Besuch im Krankenhaus

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Kaely

Als der Anruf mich erreicht war der Tag bis zu diesem Zeitpunkt einer der friedlichsten der vergangenen Woche gewesen. Doch ich weiß in dem Moment in dem das Telefon klingelt, dass sich das ändern wird. Am anderen Ende der Leitung spricht mich eine Frauenstimme an, sie hat sich nicht vorgestellt, aber ich weiß trotzdem dass es Miss Collin ist. Die alleinerziehende Mutter von Juliana, einem Mädchen das meistens allein auf dem Pausenhof steht und mit leeren Blicken in die Luft starrt. Ich weiß, dass sie eine Lähmung hat, denn sie zieht beim Laufen immer das eine Bein ein wenig nach. Sie redet nicht viel und hat in letzter Zeit angefangen sich immer sonderbarer zu benehmen. Ein paar mal bin ich mit ihr nach Hause gegangen, weil ich das Gefühl hatte sie wäre ein wenig einsam, aber offensichtlich gefällt es ihr allein zu sein.

 Ihre Mutter klingt aufgebracht und ich weiß aus irgendeiner Eingebung heraus, dass sie weint. Sie erzählt mir dass Juliana im Krankenhaus liegt und sich offenbar an dem Virus angesteckt hat, der in letzter zeit umgeht. Sie schluchzt und legt auf. Ich habe Juliana zwar nie besonders nahe gestanden, aber ich halte es dennoch für richtig wenn ich sie besuche.

Der nächste Bus fährt in ein paar Minuten, also nehme ich nichts außer meinem Mantel mit und und eile durch den Wald in dem unser Haus liegt. Als ich an die Bushaltestelle komme sehe ich grade wie der Bus Anstalten macht wegzufahren und springe in dem Moment hinein, in dem sich die Türen schließen wollen.

 Am Krankenhaus frage ich nach Juliana und eine freundliche brünette Frau in einem weißen Kittel führt mich zu ihrem Zimmer. Sie liegt auf ihrem Bett und starrt ausdruckslos an die Decke. „Hi Juliana", sage ich leise.

Blitzschnell richtet sie sich auf. Ihre Wangen sind eingefallen, ich weiß das unter der Haut kein Fleisch liegt. Sie streckt die Hand aus. Ihre Hand besteht nur aus Knochen, die Haut hängt schlaff daran herunter und hat eine unnatürliche gräuliche Farbe angenommen. Das selbe bei ihrem Arm nur dass sich einige Wölbungen abzeichnen, dort wo noch faules Fleisch existiert. Das ganze macht den perfiden Eindruck von einem fast leeren Kartoffelsack. Dagegen sieht ihr anderer Arm noch beinahe ganz normal aus, bis auf ein paar wenige Celluliteartigen Einbuchtungen. Vorsichtig nähere ich mich mit meiner Hand ihren ausgestreckten Fingern. „Vorsicht, nicht!", ruft die Frau, doch die Warnung kommt zu spät. Juliana packt mich blitzschnell am Handgelenk und hält mich in einem eisernen Griff. In dem Moment in dem sie mich berührt blitzt eine Vision vor meinem Innerem Auge auf.

Ich sehe nur ganz kurz ein Gewirr aus dünnen gegliederten Beinen, dann ist für einen Herzschlag alles schwarz.

Im selben Moment finde ich mich im Krankenzimmer von Juliana wieder, ich versuche meine Hand aus Ihrer zu ziehen doch sie ist zu stark. Ich probiere mit meiner freien Hand ihren Griff zu lösen, doch ihr Fleisch zerfällt unter meinen Fingern.

 Klappernd fallen ihre Fingernägel auf die makellos weißen Fliesen und ich beginne zu schreien als nur noch Knochen sich an mich klammern. Es ist unmöglich, dass sie noch Kontrolle über diesen abgestorbenen Körperteil hat, dass sie ihn noch bewegen kann. Die vor Schock erstarrte Frau beginnt nun endlich ihre starre zu Überwinden und tut aber leider das Gegenteil von dem worauf ich gehofft habe; sie rennt aus dem Zimmer.

 Ich kreische ihr hinterher, sie soll mir helfen, doch ich höre nur das immer leiser werdende Klacken ihrer Absätze. Über meine Wangen laufen Tränen während ich weiterhin versuche mich zu befreien. Juliana nimmt keine Notiz davon, sie schaut weiterhin mit glasigen Blicken ins Leere. Ich ziehe mit all meiner Kraft, doch es gelingt mir nicht mich zu befreien. Da vernehme ich das Geräusch der Stöckelschuhe wieder, diesmal kommt es näher.

„Oh mein Gott, ich dachte schon Sie würden mich im Stich lassen!", keuche ich als ich merke dass sie in den Türrahmen tritt. „Na los, helfen Sie mir doch endlich", rufe ich ihr zu, als sie nicht reagiert. Aus dem Augenwinkel realisiere ich, dass sie sich zögernd auf mich zubewegt. Da höre ich auf ein mal ein leises Sirren. Schnell fahre ich herum und sehe sie mit einer rotierenden Säge auf mich zukommen. Es ist eine kleine Säge, grade mal 20 cm lang und das kreisförmige dünne Schneideblatt hat einen Durchmesser von schätzungsweise 7 cm. Sie erinnert entfernt an eine Flexsäge.

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