Zufälle?

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Sophie

„Oh Gott, was für Augenringe!", denke ich, als ich mich morgens beim Waschen im Spiegel betrachte. Die dunklen Ringe zeichnen sich deutlich von meiner hellen Haut ab. So schnell ich kann, versuche ich sei mit einem Abdeckstift zu kaschieren, den ich fast nie benutze. Ich habe nämlich keinerlei Hautuhreinheiten, daher kenne ich mich nicht mit MakeUp aus und weiß nicht mal, ob man Abdeckstift dafür überhaupt benutzt.

 Schnell streife ich mir meine Kleider über. Sie sind dezent und unauffällig. Mein Talisman hängt mir wie immer um den Hals, ich lege ihn niemals ab. Es ist ein durchsichtiger Edelstein, in dem sich milchige Trübungen in Form eines Auges befinden, an einer feinen Silberkette.

Von Unten höre ich meinen kleinen zehnjährigen Bruder rufen, ich sollte mich beeilen. Außer ihm habe ich zwei weitere Geschwister die beide noch im Haus wohnen, obwohl mein Bruder schon zwanzig und meine Schwester achtzehn ist. Meine Familie ist weder reich noch arm, also das perfekte Zwischending. Ich bürste mir schnell über die Haare und folge den entnervten Rufen von meinem Bruder. Schnell schnappe ich meine Tasche, und will mich auf mein Fahrrad schwingen, jedoch sitzt eine dicke schwarzbraune Spinne auf dem Lenkrad. Ich hole meinen Bruder, damit er sie für mich tötet, denn sie ist mir zu groß. Doch als ob es damit nicht genug wäre, scheint unter dem Sattel ein ganzes Nest von den abstoßenden Tieren zu existieren. Als mein Bruder auf den Sattel schlägt um die andere Spinne zu erledigen, sieht es einer Explosion nicht unähnlich, als wie auf Knopfdruck tausende der krabbelnden Leiber unter dem Leder hervorbrechen. Seltsam, das hätte ich doch merken müssen wenn sie dort ein Nest gebaut hätten, ich fahre ja täglich mit dem Rad, so etwas geht meines wissens nach nicht über Nacht.

So muss ich wohl oder übel auf mein Ersatzrad umsteigen. Ich radle los.  Auf dem Waldweg peitscht mir ein ,von dem Regen vergangener Nacht noch nasser,  Zweig ins Gesicht und ich spüre ein Kribbeln auf meiner Stirn. Unsicher lasse ich den Lenker mit einer Hand los und fasse mir an die betreffende Stelle, da ich es zunächst für einen Wassertropfen halte der über mein Gesicht rinnt, doch es ist wieder eine Spinne. Dieser Tag scheint verflucht zu sein.

Der Schultag vergeht wie im Flug, normalerweise schenke ich dem Unterricht meine volle Aufmerksamkeit, doch heute war es anders. In meinen Gedanken war ich schon bei dem Klingeln der Schulglocke, welches das Ende des Unterrichts bedeutete. Es ist nicht so, dass ich es in der Schule langweilig finde und deshalb ihr Ende so herbeisehnte, es lag vielmehr daran dass ich nach der Schule Jane besuche, oder besser gesagt ihren Zwillingsbruder Jasper. Ich bin mit ihm zum lernen verabredet, wie schon so oft seit wir uns kennengekernt hatten. Eigentlich ist Jasper nur ein guter Freund, doch seltsamerweise steigt jedesmal dieses Hochgefühl in mir auf wenn ich ihn sehe, und ich folge dem Unterricht mit der selben Aufmerksamkeit, wie ich es heute tat, wenn ich mit ihm verabredet bin.

Ich hatte mich nach  dem Unterricht sofort auf mein Rad geschwungen und war nach hause gefahren, doch es war erst zehn nach eins. Mit Jasper bin ich um zwei verabredet, also setze ich mich mit etwas zu Essen auf die Couch und schalte den Fernseher ein. In den Nachrichten läuft offenbar grade ein Bericht über Krankenhäuser, denn ein Arzt spricht aufgeregt in ein Mikrofon. „...waren zunächst auffallend viele Patienten mit Spinnenbiss.", ich werde hellhörig. Das kann doch kein Zufall sein!

„Das merkwürdige an der Sache ist", fährt er fort  „dass einige der Bisse von Spinnen stammen, die ausschließlich in der Nacht aktiv sind, wie zum Beispiel die Dornfingerspinne oder die Wespenspinne. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass auch einige Bisswunden auf Spinnenarten zurückzuführen sind, die noch nicht mal in dieser Region vorkommen, beispielsweise die hochgiftige Sydney Trichternetzspinne ...", mir stockt der Atem. Die Sydney Trichternetzspinne ist meines Wissens nach eine der giftigsten Spinnen der Welt, neben der brasilianisch Wanderspinne. „... und der schwarzen Witwe", beendet der Arzt seinen Satz und erst jetzt fällt mir auf, dass auch er in seinem Bericht gestockt hat.

Schwarze Witwen sind auch alles andere als ungefährlich. Sie sind giftiger als Taranteln, zumindest die großen Weibchen.

Der Mann wischt sich mit einer nervösen Bewegung das fettige Haar aus dem teigigen Gesicht und redet weiter, doch nichts von dem was er sagt bleibt in meinem Gedächtnis haften. Erst als das Wort „Lepra" fällt, werde ich wieder aufmerksam. Das Bild wechselt und es spricht eine junge rothaarige Krankenschwester ins Mikrofon. „...eine bisher unbekannte Art von Lepra , wie wir annehmen. Es war bei allen Patienten dasselbe, von außen sahen sie , bis auf einige Ausnahmefälle relativ normal aus, aber unter der Haut, befand sich das Fleisch, soweit es noch vorhanden war, in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium. An einigen Stellen fehlte es auch ganz. Dort sah es wie angefressen aus, als würden sich die uns noch unbekannten Parasiten davon ernähren. Wie die Betroffenen zu dem Zeitpunkt bei dem sie bei und abgeliefert wurden noch am Leben sein konnten ist bisher unklar, ein Mittel um es zu retten ist noch nicht entdeckt. Marlene Karrow, Boston."

Und damit war der Bericht beendet. Nachdenklich starrte ich auf den Bildschirm. Das konnte doch alles kein Zufall sein!




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