schweigen, wir beide starrten wie gebannt auf die Tür, die uns von den verrückt gewordenen Irren trennte. „Weißt du was passiert ist?", frage ich ihn schließlich. Er schüttelt den Kopf. „Nein, ich war grade unterwegs hierher einen Putzlappen zu holen, weil sich einer der Patienten nach der Blutabnahme übergeben musste, da fing es auf einmal an. Mit einem Mal hatten sie alle diese schwarzen Streifen in den Augen und gingen auf alles los was sich bewegte. Das einzig seltsame an der Sache ist... mir ist aufgefallen, dass sie alle Patienten verschonen, die mit der seltsamen neuen Krankheit befallen sind". „Das ist wirklich äußerst seltsam", stimmte ich Dale zu „was wollen wir jetzt tun? Wir können hier nicht raus"

Er wendet seinen Blick nicht von der Tür ab „erstmal werden wir gar nichts tun. Am besten ist es wenn wir hier warten bis sich die Lage draußen beruhigt hat und dann weitersehen, aber im Moment sind wir hier drin sicher. Du siehst sehr geschafft aus Kleines, such dir ein paar Bettlaken zusammen und ruh dich aus, ich halte währenddessen Wache". Seine Stimme hatte einen väterlichen Unterton. Erst als er es ansprach fiel mir auf, wie müde ich eigentlich war und begann in den Regalen zu suchen, bis ich in Kisten verstaut, ein paar ordentlich zusammengelegte und gestapelte weiße Bettlaken fand. Ein paar davon breitete ich auf dem Boden aus und machte es mir so bequem wie es ging, während Dale den heruntergefallenen Eimer umdrehte, sich daraufsetzte und aufmerksam den Geräuschen vor der Tür lauschte.

In die rauen Stofflaken gewickelt lag ich dort und ehe ich es mich versah hatte der Schlaf mich übermannt.



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